Aufforderungen, Juden zu boykottieren, gibt es in Deutschland nicht erst seit Luther – Ruhrtriennale in Bochum

Flagge von Israel, Foto: Stefan Groß

In Bochum wird zu Beginn der Ruhrtriennale unter der Intendantin Stefanie Carp ein Déjà-vu-Stück aufgeführt, dessen sich kein Mitspieler und sehr wenige Zuschauer bewusst sind. Es sollte eigentlich um die Frage gehen, ob das Organisieren eines Judenboykotts im heutigen Deutschland und in der heutigen EU zulässig ist. Doch diese Frage wird übersprungen, weil alle Mitspieler wissen, dass das Organisieren eines Judenboykotts im heutigen Deutschland und in der heutigen EU zulässig ist und nicht strafrechtlich verfolgt wird. Daraus folgt – ohne große Worte – dass heutige Judenboykotte in Deutschland und in der EU politisch und Juden korrekt sind.

Einige Leser werden mir nicht folgen wollen, aber dem ist so. Es ist heute im postdemokratischen und postfaschistischen Deutschland wie unter Hitler erlaubt, zu einem Judenboykott aufzurufen

BDS bedeutet Boykott, Desinvestitionen und Sanktionen und (be)trifft nur Juden, zuweilen sogar nur den einzigen Judenstaat Israel. Nach der neusten Antisemitismus-Definition, die seltsamerweise auch in Deutschland gilt, fällt BDS unter Judenhass. Das ist zwar der Intendantin des Stückes nicht bewusst, trifft trotzdem den real existierenden Merkelismus in Deutschland und in der EU.

So lädt die Intendantin Stefanie Carp einige Künstler zum Mitspielen zur Ruhrtriennale ein, die der BDS-Bewegung angehören, also Antisemiten sind. Armin Laschet, der Ministerpräsident des Landes Nordrhein-Westfalen, boykottiert deshalb die Ruhrtriennale, bezahlt jedoch weiterhin die fürstlichen Gagen der Schauspieler und weitere Stücke der Juden korrekten Intendantin. Ein geschickter politischer Schachzug, der allen Seiten missfällt. Laschet will beweisen, dass man gegen Antisemitismus kämpfen und gleichzeitig den Antisemitismus mit Geld unterstützen kann. Seine Ziehmutti macht es ihm im Iran und in der Türkei vor. Von Mutti lernen, heißt siegen lernen!

Aufforderungen, Juden zu boykottieren, gibt es in Deutschland nicht erst seit Luther. Boykotte gibt es im Kaiserreich unter Wilhelm Zwo, in der Weimarer Republik, im Hitler-Reich und in der DDR. Selbst Willy Brandt versucht als deutscher Kanzler in deutscher Tradition den Judenstaat Israel in seiner schwersten Stunde zu boykottieren, glücklicherweise erfolglos. Sein Kniefall von Warschau ist das Symbol der deutschen Aussöhnung mit den Polen, nicht mit den Juden! Denn zur Zeit des Kniefalls wird Polen judenfrei und die Juden haben von den Deutschen längst ihr Wiedergutmachungsgeld erhalten.

Das Déjà-vu-Stück zieht die Chuzpe  von März/April 1933 mit ein, dass man frei in Deutschland darüber diskutieren darf, ob man Juden schaden darf. Eigentlich sollte der Aufruf zum Judenboykott heute in Deutschland verboten, also strafbar sein, insbesondere, da man die Folgen von Judenboykotten in Deutschland gut kennt. Doch den heutigen Deutschen geht es nicht mehr um das Eigentliche, sie bevorzugen leere Worthülsen und setzen mit Vorliebe falsche sinnlose Begriffe ein, um den politischen Feind zu verwirren.

Somit braucht niemand in Deutschland zu befürchten, gemaßregelt zu werden, wenn er/sie/es zu einem Judenboykott in oder außerhalb Deutschlands aufruft. In Schweden und in Großbritannien ist der Judenboykott Ehrensache und schon länger politisch korrekt. Deutschland hinkt auf Grund seiner nicht verarbeitbaren Geschichte hinterher.

