Im Interview mit dem Generalkonsul Japans in Deutschland Akira Mizutani

Ein Krieg der Bilder, wie man ihn aus Zeiten des „Kalten Krieges“ kannte, überflutet täglich sämtliche Medien, vom Internet bis zum Fernsehen. Die Drohgebärden aus Nordkorea und die Möglichkeit eines Militärschlages sind brandaktuell. Wie ernst sehen Sie die Bedrohung von Nordkorea seitens des jungen Diktators Kim, der ein Mann der Widersprüche ist und sich im globalen Spiel der Macht inszeniert? Wie schätzen Sie die politische Lage in der Region insgesamt ein?

Die Situation ist sehr ernst, aber Kim Jong-un möchte dieses Theater inszenieren, damit er innenpolitisch seinen Machterhalt sichern kann. Für dieses Spektakel ist der Zeitpunkt gerade sehr günstig, da die USA und Südkorea im April ihre jährlichen militärischen Übungen durchgeführt haben. Kim und sein Regime beabsichtigen vielleicht, ihren Landsleuten zu vermitteln, dassdie entschlossene Haltung ihres großen Führers die bösen Amerikaner und Südkoreaner vertrieben hat.

In Tokio wurden im April Patriot-Raketen stationiert, wie kann sich Japan im Ernstfall schützen?

Natürlich haben wir bereits einige Abfangraketen aufgestellt. Juristisch haben wir auch zwei Gesetze, damit wir auf den Ernstfall richtig reagieren können. Zum einen das Gesetz zur Sicherung der Unversehrtheit Japans und seiner Bevölkerung im Falle eines bewaffneten Angriffs. Wir haben auch das Gesetz für sicherheitsgefährdende Umstände in den um Japan liegenden Gebieten, damit wir die Aktivitäten unserer Verbündeten unterstützen können.

Haben Sie Angst, dass sich andere Regime wie beispielsweise der Iran mit Präsident Ahmadinedschad durch die Drohungen von Nordkorea in ihrer Politik bestätigt finden könnten? Seit langem droht Irans Präsident mit Vergeltung!

Ja und Nein. Auf einer Seite haben wir Bedenken, weil Nordkorea so unberechenbar ist. Auf der anderen Seite sind uns die Drohgebärden schon seit vielen Jahren bekannt. Zudem glauben wir, dass Nordkorea mit seinen Machtgebärden eine gewisse Stärke nach Innen demonstrieren will.
Das Problem vom Iran ist sehr ernst, aber gleichzeitig möchte ich darauf hinweisen, dass die Bürger in Europa nicht so empfindlich gegenüber Nordkorea sind wie gegenüber dem Iran. Viele Deutsche wissen vielleicht nicht, dass mindestens 17 Japaner in den 70er und 80er Jahren vom nordkoreanischen Geheimdienst aus Japan verschleppt wurden. Die Opferzahl könnte noch viel höher sein. Zwar hat sich der damalige Diktator Kim Jong Il entschuldigt und die „Erklärung von Pjongjang zwischen Japan und Nordkorea“ kam zustande.Dieses Dokument bildet die Grundlage der japanischen-norkoreanischen Beziehungen. Leider kam es danach zu mehreren Atombombentests und zu Abschüssen von Raketen. Wir waren nicht in der Lage, die Verhandlungen weiterzuführen. Um diesen Stillstand zu durchbrechen, sollte die internationale Gemeinschaft mit einer Stimme sprechen.

Sie betonten, daß es unterschiedliche sicherheitspolitische Voraussetzungen zwischen Europa und Asien gibt, was haben wir darunter zu verstehen?

Die Struktur der Ost-West-Konfrontation bleibt leider in Fernost immer noch weiter bestehen. Im deutlichen Gegensatz zu den umfassenden Bündnissystemen in Europa existieren in Asien verschiedene bilaterale Beziehungen. In Asien übernehmen die USA die Funktion einer „Radnabe“; bilaterale Sicherheitsbündnisse zwischen den USA und Japan bzw. Südkorea bilden jeweils die „Speichen“. Hier gibt es leider Spielräume, in denen sogenannte „Schurkenstaaten“ ihr Unwesen treiben könnten. In Asien befinden sich übrigens vielfältige Staatenmit unterschiedlichen Religionen, gesellschaftlichen Systemen und Entwicklungsniveaus von Demokratie. Japan ist die älteste Demokratie Asiens und wir versuchen seit vielen Jahren zwischen diesen Ländern gegenseitiges Vertrauen herzustellen.

Immer wieder kam es zu Entführungen von japanischen Staatsbürgern durch das nordkoreanische Regime, was steckte dahinter?

