„Der rechte Rand der DDR-Aufarbeitung“: Polemik muss sein

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„Der rechte Rand der DDR-Aufarbeitung“, Hrsg von Klaus Bästlein, EnricoHeitzer und Anetta Kahane, Metropol Verlag Berlin, 2022.

Gleich vorweg:

Das ist ein auf Steuerkosten entstandenes Buch von Anti-Demokraten! Schon auf der hinteren Umschlagseite bekennen die Herausgeber unverfroren:

„Im Zuge der Auseinandersetzung mit der SED-Diktatur erhoben stets auch Vertreter rechts orientierter Kreise ihre Stimme. Sie konnten in Stiftungen, Gedenkstätten und Opferinitiativen […] teilweise unbehelligt ihre Aktivitäten entfalten.“

Das heißt nach deren Logik, dass die Aufarbeitung eigentlich nur den linken Organisationen und Personen zusteht. Die Linken sind bekanntlich immer die Guten, die Progressiven, die Fremdenfreundlichen, die Wissenden, die mit und durch Karl Marx die Geschichtsgesetze erkannt haben, aber nicht wissen wollen, dass sie einem Scharlatan auf dem Leim gekrochen sind.

Linke Historiker maßen sich stets an, die objektive Wahrheit mit dem Löffel gefressen zu haben. Wie kann da schon einer mit seinem Erlebnishintergrund als Opfer und Widerständler des SED-Regimes mithalten wollen? Ja, es gab ganz wenige, die in Stasi-Haft saßen und noch im Sinne Biermanns und Havemanns als kritische Kommunisten agierten, die dann wie Rudolf Bahro, Gerulf Pannach, Jürgen Fuchs und andere gegen ihren Willen in den Westen gerieten und sich erst später von der marxistischen, also linken Ideologie abwandten.

Nicht wenige der politischen Häftlinge, die sowohl die realsozialistischen Vernehmungsmethoden der Stasi, die vorgespielten Gerichtsprozesse als auch den Zuchthauscharakter mit Zwangsarbeit und Gummiknüppel-Erziehung erleben durften, sind erst dort und dadurch zu bekennenden Antikommunisten herangereift. Zugegeben, es gab politische Häftlinge, die ganz bewusst in den Westen freigekauft werden wollten und sich unauffällig verhielten und die Haft auf einer „halben Arschbacke“ absaßen, wie das im Knastjargon so hieß. Doch wir hielten zusammen und waren tolerant. Hauptsache, es verdingte sich keiner als Spitzel.

Die voreingenommenen Historiker um die Stasi-Tante Kahane wollen den Betroffenen faktisch vorschreiben, wie, wo und mit wem sie ihre Erfahrungen zu teilen haben. Natürlich gab es unter den Opfern in der stalinistischen Zeit auch solche, die zuvor dem Nationalsozialismus verfallen waren. Na und? Ich habe mich sogar mit dem einst gefürchteten Politbüro-Mitglied Günter Schabowski (1929-2015) befreundet, nachdem er Einsicht in seine Vergangenheit zeigte und mit mir aufklärend durchs Land streifte. Er erklärte zumeist vor Schülern und Studenten die „Diktatur des Proletariats“ aus der Sicht von oben, ich hingegen aus der Kellerperspektive des Zuchthauses Cottbus, das sich verharmlosend Strafvollzugseinrichtung nannte.

Selbst im SED-Staat konnte das ehemalige SA- und NSDAP-Mitglied Günter Kertzscher (1913-1995)  nach seiner Entlassung aus der sowjetischen Kriegsgefangenschaft bis zum Chefredakteur der „Berliner Zeitung“, zum Volkskammerabgeordneten und zum stellvertretenden Chefredakteur des Zentralorgans der SED-Zeitung „Neues Deutschland“ aufsteigen. 1983 wurde er sogar mit dem Karl-Marx-Orden ausgezeichnet. Haben sich darüber jemals die linken Historiker aufgeregt?

