Henry Kissinger: Protagonist des historischen und politischen Realismus

Zum Tod von Henry Kissinger -anstelle eines Nachrufs

grab friedhof rip tombstone d tod ruhe in frieden, Quelle: RobVanDerMeijden, Pixabay License Freie kommerzielle Nutzung Kein Bildnachweis nötig
Als Historiker beschrieb Kissinger, ausgehend von der „realistischen“ Großmachtdiplomatie auf dem Wiener Kongress, die Wirkkraft der Fakten. Er sparte mit der Ausgestaltung von Hypothesen oder kontrafaktischen Überlegungen. In seinem Nachruf auf den großen Staatsmann des 20. Jahrhunderts stellt Herbert Ammon die hypothetische Frage: Was wäre aus Henry Kissinger – geboren im deutschen Krisenjahr 1923 in Fürth, 1938 vor den Nazis aus Deutschland geflohen -, was wäre aus dem Land seiner Geburt geworden, wenn anno 1933 nicht die „Machtergreifung“ Hitlers – realiter die aus einem Intrigenspiel resultierende Machtübertragung – stattgefunden hätte? Von Herber Ammon.
Alle Zeitungen der Welt, gedruckt oder nur noch online, widmen in diesen Tagen dem mit 100 Jahren verstorbenen Henry Kissinger umfangreiche Nachrufe. Dem Lesepublikum meines Blogs empfehle ich den Aufsatz des New York Times-Autors Davd E. Sanger zu einer ausgewogenen Beurteilung der Leistungen und der Fragwürdigkeiten des außergewöhnlichen Staatsmannes: https://www.nytimes.com/2023/11/29/us/henry-kissinger-dead.html?

Kissinger verstand sich als Protagonist des historischen und politischen Realismus. In seinen Büchern wie in seiner politischen Praxis wandte er sich gegen hochfliegenden Idealismus, wie er ihn im „Wilsonianismus“ („the war to end all wars“; „ro make the world safe for democracy“) verkörpert sah. Letztlich bedeutete dies auch die Zurückweisung der Idee Kants vom ewigen Frieden. Kritikern erschien sein persönliches Machtstreben, erst recht seine Machtpolitik im Dienste der Weltmacht USA als amoralischer Machiavellismus, was zumindest für Kissingers Leitbegriff eines von Mal zu Mal zu tarierenden machtpolitischen Gleichgewichts in der Staatenwelt nicht zutrifft.

Sein Konzept einer auch noch im 21. Jahrhundert praktikablen Weltordnung entwickelte er 2014 unter dem Stichwort „Westfälischer Frieden“ (siehe dazu meinen Rezensionessay https://www.iablis.de/iablis/themen/2016-die-korruption-der-oeffentlichen-dinge/rezensionen-2016/115-kissingers-amerikanische-weltordnung). Leadership  verband er in seinem letzten Buch (2022)unter dem deutschen Titel erschienen als „Staatskunst“ – mit den Namen Konrad Adenauer, Charles de Gaulle, Richard Nixon, Anwar as-Sadat, Lee Kuan Yew und Maragaret Thatcher.

Als Historiker beschrieb Kissinger, ausgehend von der „realistischen“ Großmachtdiplomatie auf dem Wiener Kongress, die Wirkkraft der Fakten und sparte mit der Ausgestaltung von Hypothesen oder kontrafaktischen Überlegungen. Anstelle eines weiteren Nachrufs sei die Überlegung gestattet: Was wäre aus Henry Kissinger – geboren im deutschen Krisenjahr 1923 in Fürth, 1938 vor den Nazis aus Deutschland geflohen -, was wäre aus dem Land seiner Geburt geworden, wenn anno 1933 nicht die „Machtergreifung“ Hitlers – realiter die aus einem Intrigenspiel resultierende Machtübertragung – stattgefunden hätte?

Finanzen

Über Herbert Ammon 87 Artikel
Herbert Ammon (Studienrat a.D.) ist Historiker und Publizist. Bis 2003 lehrte er Geschichte und Soziologie am Studienkolleg für ausländische Studierende der FU Berlin. Seine Publikationen erscheinen hauptsächlich auf GlobKult (dort auch sein Blog https://herbert-ammon.blogspot.com/), auf Die Achse des Guten sowie Tichys Einblick.