Politische Transformation: Syrienkonflikt/Türkei

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Die Idee von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer, eine Schutzzone in Syrien einzurichten, finde ich eigentlich begrüßenswert, wenn dadurch Kurden und syrische Flüchtlinge vor dem Angreifer Erdogan geschützt werden sollen.

Allerdings hängt der Vorschlag der Verteidigungsministerin in der Luft, weil sich kein militärisches Personal von den Ministern der anderen Nato-Länder bekommen lässt, um den nötigen Schutz auch vorzunehmen. Eine Armee von 40000 Mann unter deutscher Führung und mit wesentlicher Beteiligung Deutschlands – undenkbar!

Eigentlich war dieses Problem bisher gelöst. Die Kurdische PYD stellte selbst die Schutztruppe, um für die Aufnahme oder Ansiedlung von über 100000 Flüchtlingen innerhalb Syriens Raum zu geben: Jesiden, Araber, Syrer. Bisher in einem Gleichgewicht der Kräfte geschützt.

Nun behauptet Erdogan, dass die PYD Terroristen wären, die von den USA ausgerüstet wurden und hat seine Invasion und Besetzung des Grenzgebietes zu Syrien unternommen.

Solche Behauptungen seitens der Regierung der Türkei stehen schon seit Jahren im Raum, dass die USA Terroristen – die PYD – gewähren lassen und ausrüsten würde. Und deshalb muss ich auch hier sagen, da wurde eine Lösung verpasst.

Zunächst einmal ist eine diplomatische Lösung längst überfällig: Autonome Kurdengebiete auf syrischem und irakischem Boden, die von der Türkei gegen eine Sicherheitsgarantie für ihr Territorium anerkannt worden wären. Und wenn die PYD sich nicht an ein solches Abkommen gehalten hätte, sondern dennoch die Grenze überschritten hätte, um Anschläge in der Türkei zu begehen?

Moderne Technik erlaubt es schon seit einer Weile, Waffen ferngesteuert an- und abzuschalten, zum Beispiel auch nach dem Kriterium, wo sie eingesetzt werden, das ist in jeder Hinsicht steuerbar. Und demgemäß hätte man die PYD mit solchen Waffen gegen den Islamischen Staat ausrüsten können, die auf türkischem Territorium nicht funktionieren. Und Rüstungsingenieure der USA wären dann auch kompetent genug, um diese Waffen so zu konstruieren, dass sie gar nicht mehr funktionieren, wenn daran herumgeschraubt wird. Also der sichere Weg, es Erdogan unmöglich zu machen, seine aggressive, militaristische Politik mit dem Deckmantel einer legitimen Begründung zu versehen.

Und hier möchte ich noch eine Idee meinerseits anschließen, die Frau Kramp-Karrenbauer vielleicht (passend!) aufgreifen könnte. Was die internationale Gemeinschaft eigentlich braucht, ist ein Puffer für ungefähr 20 – 50 Millionen Flüchtlinge, der jeweils kurzfristig belegt werden kann, um jede Diktatur ökonomische, personell, demographisch sofort auszutrocknen. Dann könnte Erdogan sich selbst und seinen diktatorischen Sumpf alleine regieren, bis dieses System zusammengebrochen wäre.

Wenn deutsche Politiker sich aufregen, weil sie von Erdogan als „Faschisten“ beschimpft werden, ist mir das Jacke wie Hose. Das ist falsch verstandener Stolz, solange es nicht um die vielen Tausende von Menschen geht, die bisher schon in der Türkei durch Internierung oder Verlust des Arbeitsplatzes Opfer seines Systems geworden sind. Die Opfer interessieren mich, nicht wie Erdogan herum pöbelt.

Und wenn man dann eine solche Diktatur mit Wirtschaftssanktionen belegt, dann trifft dies ja immer zuerst die Bevölkerung, bevor dadurch langfristig politische Veränderungen oder Einsichten bewirkt werden können (auf die man zumeist sowieso vergeblich wartet, weil dann ein Solidarisierungseffekt mit dem Diktator einsetzt).

Und deshalb braucht die Weltgemeinschaft einen kollektiven, globalen Flüchtlingspuffer, um jede Diktatur quasi über Nacht lahmlegen zu können, indem die Opfer oder potentiellen Opfer sofort das Land verlassen können, generell die demokratische Opposition das Land verlassen kann und aufgenommen wird. Natürlich bräuchten die UN ein Budget dafür, um für die Kosten aufzukommen. Es kämen dünn besiedelte Gebiete auf der Erde für die Lokalisierung in Frage. Der ländliche Raum in den Aufnahmeländern könnte durch die Infrastruktur für die gute Aufnahme der Flüchtlinge entwickelt werden. Dies wäre jedoch keine Option für Arbeitsmigranten (ich sage nicht „Wirtschaftsflüchtlinge“, denn das wäre zu negativ und stimmt nicht mit den tatsächlichen Absichten der Menschen überein). Sondern es ginge ausschließlich darum, Diktaturen und Semi-Diktaturen (Diktatur unter dem Deckmantel von Scheindemokratie) auszutrocknen.

Wir Demokraten müssen uns gegenseitig helfen. Die demokratischen Länder sollten sich zusammentun und das Budget des Puffers finanzieren, entweder im Rahmen einer Weltunion oder in irgend einem anderen multilateralen Kontext. Internationale Solidarität darf kein exotisches Stichwort bleiben, wenn es heutzutage um die Abwehr rechter Diktaturen geht. Die defensive und kleinliche Aufnahme lediglich von unmittelbar Verfolgten kann in der politisch eskalativen Welt der 21ten Jahrhunderts nicht mehr die ausreichende Antwort auf die Herausforderungen sein, Die Weltgemeinschaft braucht neue, innovative Instrumente der politischen Steuerung, um der Polarisierung und Spaltung entgegen zu wirken, um eine Weltgemeinschaft zu bleiben oder überhaupt erst zu werden.

Übrigens hatte ich das vorliegende Unterkapitel zu den Aufgaben der globalen politischen Transformation bereits am 7.11.2019 fertig gestellt. Es erhält jetzt eine tagespolitische Aktualität durch die breite Diskussion der Frage, ob Nachforschungen in den Ursprungsländern der Antragssteller für Asylverfahren statthaft sind.

Die Tatsache, dass Erdogans nur geringen Respekt vor der Demokratie hat, wurde erneut deutlich, indem er bereits im September einen türkischen Anwalt, der für die deutsche Botschaft in Angelegenheiten von Asylverfahren arbeitet, hat verhaften lassen. Dadurch wird auch noch einmal die die Dringlichkeit deutlich, die die Bekämpfung diktatorischer Tendenzen in der Türkei hat. Der von mir oben vorgeschlagene Flüchtlingspuffer hätte gerade die Wirkung, Nachforschungen in der Türkei über Asylsuchende überflüssig zu machen und damit der Opposition einen besseren Stand zu verschaffen.