Ein Oberschlesier aus Franken:Thomas Gottschalk zum 65. Geburtstag

Dass Thomas Gottschalk, der Entertainer und Talkmaster aus Franken, schlesische Wurzeln hat, auf die er bei seinen öffentlichen Auftritten gelegentlich verweist, ist seit Jahrzehnten bekannt. Nun steht sein 65. Geburtstag am 18. Mai bevor, und seine Autobiografie „Herbstblond“ (368 Seiten) ist jetzt in München erschienen.
Geboren ist Thomas Gottschalk am 18. Mai 1950 in Bamberg und aufgewachsen im oberfränkischen Kulmbach, wo er auch das humanistische Markgraf-Georg-Friedrich-Gymnasium besuchte. Aber seine beiden Eltern stammten aus Oberschlesien, von wo sie 1945 nach Franken flüchteten. Der Vater Hans Gottschalk (1902-1964) ist im niederschlesischen Dorf Kaulwitz bei Namslau geboren „und kaufte mir später einen riesigen Atlas nur deswegen, weil er diesen Flecken darin gefunden hatte.“ (Autobiografie). Er war Bauernsohn, hatte auf dem „zweiten Bildungsweg“, wie man heute sagen würde, das Abitur abgelegt und war Rechtsanwalt geworden in Oberschlesiens Hauptstadt Oppeln. Die Mutter Rutila Gottschalk (1922-2004) stammte aus Groschowitz bei Oppeln. „Ich verstand mich also“, so Thomas Gottschalk, „nicht nur als Schlesier, sondern ich verstand auch Schlesisch.“ So nannte er die Pfütze „Lusche“ und den Schemel „Ritsche“ (und das ist falsch, denn die Ritsche war die Fußbank).
Während für seine oberschlesischen Eltern Kulmbach nur „zweite Heimat“ war, wurde für Thomas Gottschalk die oberfränkische Kreisstadt im Zonenrandgebiet zum Ort der Kindheit und Jugend, in dem er fest verwurzelt war. Auch seinen beiden jüngeren Geschwistern, dem Bruder Christoph und der Schwester Raphaela, ging das so. Er war Ministrant in der katholischen Stadtpfarrkirche „Unserer Lieben Frau“ und feierte auch die schlesischen Weihnachtsfeste mit. Als Jugendlicher arbeitete er als Disk Jockey in einem Kulmbacher Tanzlokal, fuhr mit der Klasse ins Coburger Landestheater, erteilte jüngeren Schülern Nachhilfeunterricht und war Kinder- und Jugendbetreuer in der katholischen Kirche. Wenn man diese beiden ersten Kapitel, die den Kulmbacher Jahren gewidmet sind, liest, muss man ununterbrochen lachen über die Schulstreiche, die hier geschildert werden, und die Unbeholfenheit des jungen Mannes, eine Freundin zu finden.
Das Abitur schaffte er, nach zweimaligem Sitzenbleiben in Mathematik, im Alter von 21 Jahren, nachdem er im Fach Altgriechisch mündlich geprüft worden war. Mit einem Stipendium der Deutschen Bischofskonferenz ging er 1971 nach München, um an der Ludwig-Maximilian-Universität Germanistik und Geschichte zu studieren. Einen Hörsaal von innen wird er kaum gesehen haben, denn noch 1971 begann seine Karriere beim Bayerischen Rundfunk, die er beim Fernsehen fortsetzte und die ihn zu einem reichen Mann (geschätztes Vermögen: 130 Millionen Euro) machten. Seine Frau Thea, die er beim Münchner Karneval kennen lernte, und er leben heute wechselweise in Kalifornien und in Berlin, die beiden Adoptivsöhne in den Vereinigten Staaten, nur der Enkel wohnt bei Großvater Thomas in Berlin, der ihn manchmal zum Kindergarten bringt.
Schlesien aber taucht immer wieder in seinen Erinnerungen auf, selbst bei der Atlantiküberquerung. Das ist wie bei dem Oberschlesier Horst Bienek (1930-1990) in seinem Gedichtband „Gleiwitzer Kindheit“ (1965), der sich bei einem Geruch, bei einem Geräusch an Schlesien erinnert: „Wenn ich heute im Flugzeug sitze und nicht mehr genau weiß, woher ich komme und wohin ich will, dann rufe ich solche Erinnerungen ab: das `Transeamus` des schlesischen Komponisten Joseph Ignaz Schnabel, das Herr Krömer…jedes Jahr zu Weihnachten im Hochamt sang und dabei die Damen des Kirchenchores mit ihrem `Glohohohohooria` abhängte.“ (Autobiografie)

Thomas Gottschalk „Herbstblond. Die Autobiographie“, Heyne-Verlag, München 2015, 19.99 Euro

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Über Jörg Bernhard Bilke 251 Artikel
Dr. Jörg Bernhard Bilke, geboren 1937, studierte u.a. Klassische Philologie, Gemanistik und Geschichte in Berlin und wurde über das Frühwerk von Anna Seghers promoviert. Er war Kulturredakteur der Tageszeitung "Die Welt" und später Chefredakteur der Kulturpolitischen Korrespondenz in der Stiftung ostdeutscher Kulturrat.

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