Ghaddafi geht, Assad bleibt noch

Der gestürzte ägyptische Präsident Mubarak beschwor seinen ehemaligen syrischen Diktatorkollegen Bashir al-Assad, die Macht abzugeben. Es heißt, dass Assad Mubarak gefragt haben soll, wie es ihm im Gefängnis gefalle.
Der libysche Diktator Ghaddafi konnte gestürzt werden, da es für seine Existenz keine Notwendigkeit gab. Der gestürzte ägyptische Präsident Mubarak war für Israel und den westlichen Staaten wichtig. Deren Macht reichte augenscheinlich nicht aus, um Mubarak vor Sturz und Gefängnis zu schützen.
Anders in Syrien. Assads Syrien ist in einem Netz von Intrigen derart verwoben und verknotet, dass sein Sturz unwahrscheinlich ist, unmöglich erscheint.
Es ist gefährlich, öffentlich eine Prognose über die Zukunft herauszugeben, die uns Menschen verschlossen ist. Ich wage es trotzdem und gestehe vorsichtigerweise, dass ich kein Prophet bin. Sollte ich mich im Ergebnis irren, so hoffe ich, dass meine Analysen nicht falsch sind.
Assad hat Verbündete, Feinde, Unterstützer und Anhänger. Diese strategischen Gruppen lassen sich nicht voneinander unterscheiden.
Zu Assads Verbündeten zählen die Türkei und der Iran. Die relativ mächtige Türkei ist ein Verbündeter, weil sie von einem alt-neuen islamischen Kaliphat unter türkischer Vorherrschaft beseelt ist. Sie sammelt die verlorenen arabischen Staaten um sich. Bisher ist dies nur bei ihrem unmittelbaren Nachbarn Syrien gelungen. Wendet sich Syrien von der Türkei ab, so verliert der erhoffte Gottesstaat jegliche Hoffnung auf Erfüllung.
Assad ist Alevit. In Syrien herrschen die Aleviten, die von der sunnitischen Mehrheit als Schiiten oder als Ungläubige betrachtet werden. Die Aleviten selber sehen sich als gebildete säkulare Moslems. In der Türkei und in Deutschland werden bekennende Aleviten von türkischen Sunniten verachtet und nach Möglichkeit verfolgt und unterdrückt. Derzeit verfolgen und morden die Aleviten in Syrien die Sunniten. Die Türkei beansprucht für ihr Kaliphat Zypern, Syrien, den Libanon, den Irak, die Golfstaaten, Saudi-Arabien, Jemen, Jordanien, Israel, die Palästinensergebiete und Ägypten. Syrien wünscht sich ein Großreich in der Ausdehnung des Assyrischen Großreiches, welches Zypern, die Türkei, den Libanon, den Irak, die Golfstaaten, Jordanien, Israel, die Palästinensergebiete und Ägypten beinhaltet. Während Assad in Europa westlich erzogen wurde und deshalb dem Westen misstraut, hat der türkische Ministerpräsident Erdoğan seine gesamte Bildung in seiner orientalischen Heimat genossen und wünscht sich den Beitritt seines Landes in die EU.
Der zweite zuverlässige Verbündete Syriens ist der Iran. Dort herrschen die Schiiten, die im eigenen Land jeden Aleviten ermorden würden, so es sie dort gäbe. Da die Schiiten keine Freunde der Sunniten sind, die iranischen Schiiten also keine Freunde der syrischen Sunniten, unterstützt der Iran skrupellos den syrischen Diktator, um die Unruhe im Nahen Osten zu schüren und zu erhalten. Die iranischen Schiiten sehen sich als Beschützer der syrischen Schiiten, die Assad zuneigen, da sich für sich nach dessen Abgang nichts Gutes von der sunnitischen Majorität erwarten.
Den westlichen NATO-Staaten ist Syrien ein wichtiger Verbündeter, wenn es um Erledigung delikater Aufgaben wie Folter geht. Die geringen Vorkommnisse an Erdöl befreien den Westen, im Falle eines Konfliktes wie in Libyen, militärisch für seine Energiesicherung einzutreten. Auf Grund der vielen zivilen Opfer in Syrien, die Assad Terroristen nennt, sehen sich die westlichen Staaten ideologisch gezwungen, sich von Assad zu distanzieren und die offizielle Zahl der Ermordeten klein zu halten. Russland, welches an Einfluss in Syrien an den Westen verloren hat, und China, welches bisher keinen Einfluss auf Syrien hatte, möchten ein verstärktes Eindringen des Westens vermeiden, insbesondere da Syrien vor ihrer „Haustür“ liegt. Eine UN-unterstützte Strafaktion westlicher Staaten gegen Syrien ist somit nicht zu befürchten.
Zu den wenigen Feinden Syriens und Unterstützer Assads zählt Israel. Die Entsendung randalierender Palästinenser über die schlecht gesicherte gemeinsame Grenze im Golan betrachtet Israel als aggressiven Akt und Ablenkungsmanöver, mit dem sich Assad Luft und Sympathie bei den Seinen verschaffen wollte. Ansonsten ist die israelisch-syrische Grenze seit Jahrzehnten befriedet. Ein sunnitisches Syrien wäre für Israel derart unangenehm, dass sich Assad 100% darauf verlassen kann, in seiner jetzigen Schwäche nicht von Israel angegriffen zu werden.
Auch die Palästinenser unterstützen Assad, da er palästinensischen Organisationen Unterschlupf in Syrien gewährt, die von anderen palästinensischen Organisationen verfolgt werden. Als bei der jetzigen Massentötung einige Palästinenser als Kollateralschäden ihr Leben verloren, bemühten sich offizielle und inoffizielle Palästinenser und ihre europäischen Friedensfreunde erfolgreich, dies zu vertuschen. Es versteht sich daher, dass progressive Friedenskräfte nicht auf Seiten Syriens, sondern auf Seiten Assads stehen. Hitzige Demonstrationen gegen Assad sind weder in Westeuropa, noch in Nordamerika zu befürchten, selbstverständlich nicht in Russland und China.
Zu den Anhängern Assads werden die Christen in Syrien gezählt, die nicht das Schicksal ihrer Glaubensgenossen wie nach dem Sturz Saddam Husseins im Irak teilen wollen. Sie ziehen die allgemeine und gleiche Diktatur unter Assad einer gesonderten Verfolgung unter den Schiiten Syriens vor. Selbst der Vatikan hat sich bisher geweigert, die Missetaten Assads mit sanften Worten zu benennen.
Somit ist Assads politische Zukunft und die seiner Familie gesichert. Cui bono, wenn Assad verschwindet? Der Demokratie? Den zukünftigen Unterdrückten?
Die Demokratie hat in Syrien dieselbe Chance wie in anderen arabischen Staaten. Also keine.
Den Unterdrückten empfehlen Verbündete, Feinde, Unterstützer und Anhänger Assads zu schweigen.

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Über Nathan Warszawski 535 Artikel
Dr. Nathan Warszawski (geboren 1953) studierte Humanmedizin, Mathematik und Philosophie in Würzburg. Er arbeitet als Onkologe (Strahlentherapeut), gelegentlicher Schriftsteller und ehrenamtlicher jüdischer Vorsitzender der Christlich-Jüdischen Gesellschaft zu Aachen.

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