CORONA Filmbrancheninfos #85

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Die Präsidentschaftswahlen verdrängen zurzeit selbst das Virus. Leider nur in der Medienpräsenz. Deshalb blicken wir lieber auf anderes: Was zu Corona und Filmkunst diskutiert wird.

Die Brancheninfos erscheinen gleichzeitig auch auf unserem Blog out-takes zum Nachlesen.

Die Umfrage „Vielfalt im Film“ ist abgeschlossen, die Initiatoren sind zufrieden: „Wahrscheinlich haben sich noch nie bei einer Umfrage innerhalb der deutschsprachigen Filmbranche so viele Filmschaffende beteiligt wie an dieser.“ Die Filmschaffenden haben zu Chancengleichheit, Vielfalt und Diskriminierung in der Filmbranche geantwortet. In den kommenden Wochen werden die Daten auswertet. Geplant ist, zur Berlinale 2021 die Kernergebnisse, -forderungen und -empfehlungen zu präsentieren.


Die Welt starrt gebannt auf den „Wahlkrimi“
 (einfach mal in Google tippen) in den USA. Den Krimiautor Sebastian Fitzek hat da einen professionelleren Blick: „Der Präsident, der in den Umfragen hinten liegt und kurz vor der Wahl an einem Virus erkrankt, das er geleugnet hat, erklärt sich vorzeitig zum Sieger. Und am Ende der Zitterpartie könnte ein Gericht, das er vor der Wahl strategisch neu besetzt hat, entscheiden. Das sind Wendungen, die dir kein Lektor durchgehen lassen würde.“ 

Was macht das Virus? Die internationale Lage zeigt der Schweizer SRF in der Übersicht nach Ländern und Regionen – täglich aktualisiert. 


Der Corona-Ausfallfonds II fürs Fernsehen
 könnte endlich starten, meldete gestern die „Frankfurter Allgemeine Zeitung“ (Bezahlschranke)DWDL fasst den Bericht gratis zusammen. Demnach hätten sich die Länder sowie ARD, ZDF, Pro Sieben Sat 1 und RTL nun auf eine anteilige Lösung verständigt. „Bei corona-bedingten Produktionsstopps oder Verschiebungen von Fernsehproduktionen wollen die wichtigsten deutschen Filmwirtschaftsstandorte 57,5 Prozent der Kosten übernehmen, die Sendergruppen 32,5 Prozent, und 10 Prozent muss der Produzent selbst aufbringen. Die Anteile der öffentlich-rechtlichen und privaten Gruppen richten sich nach dem jeweiligen Auftragsvolumen. Die maximale Versicherungssumme soll, gestaffelt nach Genres, 700.000 Euro betragen. Bislang hatten die Sender in der Regel etwa die Hälfte der Ausfallkosten übernommen, die andere Hälfte blieb rein an den Produzenten hängen.“ Eine Beteiligung der Streamingdienste hätten die Sendergruppen abgelehnt, weil die US-basierten Dienste dann womöglich mit Steuergeldern unterstützt würden. „Für die im Zweifel betroffenen deutschen Produzenten dürfte das freilich ein schwaches Argument sein – für sie käme es nun weiter auf Verhandlungen mit ihrem Auftraggeber an. Und noch ein Haken: Abgesichert sein sollen dem Bericht zufolge nur jene Produzenten, deren Standort in einem Bundesland liegen, das sich auch finanziell am Fonds beteiligt.“ 


Der „Lockdown light“ kommt bei vielen Kulturschaffenden nicht gut an. 
Die Schauspielerin Jennifer Siemann ließ ihrem Unmut auf Instagram Luft, was „scheinbar nicht bei allen ,Sturm-der-Liebe’-Fans und Fürstenhof-Liebhabern gut ankam“, berichtet das „Lifestyleportal“ Nordbuzz über „eine irre Corona-Theorie“. Wir hingegen fanden das trotzdem so lustig, wie es auch gemeint war: „Ich habe gerade gelesen, dass man in die Kirche gehen darf, aber nicht zu einem Live-Auftritt, weil das wird ja alles abgesagt. Was ist aber, wenn ich mehr an Carolin Kebekus glaube als an Gott? Wenn Gottesdienste die einzigen Veranstaltungen jetzt im Winter sind, die erlaubt sind, will irgendjemand, der ganz oben alle wie Marionetten behandelt, dass wir alle gottgläubig werden. Vielleicht sogar Gott persönlich.“ 

Bund und Länder versuchen, Künstler*innen mit Förderprogrammen durch die Krise zu helfen. Doch viele gehen leer aus, teilweise aus schwer nachvollziehbaren Gründen, berichtet „Der Tagesspiegel“ und fragt: Werden die Corona-Hilfen für Künstler gerecht verteilt? (Spoiler: nun ja…) 

