Gute Mächte rings um uns „Die Engel des Lebens – Eine Kulturgeschichte“

Lepanto-Verlag gibt Wolff-Buch über die Engel neu heraus

Uwe Wolff, Die Engel des Lebens – Eine Kulturgeschichte, Softcover, 292 Seiten, 5. völlig neubearbeitete Auflage, Lepanto Verlag 2022, ISBN 978-3-942605-28-1, 16,90 €.

An Weihnachten sind sie besonders präsent: „Die Engel des Lebens“ – auch wenn sie unser ganzes Leben begleiten. Uwe Wolff hat sein vielbeachtetes Buch über dieses Thema jetzt beim Lepanto Verlag neu herausgegebenen. Der „Engel der Geburt“ macht den Anfang – und da ist Gabriel präsent, der die Geburt schlechthin verkündet, die Ankunft des Heilands auf Erden, und Wolff verdichtet: „Die Geburtsgeschichte verknüpft Horizontale und Vertikale, verknüpft Himmel und Erde.“ Beginnend mit Weihnachten hat Wolff sein Buch am Leben des Menschen ausgerichtet.

Schutzengel – wie wichtig sie doch sind! Uwe Wolff hat sie im Kapitel „Kindheit“ angesiedelt, und das mit gutem Grund. Aus der Epoche des Wilhelminismus stammt dabei die Schutzengel-Darstellung von Bernhard Plockhorst, die maßstabgebend werden sollte für unser Engelsbild, wohl auch, weil auf diesem Bild zwei Kinder oberhalb einer Felskante durch einen Schutzengel vor einem Sturz ins gefühlt Bodenlose bewahrt werden. Ein interessantes Stück Kulturgeschichte – zugleich ein gekonnter Blick in eine Zeit, in der die Kultur hierzulande noch Kohärenz aufwies. Und das ist gar nicht lange her. Die vielfach in lutherischen Kirchen aufgestellten Taufengel, von Wolff ebenfalls erfreulich ausführlich behandelt, geben davon beredtes Zeugnis – ab der Wende zum 20. Jahrhundert verschwinden sie.

Bernhard Plockhorst Schutzengel

„Bleibt, Ihr Engel, bleibt bei mir!“ Johann Sebastian Bach verarbeitete diese Zeile in seiner Kantate zum Michaelistag, und Wolff setzt im Kapitel „Engel der Jugend“ den Bezug zur Zeitgeschichte, indem er das Buch von Walter Nigg zitiert, das 1978 zu diesem Thema erschien, just nach dem „Deutschen Herbst“ des RAF-Terrors. Das Buch hat damit auch Züge einer deutschen Kulturgeschichte, und es wird angesichts des heutzutage ausgebrochenen Genderwahns fast zum Momento: „Der Herr behütet jeden Mann und Frau und Kind auf ihrer Lebensbahn.“

Auch der „Engel der Liebe“ fehlt natürlich nicht. „Gott ist die Liebe, und die Liebe ist das Fenster zum Himmel“ – sehr viel paulinisches Christentum schwingt in diesem Satz mit, den Wolff seinen Lesern schenkt. Anhand von Textbeispielen – Marius Müller-Westerhagen ist mit einem Zitat aus einem Songtext vertreten – zeigt der Autor, wie die Liebe den Menschen geistig und körperlich lebendig hält, im wahrsten Sinne des Wortes. Es geht in diesem vergleichsweise kurzen, mittig angeordneten Kapitel also um weit mehr als um die Liebe auf Erden.

Doch leider ist gerade hier auch – um im spirituellen Bereich zu bleiben – der Pferdefuß des Buches zu finden. Beim Thema „Diversität“ fällt der Autor auf eine vom Zeitgeist gestellte Falle herein. Das Geschlecht der Engel ist mitnichten, wie Wolff insinuiert, „divers“ – Engel sind übergeschlechtlich. Das ist ein himmelweiter Unterschied, denn hier geht es um eine über dem irdischen leben stehende Sphäre. Auch Gott ist mit „männlich“ und „weiblich“ nicht erklärbar. Wer hier dennoch zu deuten versucht, gerät auf die Bahn, auf der, weiter unten sozusagen, Genus mit Sexus verwechselt werden. Ist nicht Gender Mainstreaming eine Erfindung des Teufels, der sich hier hinter einem – prinzipiell ja berechtigten – Gerechtigkeitsansatz versteckt? Hier, aber zum Glück nur hier, ist Wolff also sozusagen auf Luzifer hereingefallen.

Im Kapitel „Engel der Berufung“ zitiert Wolff dann Leonhard Cohen, und nun sind auch kritische Leser wieder versöhnt. Cohens Lied über Jeanne d’Arc endet mit den Worten: „I saw the glory in her eye. / Myself I long for love and light, / but must it come so cruel, must it be so brave?“ Der höchst aktuelle, mit der Präsenz des Überirdischen so vertraute Poet kanadischer Herkunft – er darf in einem solchen Band nicht fehlen. Im selben Kapitel erfährt der interessierte Leser übrigens, daß die Ökumene eine Idee ist, die durchaus auch in der Kreuzzugszeit aktuell war, wenn auch von Engeln eingeleitet und schließlich von einem herbeigesehnten Engelspapst vollendet – eine Berufung zur Erlösung des Menschen.

Den Schluss des Buches machen aber der „Engel des Kampfes“ und – bemerkenswerter Topos! – der „Engel der Vollendung“. Einen Reigen von sieben überaus inhaltsreichen Kapiteln, einen ganzen Kosmos aus Menschensicht, aber mit überirdischer Zuschreibung, entwickelt Uwe Wolff. Schon hier sei ein Zwischenfazit gestattet: nicht nur lesenswert, sondern zentral wichtig für alle, die spüren, wie nah und wie umfassend der Mensch in eine transzendentale Welt eingebunden ist.

„Eine Kulturgeschichte“ – so ist der Untertitel dieses Bandes. Um nichts weniger handelt es sich hier. Zwar ist der Band broschiert, aber die Gestaltung ist würdig und schön. Auf 292 Seiten erfährt der Leser eine Menge über die ihn umgebende transzendentale Aura. Denn so sind sie, die Engel: realer als die Realität. Und gerade dann, wenn es um alles geht, dann braucht sie der Mensch. Über das Kapitel „Engel der Berufung“ hat Wolff das Zitat der Hl. Teresa von Avila gesetzt: „Ich will, daß du fortan nicht mehr mit Menschen, sondern mit Engeln verkehrst.“ Unter diesem Vorzeichen ist dies trotz Pferdefuß ein wundervolles Buch zum Verschenken – für jung und alt, und das nicht nur zur Weihnachtszeit.

Cover „Die Engel des Lebens – Eine Kulturgeschichte“ von Uwe Wolff

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Über Sebastian Sigler 76 Artikel
Der Journalist Dr. Sebastian Sigler studierte Geschichte, Literaturwissenschaft und Kunstgeschichte in Bielefeld, München und Köln. Seit seiner Zeit als Student arbeitet er journalistisch; einige wichtige Stationen sind das ZDF, „Report aus München“ (ARD) sowie Sat.1, ARD aktuell und „Die Welt“. Für „Cicero“, „Focus“ und „Focus Money“ war er als Autor tätig. Er hat mehrere Bücher zu historischen Themen vorgelegt, zuletzt eine Reihe von Studien zum Widerstand im Dritten Reich.