Der Feldzug der Gottlosen – Wie der fragwürdige Kampf des Bundes für Geistesfreiheit gegen das Kreuz Stilblüten treibt

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Sich selbst verstehen sie als die neuen Welterlöser und Weltenretter – doch alles ohne Kreuz. In ihrem Programm geben sie sich dogmenfrei, humanistisch und demokratisch. Der kleine Verband „Bund für Geistesfreiheit“, der ausgerechnet im katholischen Bayern seine Stilblüten treibt, ist aber keineswegs so tolerant, wie er sich gibt. Ob beim Kreuzerlass des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder oder beim Aufruf zur Ruhestörung an christlichen Feiertagen, die Irreligiösen, Agnostiker, Pantheisten und selbsternannten Aufklärer gehen gern auf Konfrontation und ziehen gleich mal vor das Bundesverwaltungsgericht. Ihren Kreuzzug gegen das Kreuz hat ihnen Leipzig 2023 erst einmal in Sauerteig umgewandelt. Doch die modernen Anti-Kreuzes-Krieger geben nicht auf – jetzt ziehen sie sogar vor das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe, um Söders Kreuzgang von 2018 endgültig zu kippen. Der bayerische Ministerpräsident ist bei aller Wankelmütigkeit bislang ein rigider Verteidiger des Kreuzes, ein Ministerpräsident, der beim Kreuz und beim Gender-Mainstreaming gegen das Establishment Stand hält.

Kampf mit den Mitteln des Mittelalters

Wenn man in die Historie des „Bundes für Geistesfreiheit“ blickt, gehören Klagen wie beim Abmahnverein „Deutsche Umwelthilfe“ zum Geschäftsmodell. Wie dort im Namen des Klimaschutzes eine Klage nach der anderen angeschoben wird, um die Welt vor dem CO2-Gau zu retten, um Innenstädte in Fußgängerparadiese zu verwandeln und tausende Autofahrer, die das Kleingeld für einen super-kurzstrecken Elekro-nicht haben, aus der Öffentlichkeit zu verbannen, kämpft der Bund unerlässlich gegen das Kreuz. Letztendlich sind die bekennenden Gottesächter gegen alles, was Kirche und Religion betrifft. Dieser Fanatismus und Fatalismus, diese Aversion gegen die christliche Tradition und alles, was sie umschließt, sitzt emotional tief, ist fast schon existentiell. Und die modernen Anti-Gottlosen schlagen ihren Kampf fappierend mit den Mitteln des Mittelalters, Anklage und Vollstreckung.

Ein Satz auf der Webseite der eingetragenen Körperschaft wirkt schon fast wie Hohn: „Wir respektieren und achten alle religiösen und weltanschaulichen Orientierungen.“ So propagiert es der 8.000 Mitglieder starke Verein. Aber anstatt tatsächlich Bräuche, Festkultur und Stunden des Schweigens und der Stille zu respektieren, wird jedes Jahr mantraartig zum Durchbrechen der stillen kirchlichen Feiertage aufgerufen. So richtig mag das einerseits nicht zu ihrem a-religiösen Credo der Toleranz passen, andererseits muten diese Aufrufe auch nicht von besonders großer Geistesgröße. Wer sich mit der höchsten Zierde des Menschen, mit der Vernunft zu schmücken sucht, weil diese säkularisierte Vernunft quasi das neue Opferlamm der Anti-Gottlosen ist; der kommt ausgerechnet auf nichts Banaleres als Tanz- und Fete gegen die Feiertagsruhe zu setzen? Für eine Gruppierung, die sich auf Voltaire, Lessing, Rousseau und Kant im Stammbuch beruft, die Ideen dieser Denker als Wertegrundlage des eigenen Ressentiments feiert und sich ins Wertestammbuch schreibt, bleibt das schon ein wenig dürftig und einfallslos, eher ein Streich der Vernunft als ein besonnener Akt derselben. Es hat eher etwas von kindlicher Unbefangenheit und Hilflosigkeit, was man sich da an Biertischen und jenseits der intellektuellen Debattenkultur ausdenkt.

Wo bleibt die Meinungsfreiheit?