Seit diesem Montag müssen die Kinos in Deutschland zum zweiten Mal wegen der Pandemie schließen. Wäre das Ganze selbst ein Film, folgte nun der Showdown, meint „Die Zeit“ und erklärt nochmal die Problematik: „Kino ist ein komplexes und teures System, das Planungssicherheit braucht. Das ist kein Schalter, der so spontan umgelegt werden könnte wie jener für den Projektor oder die Saalbeleuchtung. Im Moment hängen in vielen Städten noch die roten Plakate für ,Und morgen die ganze Welt‘ (…)Gerade noch war der Film, der Deutschland bei der ,Oscar‘-Kandidatur vertreten wird, vielversprechender Spitzenreiter der Arthaus-Charts, bevor er durch den Lockdown nach nur vier Tagen noch drastischer abgewürgt wurde als im März ,Die Känguru-Chroniken‘.“ 

Das Kino, eine „Prostitutionsstätte“? Daniel Kothenschulte, Filmkritiker der „Frankfurter Rundschau“, teilt die Proteste der Branche gegen die neuen Schließungen und stößt sich an den Auswahlkriterien der Regierung: „Wer Museen und Freudenhäuser schon deshalb für ähnliche Einrichtungen hält, weil man in ihnen seine Freizeit verbringen kann, hat jedes Verständnis dafür verloren, was der Kunstfreiheit einen so hohen Rang in unserem Rechtsstaat gibt. Kunstfreiheit ist wie die Pressefreiheit ein Garant der Demokratie. Sie zu beschneiden, lässt sich nur mit extremen Notlagen begründen.“ 

Den Kinos geht es schlecht, meldet die „Hessenschau“ des HR. Wegen der Corona-Pandemie und der strengen Auflagen schreiben sie seit Monaten rote Zahlen und haben Verluste bis zu 75 Prozent. Mit dem Teil-Lockdown im November geht es nun um ihre Existenz. 

Nordrhein-Westfalen hat ein Hilfsprogramm für seine Kinos geschnürt. 15 Millionen Euro stehen ab Januar 2021 zur Verfügung, teilte die Staatskanzlei gestern mit. Das Hilfsprogramm „Film ab NRW“ soll drohende Insolvenzen abwenden und „die vielfältige Kinolandschaft in Nordrhein-Westfalen erhalten“. Genauer wird das noch nicht erläutert – die Rahmenbedingungen würden zurzeit erarbeitet und zeitnah veröffentlicht. 

Die Kinos sind zu? Wer trotzdem helfen will, findet bei Kino.de Tipps und Links dazu. 


Rund 25 Milliarden Euro an Corona-Überbrückungshilfen
 stehen insgesamt für kleine und mittelständische Unternehmen bereit. Knapp 1 Milliarde wurde erst ausbezahlt. Die FDP wollte wissen, woran das liegt, und stellte Mitte Oktober eine Kleine Anfrage im Bundestag. Die Antwort der Bundesregierung brachte die „Augsburger Allgemeine“ am Mittwoch: „Man habe die corona-bedingten Schließungen und Auflagen schneller zurücknehmen können als zunächst gedacht. Zudem habe sich die Konjunktur von Juni bis August ,schneller erholt als erwartet’. Die Regierung räumt gleichzeitig ein, dass die Schwellen für die bereits angelaufene Verlängerung der Hilfen (Überbrückungsgeld II) abgesenkt wurden.“ Das erste Hilfspaket gab es erst ab einem Umsatzeinbruch von 60 Prozent. In der Verlängerung reichen nun 30 Prozent

Die Medien- und Kreativwirtschaft in Hamburg leidet stark unter der Corona-Krise, berichtet der NDR. Jedes zehnte Unternehmen fürchte, dass es die Krise nicht überlebt. Das ergab eine Umfrage der Handelskammer. 

Alljährlich präsentiert die Filmförderungsanstalt eine Auswertung der 25 besucherstärksten Titel nach soziodemografischen, kino- und filmspezifischen Merkmalen ihres Publikums. Wegen der Schließungen im Zuge der Corona-Pandemie sind es im ersten sHalbjahr 2020 nur die ersten 20. 

„Jeder Film, den wir momentan ohne Infektionen abschließen, fühlt sich wie ein großer Sieg über das Virus an.“ Der Schauspieler Devid Striesow spricht im „Weser-Kurier“ über seinen jüngsten Fernsehfilm und die Diskussionskultur im Lande – und kurz auch übers Filmemachen in Corona-Zeiten. 

Eine legendäre Kulisse für Blockbuster ist das Flughafengebäude Tempelhof schon lange. Bald sollen junge Leute dort auch Regie, Kamera, Drehbuch, Produktion vor Ort studieren können, berichtet die „BZ“. Denn die Berliner Filmhochschule (DFFB) muss das Sony Center am Potsdamer Platz verlassen. mindestens eine Milliarde Euro, um die Flughafen-Gebäudeteile in den nächsten 15 Jahren Schritt für Schritt für Büros und Kultur zu sanieren. 