Doch uns, die wir unter dem sowjetzonalen Regime gelitten haben, wurde der Kinderglauben an das kommunistische Paradies auf Erden zumeist gründlich ausgetrieben. Die meisten von uns ordnen sich deshalb nie „links“ ein, sondern haben eher selten etwas dagegen, als Rechte zu gelten, wissend, dass Nazis Linke waren und Neonazis keine Rechten sind, sondern zumeist strukturelle Ähnlichkeiten mit den Linksextremen haben. Auf allen Feldern gibt es in einer einigermaßen offenen Gesellschaft weite Spielräume. Doch ein bürgerlicher Konservativer kann kein linker Weltverbesserungsideologe sein, weil er nicht größenwahnsinnig ist, sondern dem Schöpfer des Universums vertraut. Christen sind voll ausgelastet, die 10 Gebote einzuhalten, doch keinesfalls die 10 Gebote für „den neuen sozialistischen Menschen“, die unter Walter Ulbricht propagiert worden sind.

Wer also Rechte in einer Demokratie nicht anerkennen will, demzufolge nur Linke, der kann kein Demokrat sein, sondern befürwortet den Totalitarismus und schürt zugleich Hass gegen Andersdenkende. Worin äußerst sich Hass? Vor allem in Vorurteilen, Beleidigungen, Verspottung, Mobbing und Drohungen. Das wiederum bereitet dem aggressiven Verhalten bis hin zum Mord oder Völkermord den Boden. Ein Demokrat versucht solches Verhalten zu vermeiden, denn er hält sich nicht für klüger als Gott, weil er weiß, dass um der Wahrheit willen unter Menschen stets gestritten werden muss. Nicht nur in der Politik wird um den richtigen Weg gestritten, sondern selbstverständlich auch in allen Wissenschaften. Deshalb verachtet man seine Gegner nicht wie Feinde. Noch infamer ist es, seine Gegner gar als Extremisten zu brandmarken. Das darf in einem Rechtsstaat nur ein Gericht entscheiden, denn ein tatsächlicher Extremist missachtet willentlich das Grundgesetz, überschreitet die rote Linie und will sich außerhalb der Norm bewegen, denn „ex“ heißt im Lateinischen bekanntlich „aus“. Nur hier liegt eventuell ein Straftatbestand vor, wenn andere Menschen damit belästigt, bedroht oder sonstwie angegriffen werden. Über die Bestrafung haben unabhängige Richter zu entscheiden, aber keine Historiker oder sonst wer.

Und noch etwas sei den vor Arroganz strotzenden Linken ins Ohr geflüstert: Wenn es keine Rechten gäbe, könnten sie sich auch nicht so stolz als Linke ausgeben, denn ohne Gegner wäre der Pluralismus eine tote Vokabel und alles Streiten ergäbe keinen Sinn, abgesehen davon, dass links und linkisch zusammenpassen, während rechts dem Rechtsstaat wohl näherstehen dürfte. Wie heißt es schon bei Kohelet (10,2) in der Bibel?

„Der Verstand des Gebildeten wählt den rechten Weg, der Verstand des Ungebildeten den linken; doch der Dumme – welchen Weg er auch einschlägt, ihm fehlt der Verstand, obwohl er von jedem andern gesagt hat: Er ist dumm.“

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Über Siegmar Faust 46 Artikel
Siegmar Faust, geboren 1944, studierte Kunsterziehung und Geschichte in Leipzig. Seit Ende der 1980er Jahre ist Faust Mitglied der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM), heute als Kuratoriums-Mitglied. Von 1987 bis 1990 war er Chefredakteur der von der IGFM herausgegebenen Zeitschrift „DDR heute“ sowie Mitherausgeber der Zeitschrift des Brüsewitz-Zentrums, „Christen drüben“. Faust war zeitweise Geschäftsführer des Menschenrechtszentrums Cottbus e. V. und arbeitete dort auch als Besucherreferent, ebenso in der Gedenkstätte Berlin-Hohenschönhausen. Er ist aus dem Vorstand des Menschenrechtszentrums ausgetreten und gehört nur noch der Gesellschaft für zeitgenössische Lyrik und der Wolfgang-Hilbig-Gesellschaft an.