Hehre Ideale wie Toleranz, Selbstbestimmung, Vernunft, Humanität und Menschlichkeit haben sich die Vereinsmitglieder auf die Fahnen geschrieben und tragen diese wie einen bunten Verkaufsladen vor sich her. Allein von Meinungsfreiheit steht bei den Geistesfreien nichts. Aber wer schon die Wahrheit gepachtet hat und eben nicht dialogbereit ist, weil er selbst über die einige Wahrheit meint zu verfügen, die er anderen, insbesondere christlichen Institutionen und Traditionen, absprechen will, der braucht auch keine anderen Meinungen zu akzeptieren. Dabei ist gerade die Meinungsfreiheit doch eine, die als eine der wichtigsten Errungenschaften der Aufklärung in unser Grundgesetz, Artikel 5, eingeflossen ist. Rosa Luxemburgs berühmter Satz „Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden“ müsste dem Bund eigentlich ins Blut eingeträufelt sein, der sich ja explizit auf die sozialistische Arbeiterbewegung als eine seiner geistigen Quellen bezieht.

Ganz so gottlos waren selbst die Aufklärer nicht

„Wir lehnen den Glauben an persönliche und personifizierte Gottheiten als irrational und unterwürfig ab“, so die bekennenden Gottlosen, die sich ausdrücklich auf die Aufklärung und den Humanismus beziehen. Was die Meisterdenker des Bundes aber übersehen, ist, dass auch ihr Europa auf den Grundfesten der abendländischen Tradition steht; dem Hellenismus als erster Aufklärung nach dem Mythos, der römischen Antike mit ihrem Rechtsverständnis sowie dem christlich fundierten Humanismus, einer Synthese von Glauben und Vernunft also, die als prägende Kräfte die letzten zweitausend Jahre die Menschengeschichte formten und nach wie vor die vorpolitischen Grundfesten unserer kulturellen Identität bilden. Neuzeit, Renaissancehumanismus Aufklärung und existentieller Humanismus sind nur von dieser Kontinuität her denkbar, selbst wenn sie grundlegende Veränderungen bezüglich des Menschenbildes entwarfen. Selbst Voltaire bekämpft nicht so sehr den Glauben an Gott, den er als Grundlage der Moral und als Ergänzung zum Strafrecht des Staates nützlich zu finden scheint. Jean-Jacques Rousseau war überzeugt von der Existenz einer Religion, die allen Menschen innewohnt und bezeichnete diese als die allgemeine Religion der Menschen. Selbst Gotthold Ephraim Lessing forderte bekanntlich Toleranz unter den Religionen, ohne diese von der Weltbühne verschwinden zu lassen. Das Zentralgestirn der Aufklärung, Immanuel Kant, der in diesem Jahr seinen 300. Geburtstag feiert, und der zu Unrecht immer als der große „Alleszertrümmerer“ in den Raum der Gottesferne gestellt wurde, hat in seiner Schrift, „Die Religion innerhalb der Grenzen der bloßen Vernunft“ nicht Gott abgeschafft, sondern nur erklärt, diesen mit den Mitteln des Verstandes nicht beweisen zu können. „Religion, so schreibt er, „ist (subjektiv betrachtet) die Erkenntnis aller unserer Pflichten als göttlicher Gebote“. Zertrümmert hat er die traditionellen Gottesbeweise vor dem Hintergrund seiner kritischen Transzendentalphilosophie, in der praktischen Philosophie hingegen stellt er ausdrücklich einen moralischen Gottesbegriff auf. Sittliches Handeln, so Kant, ist nur durch den Glauben an Gott, Freiheit und Unsterblichkeit möglich. Ja, mehr noch: Der Philosoph und Naturwissenschaftler hält einen moralischen Endzweck in Form von Gott für notwendig. Letztendlich, so eine Version des moralischen Gottesbeweises, sei es nur durch Gott, durch den es mit Blick auf das Gute und das Böse, einen Maßstab für richtiges und falsches Handeln gibt. 300 Jahre sind nach Kants Geburt vergangen, die Gottlosigkeit und Religionsferne unterdessen gewachsen. Doch Alternativen für ein sinnvolles Leben sind weiterhin rar, Sinnalternativen und Meditationen schießen aus dem Boden, vermögen aber nur als schlechter Religionsersatz dienen. So ist auch die Postmoderne gescheitert, weil sie keine kulturellen Normen und Werte, keine Ethik, aus sich entwickeln konnte, weil sie letztendlich nur gegen das Bestehende, das Tradierte kämpfte, ohne etwas Substantielles dagegenzustellen. Wo dieses aber fehlt, regiert das Allerlei, verliert die Gesellschaft ihr Halteseil.