Kein Mensch ist verpflichtet, mit einem Juden Handel zu treiben. Der persönliche Judenboykott ist schon immer erlaubt gewesen, da kaum fassbar. Ich gebe offen zu, seit Jahren keinen türkischen Imbiss mehr zu betreten. Nicht weil die Imbissbude einem Türken gehört, sondern weil ich den Verzehr von Gammelfleisch auf Raten meines Hausarztes, der sich um meine Blutwerte sorgt, ablehne. Schon der Gedanke an Döner löst einen Würgereiz aus. Ich boykottiere also Gammelfleisch und keine Türken. In der Konsequent sind beide dasselbe.

Auf offener Bühne und von Land NRW subventioniert wird in Bochum auf der Ruhrtriennale gestritten, nicht ob man Juden boykottieren darf, sondern wie man Juden boykottiert: heute, nicht März/April 1933. Da in Deutschland der Angriff auf Juden noch heute niemanden aus dem Schlaf schreckt, wähle ich einen unpassenden Vergleich, in dem keine Juden vorkommen: Ist ein Aufruf, Schwarze in der Öffentlichkeit zu misshandeln (volksnah: Neger zu klatschen) oder Muslime im Mittelmeer zu ertränken in Deutschland statthaft? Nach der Logik der Ruhrtriennale trifft dies zu! Meiner Meinung nach sind selbst Überlegungen, ob man jemanden auf Grund seiner Hautfarbe oder seiner Religion den Tod wünschen darf, wert bestraft zu werden. Bis vor einigen Jahrzehnten heißt es: „Wehret den Anfängen!“. Doch das ist heute endgültig vorbei. Es ist in Deutschland statthaft, darüber zu diskutieren, wie man Juden schadet, und ob man dies freiwillig tun will. In der Konsequenz sollte jeder anständige deutscher Bürger, selbst jeder Gutmensch, Dunkelhäutige und Muslime davor warnen, Deutschland ab sofort zu betreten: Alles, was gegen Undeutsche geplant ist, wird zunächst an Juden statuiert!

Es hat für jüdische Bürger Deutschlands keinen Sinn, dies zu leugnen. Auch Juden dürfen sich am BDS beteiligen, wenn sie der Ansicht sind, dass niemand, auch kein Jude, ihnen vorschreiben darf, wie sie sich als Juden zu benehmen haben. Dennoch muss man einen solchen Juden kritisieren und ihn auffordern, das Judentum zu verlassen. Den Judenstaat Israel dürfen „jüdische“ Judenhasser sowieso nicht betreten. Ein gläubiger (nicht ein frommer!) Jude darf mit selbsthassenden Juden keinen Kontakt aufnehmen. Ein selbsthassender Jude gibt bald sein Judentum auf.

Nun dürfen sich Juden überlegen, was sie gegen Boykottaufrufe unternehmen wollen. Dürfen Juden mit der selben Münze zahlen? Wer seinen Shakespeare kennt, weiß die Antwort: Sie lautet „Nein“. Selbstverständlich darf sich ein Jude auch nicht mit einem Angriff verteidigen, ja nicht einmal gewaltfrei verstecken. Judenhasser, auch die wenigen, die nicht dem BDS huldigen, bestehen darauf, dass eine gewalttätige oder gewaltfreie Verteidigung unjüdisch ist. Leider ist es historistisch nachweisbar, dass es einen jüdischen Widerstand gegen die Nazis gegeben hat. Da dies den Nazis, ihren Nachkommen und den Stolpersteinliebhabern unangenehm aufstößt, übergehen sogar Juden, den Widerstand zu erwähnen.

Juden haben also spätestens seit der vom Land NRW gesponserten Ruhrtriennale in Bochum unter Stefanie Carp kein Recht, sich dagegen zu wehren, wenn man über Judenboykotte diskutiert und sie propagiert. Es ist aber Juden erlaubt, sich darüber unauffällig zu beschweren! Doch bei wem?

 

 

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Über Nathan Warszawski 535 Artikel
Dr. Nathan Warszawski (geboren 1953) studierte Humanmedizin, Mathematik und Philosophie in Würzburg. Er arbeitet als Onkologe (Strahlentherapeut), gelegentlicher Schriftsteller und ehrenamtlicher jüdischer Vorsitzender der Christlich-Jüdischen Gesellschaft zu Aachen.