Nordkorea wollte viele seiner Agenten nach Japan einschleusen, damit sie geheimdienstliche Tätigkeiten beispielsweise auf dem Gebiet der Hochtechnologie durchführen konnten. Die japanische Sprache zu beherrschen ist auch ein Ziel. Entscheidend war dabei, dass sich die Nordkoreaner an die japanischen Gewohnheiten, die sich von denen der Koreaner sehr unterscheiden, anpassen konnten. Sie brauchten die verschleppten Japaner aus verschiedenen Schichten und Altersgruppen als „Lehrer“ dafür.

Wie gestalten sich die Beziehungen zwischen Japan und der Volksrepublik China?

Die Beziehungen sind uns sehr wichtig und wir sind an einer guten Partnerschaft interessiert. Aberder gewaltsame Aufruhr im Namen des Patriotismus, 2012, den die kommunistische Regierung unterstützte, ist nicht zu akzeptieren.
Die vielzitierten Streitigkeiten um die Senkaku-Inseln zwischen Japan und China lassen sich anhand vier Schlüsselbegriffe näher erläutern. 1. Niemandsland, 2. Ölvorkommen, 3. Verbot des widersprüchlichen Verhaltens, 4. obligatorische Gerichtsbarkeit.
1. Die Senkaku-Inseln gehören seit 1895 ununterbrochen zum japanischen Territorium. Zuvor ließ die damalige japanische Regierung 10 Jahre lang gründlich untersuchen, ob die Inseln einem fremden Staat angehören könnten. Nachdem es feststand, dass die Inseln „Niemandsland (terra nullius)“ waren, hat das japanische Kabinett beschlossen, die Inseln einzugliedern; ein völkerrechtlich völlig normales Vorgehen. 2. Die UNO hat 1969 festgestellt, dass es unter dem Meeresboden um die Inseln Öl gibt. Daraufhin hatten China und Taiwan für diese Gebiete Hoheitsansprüche angemeldet. Früher gab es keine Anspruchsmeldung. 3. Beim „Verbot des widersprüchlichen Verhaltens“ geht es darum, dass man mit seinem Verhalten nicht seinen eigenen früheren Worten oder Vorgehen widersprechen sollte. Dass China gegen dieses Prinzip verstößt, dafür gibt es viele Beweise. Es gibt ältere Karten oder Zeitungsartikeln aus China, die belegen, dass China selbst früher davon ausging, dass die Senkaku-Inseln Teil von Japan sind. 4. Japan hat die sogenannte „obligatorische Gerichtsbarkeit“ bei Verhandlungen im Internationalen Gerichtshof akzeptiert. D.h., wenn Japan dort angeklagt wird, wird Japan automatisch in ein Gerichtsverfahren einwilligen, vorausgesetzt, wenn die Gegenpartei auch die obligatorische Gerichtsbarkeit akzeptiert. China hat sich aber schon immer solch einer obligatorischen Gerichtsbarkeit widersetzt. China sollte die Angelegenheit vor den Internationalen Gerichtshof bringen, statt mit Gewalt seinen Willen durchzusetzen versuchen, wenn es von seiner Sache so sicher ist.

Vor zwei Jahren erschütterte eine Erdbebenkatastrophe Ihr Land, der Fall Fukushima hat nicht nur in der Bundesrepublik für ein Umdenken in Sachen Atompolitik geführt. Wie gestaltet sich der Wiederaufbau der betroffenen Regionen und auf welche Energien setzt Japan verstärkt in der Zukunft?

Die Infrastruktur ist bereits zu 90 Prozent wieder hergestellt, aber erst 30 Prozent der zerstörten Wohnhäuser. Viele Menschen leben nach wie vor in Übergangsunterkünften. Dem Prozeß des Wiederaufbaus wird oberste Priorität zugemessen, insgesamt25 Bill. Yen sollen dafür bereitgestellt werden. Mit den vom Tsunami wegbespülten Städten und Dörfern auf die Anhöhen auszuweichen und sie dort wieder aufzubauen, sind große Herausforderungen. Wir beschleunigen aber die Bewältigung dieser Aufgaben und versuchen, ganz neue Stadtformen, zukunftsorientierte Städte zu gestalten.
Was die Zukunft der Energien betrifft, setzt Japan in der Zukunft auf einen Energiemix. 1. Sparen, 2. den Effizienzgrad erhöhen und 3. neue Bezugsquellen zu finden (zum Beispiel: Methan-Hydrat, geothermische- oder Gezeitenengergie). Im gegenwärtigen Zustand decken die einheimischen Energiequellen nur 4 Prozent des Energiebedarfs in Japan.Der Betrieb mit fossilen Brennstoffen kostet viel Geld und der CO2-Ausstoss ist sehr hoch. Um diese Probleme zu beseitigen, ist es notwendig, die AKWs, unter verschärften Bedingungen, wieder anzufahren. Durch den Ausbau erneuerbarer Energien in Zukunft wollen wir die Abhängigkeit von der Nuklearenergie so weit wie möglich reduzieren. Laut einer Umfrage wollen ca. 70 Prozent der Japaner entweder aus der Kernkraft aussteigen oder die Abhängigkeit davon reduzieren. Aber die Japaner wissen auch, dass der Ausstieg nicht so schnell wie in Deutschland möglich ist. Wir wollen deshalb gründlich diskutieren und danach über den besten Energiemix entscheiden.