Ohne Kreuz lösen wir uns selbst auf

Im heraufziehenden Kulturkampf, in der Verleugnung des Eigenen und in einer zunehmend pluralistisch sich zeichnenden Gesellschaft bleibt der Rekurs auf das Identitätsstiftende, das Kreuz, überlebenswichtig, denn es verweist auf das Transzendente, das zur Kultur befähigt. Dieses befindet sich in Europa im schleichenden Abgesang; in der islamischen Welt hingegen ist es der zündende Funke religiöser Überzeugungen und Inspirationen, die Kraftquelle, die über ein zivilisatorisch müdes Europa obsiegen kann.

Grüne Idealisten und Geistesfreie sollten sich dies kritisch vor Augen halten, wenn sie dem Kreuz abschwören, es für obsolet und seine Symbolkraft für tradiert erklären. Die Kraft des Religiösen, versinnbildlicht sich in seinen Symbolen und ist stärker als die säkularisierte Vernunft, weil sie aus einer Quelle schöpft, von der die Vernunft nur Abbild ist. Der Islam mit seinen Symbolen ist auf dem Vormarsch, die Welt zu erobern, ein Christentum, das sich selbst zerfleischt, bietet ihm hier die günstigste Angriffsfläche, um sich selbst zu entmächtigen. Falsch verstandene Toleranz führt eben nicht zu Versöhnung zwischen den Kulturen, sondern zur Auflösung der eigenen.

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Über Stefan Groß-Lobkowicz 2134 Artikel
Dr. Dr. Stefan Groß-Lobkowicz, Magister und DEA-Master (* 5. Februar 1972 in Jena) ist ein deutscher Philosoph, Journalist, Publizist und Herausgeber. Er war von 2017 bis 2022 Chefredakteur des Debattenmagazins The European. Davor war er stellvertretender Chefredakteur und bis 2022 Chefredakteur des Kulturmagazins „Die Gazette“. Davor arbeitete er als Chef vom Dienst für die WEIMER MEDIA GROUP. Groß studierte Philosophie, Theologie und Kunstgeschichte in Jena und München. Seit 1992 ist er Chefredakteur, Herausgeber und Publizist der von ihm mitbegründeten TABVLA RASA, Jenenser Zeitschrift für kritisches Denken. An der Friedrich-Schiller-Universität Jena arbeitete und dozierte er ab 1993 zunächst in Praktischer und ab 2002 in Antiker Philosophie. Dort promovierte er 2002 mit einer Arbeit zu Karl Christian Friedrich Krause (erschienen 2002 und 2007), in der Groß das Verhältnis von Metaphysik und Transzendentalphilosophie kritisch konstruiert. Eine zweite Promotion folgte an der "Universidad Pontificia Comillas" in Madrid. Groß ist Stiftungsrat und Pressesprecher der Joseph Ratzinger Papst Benedikt XVI.-Stiftung. Er ist Mitglied der Europäischen Bewegung Deutschland Bayerns, Geschäftsführer und Pressesprecher. Er war Pressesprecher des Zentrums für Arbeitnehmerfragen in Bayern (EZAB Bayern). Seit November 2021 ist er Mitglied der Päpstlichen Stiftung Centesimus Annus Pro Pontifice. Ein Teil seiner Aufsätze beschäftigt sich mit kunstästhetischen Reflexionen und einer epistemologischen Bezugnahme auf Wolfgang Cramers rationalistische Metaphysik. Von August 2005 bis September 2006 war er Ressortleiter für Cicero. Groß-Lobkowicz ist Autor mehrerer Bücher und schreibt u.a. für den "Focus", die "Tagespost".