Stefan Groß trifft Manfred Weber – Ein Interview mit dem Chef der EVP über die Zukunft Europas

Manfred Weber, Foto: Dr. Dr. Stefan Groß

Immer wieder wird das Thema Flüchtlinge von Populisten angeschoben, wie könnte man endlich diese Problematik zielführend beenden. Oder anders gefragt: Was wäre die Lösung bei der Flüchtlingsfrage. „Sie hatten betont, Europa darf sich  nicht abschotten“.

Wir haben viel erreicht. Die Flüchtlingszahlen sind gegenüber 2015 um 85 Prozent im Mittelmeer zurückgegangen.  Europa ist heute deutlich besser im Vermeiden von illegaler Migration aufgestellt. Wenn wir Menschen und Vertrauen zurückgewinnen wollen, müssen wir über Erfolge sprechen. Und wir müssen den Streit zwischen den Regierungschefs in Europa selbst beenden. Europa muss mit einer Stimme sprechen. 

Sie sind der Spitzenkandidat der EVP bei der Europawahl und beerben möglicherweise Jean-Claude Juncker. Welche Zielsetzungen haben Sie an dieser Schaltstelle der Macht?

Es gibt zunächst praktische Fragen, die wir anpacken müssen. Europa muss seine Wirtschaftskraft erhalten, es muss in Forschung und Innovationen investiert und die Außengrenzen gesichert werden. Ich spreche mich auch dafür aus, dass wir die Türkei-Gespräche beenden und zu Nachbarkeitsgesprächen übergehen. Aber das größere Thema ist, wie wir es am Brexit gerade erleben, dass die Menschen viel zu viel Distanz zu Europa haben. Meine große Vision ist es, dass die Menschen Europa als ihre Heimat empfinden, wo man sich auf diesem Kontinent wohlfühlt. Es geht um mehr als nur um die Frage, politische und technische Antworten zu geben.

Sie sprechen immer von einer inhaltlichen Neuorientierung der CSU. Welche Themen könnten das schwerpunktmäßig sein? Die Grünen besetzen Umwelt- und Klimathemen und fahren damit in der Wählergunst ganz nach vorn. Wie sollte sich die CSU aufstellen?

Die Menschen spüren, dass wir in Zeiten Leben, die große Veränderungen hervorrufen, sei es die Globalisierung, die Digitalisierung, der Klimawandel oder die Migration. Uns geht es gut, aber die Sorge, dass es so möglicherweise nicht weitergeht, dominiert ebenso. Und dieses Grundgefühl, das bei den Menschen existiert, muss überwunden werden. Dazu braucht die CDU in vielen Bereichen mehr Kreativität. Und wir müssen raus aus der Ein-Themen-Partei, denn wenn wir nur über Migration reden, machen wir uns auch klein. Dann wird die Größe der Volkspartei CSU nicht deutlich. Wir sollten uns daher mehr um die Sorgen der Menschen kümmern und innovativer sein.

Die Gemengelage mit der Schwester, der CDU, war im Jahr 2018 nicht besonders diskurfähig, was wünschen Sie sich mit Blick auf die CDU und einen möglichen Kanzler?

Die CSU muss deutlich machen, dass wir eigene Interessen durchsetzen. Und wir müssen auch mal die Krallen zeigen, wenn es sachlich notwendig ist. Aber klar ist auch, dass wir bei der überwiegenden Anzahl der Themen eine geeinte Union sind. Die Menschen erwarten vor allen in Zeiten der Veränderungen, dass wir uns als diese geeint Union auch für die Interessen und Sorgen der Bürger stark machen. Also Schluss mit den Streitereien.

Was wünschen Sie sich für Europa?

Zusammengehörigkeitsgefühl und Identität. Dass wir uns als Deutsche auch als Europäer fühlen. Nur so werden wir global unsere Interessen durchsetzen setzen können. Wir sind ein großes Land und wirtschaftlich stark, aber wir werden jeden Tag im Vergleich zu China und Russland schwächer. Und deswegen ist auch unsere Zukunft als großes Land nur in einem geeinten Europa möglich.

Das Interview führte Stefan Groß

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