US-Starinvestor Soros hatte unlängst Europa vor einer weiteren Finanzkrise gewarnt. Wie Soros betonte geht die EZB einen Weg, der einst schon Japan zum Verhängnis geworden sei. Nun erklärt er Japans neue Geldpolitik gegenüber CNBC für „eine Sensation“. Die Bank von Japan hatte Anfang April bekannt gegeben, Milliarden an frischem Geld in die Ökonomie zu pumpen. Gelddruck um die Wirtschaft zu stimulieren, ist das das neue Erfolgsrezept?

Japans Regierung setzt diesbezügliche auf eine drei-Pfeiler-Strategie. Wir setzen 1. auf eine expansive Geldpolitik, 2. auf eine flexible Finanzpolitik und 3. auf eine investitionsfreundliche Wachstumsstrategie. Das Ziel liegt darin, die japanische Wirtschaft aus einer lang anhaltenden Phase der Deflation herauszuholen. Die Zentralbanken von Großbritannien, Amerika und der EU (EZB) unterstützen unsere Position. Wir alle wissen aber, dass diese Geldpolitik nicht allein hilft. Der wichtigste Punkt ist Punkt 3, die Bemühungen um die investitionsfreundliche Wachstumsstrategie. Wir legen hohen Wert auf z.B. die Deregulierung oder die Förderung der Hochtechnologie. Japan und Deutschland sind einerseits Konkurrenten, andererseits wird ihre weitere Zusammenarbeit in diesen Bereichen sicherlich neue Marktnischen oder Geschäftschancen erschließen.

Japan bewirbt sich für die Olympischen Spiele 2020, wie ist das Land gerüstet? Was versprechen Sie sich von dieser Bewerbung?

Die Olympischen Spiele haben 1964 in Tokyo stattgefunden. Wir garantieren bei der Bewerbung Tokyos für 2020 Sportstätten auf höchstem qualitativem Niveau mit bestmöglichen Serviceleistungen. Wir wollen die Weltgemeinschaft zu einer großen Feier einladen, die auch die Jugend der Welt inspiriert. Wir wollen die olympischen Spiele zur zukunftstorientiertesten Stadt der Welt holen, wo die Olympiade schon einmal sehr erfolgreich stattfinden konnte.
Nach dem großen Erdbeben vor 2 Jahren haben wir intensiv erfahren, was Sport bewirken kann. Auch deshalb ist das Symbol der Olympischen Spiele Tokyo 2020 ein fünffarbiger Blumenkranz, der Samsara symbolisiert, den Kreislauf von Werden und Vergehen. Mit den Olympischen Spiele wollen wir nämlich einerseits den „Rückkehr“ nach Tokyo nach 1964, andererseits die „Wiedergeburt“ nach dem großen Erdbeben vor 2 Jahren symbolisch feiern. Beim Beben hatten wir unsere Widerstandskraft und Entschlossenheit gezeigt. Im selben Sinne wollen wir ein Signal des Mutes in die Welt und besonders an die jungen Generationen senden. Damit zeigen wir gleichzeitig unsere Dankbarkeit für die Unterstützung aus aller Welt.

Herzlichen Dank für das Gespräch, das Dr. Dr. Stefan Groß und Gerald A. Hochenberger führten. Herzlicher Dank auch an den stellvertretenden Generalkonsul Shinsuke Toda.

Finanzen

Über Mizutani Akira 1 Artikel
Akira Mizutani studierte an der Hitotsubashi-Universität, Tokyo. Er war von 2002-2004 Gesandter an der Botschaft von Japan in Anakara, von 2004-2007 Gesandter in Berlin. 2007-2009 war Mizutani an der Botschaft von Japan in Pakistan tätig. Von 2009-2011 war er Professor an Hitotsubashi Universität (Fakultät Jura), Tokyo. Seit 2011 ist er Generalkonsul in München.

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.