Der Begriff der „Quote“ 
ist in der Diskussion so ungefähr das Uncoolste, was man sich vorstellen kann, meint Matthias Dell in seiner Kolumne beim Deutschlandfunk. Sein Zauberwort heißt „Proporz“: Das klinge zwar „schmierig, nach Hinterzimmer und Kuhhandel (…) Aber ,Proporz’ wird praktiziert, nicht diskutiert. Das ist der Clou. ,Proporz’ kommt medial kaum vor, obwohl alle wissen, dass es ihn gibt. (…) Schauen Sie sich mal die die Parteivorstände an. Was nicht ganz leicht ist, weil die riesig sind. Auch aus dem Grund, damit alle Landesverbände drin vorkommen.“ 

„Ich würde nie von einem organisierten Verdummen von Gesellschaft ausgehen, stelle aber fest, dass es uns aus blankem Laissez-faire nicht gelungen ist, den Rationalismus als klare Position zu etablieren – was extrem wichtig wäre, weil es Demokratie-stabilisierend wirkt.“ Der Astrophysiker Harald Lesch gehört zu den bekanntesten Wissenschaftsjournalisten im deutschen Fernsehen und nimmt sich dort auch die beliebtesten Verschwörungsgeschichten vor. Im „Planet Interview“ sprach er über Wissen und Bildung, und was das öffentlich-rechtliche Fernsehen dazu beiträgt. 

Das Dok Leipzig lief kurz vorm Teillockdown weitgehend online. Die „Taz“ sah ”Coronafilme als Pflichtübung“ und vermisste den sonstigen Reiz des Festivals: „Am Ende eines Jahres voller Onlinefestivals ist Dok Leipzig leider ein Beispiel, wie es eher nicht funktioniert: als Sparversion der Offlineveranstaltung.“ 

Der Deutsche Filmpreis soll im nächsten Jahr nicht wie üblich im Frühjahr verliehen werden, sondern erst im Herbst. „Auch in den kommenden Monaten wird die Corona-Pandemie eine gewaltige Herausforderung für alle Kinos, Produzent*innen und Verleiher*innen sein“, begründet Kulturstaatsministerin Monika Grütters den Entschluss. Das schaffe „eine höhere Planungssicherheit“ bei der Einreichung der Filme. 

Wegen Corona war das Internationale Filmfestival in Karlsbad auf den November verschoben worden. Doch auch die abgespeckte Ausgabe wurde nun abgesagt

Verschoben wird auch der 5. Europäische Kinotag. Die cineastische Europareise hätte am kommenden Sonntag in 700 Kinos laufen sollen, darunter knapp 200 in Deutschland. Sie wird nun auf den 10. Januar 2021 verschoben, teilt die AG Kino mit. 


Die Internet Movie Database 
(IMDb) gab es schon, als vom Internet noch kaum die Rede war. Jetzt ist sie 30 und für alle, die sich mit Filmen befassen, ein unverzichtbares Werkzeug, findet „golem.de“ und gratuliert etwas überschwenglich: „Mit Infos zu mehr als 6,5 Millionen Titeln ersetzt sie ganze Bibliotheken.“ 

Die IMDb gehört Amazon. Das Unternehmen konnte in der Corona-Krise seinen Gewinn enorm steigern. Jeff Bezos, Gründer des Internethändlers und Streamers, habe nun „in größerem Umfang Anteile an seiner Firma abgestoßen und zu Geld gemacht“, berichtet „Der Spiegel“. Die Rede ist von 3 Milliarden US-Dollar – insgesamt habe Bezos in diesem Jahr mehr als 10,2 Milliarden Dollar zu Geld gemacht. Auf rund 190 Milliarden wird sein Vermögen geschätzt, was Bezos zum reichsten Menschen der Welt mache. Die genauen Gründe des aktuellen Verkaufs seien unklar, Bezos plane aber unter anderem, Milliarden zur Bewältigung der Folgen des Klimawandels zu investieren. „The Atlantic“ (auf Englisch) hatte diese Woche berichtet, Bezos wolle mehreren Umweltorganisationen jeweils 100 Millionen Dollar zukommen lassen. 


Ein Overkill an Berichterstattung über die Pandemie
 verzerrt die Maßstäbe dafür, was alles relevant ist, warnt der Medienwissenschaftler Stephan Russ-Mohl in einem Gastbeitrag für die „Süddeutschen Zeitung“: „Das Corona-Panikorchester“ der Medien verbreite eine gefährliche Angst. „Während Verschwörungstheoretiker meinen, die Medien würden von Regierungszentralen oder gar Bill Gates ferngesteuert, gibt es eine viel näherliegende Erklärung für die erstaunliche Selbstgleichrichtung der Corona-Berichterstattung: den Herdentrieb.“ Zeitweise machten Corona-News zwischen 60 und 75 Prozent in den Hauptnachrichtensendungen von ARD und ZDF aus. Zum Vergleich: Beiträge zur Klimadebatte hätten in Spitzenzeiten kaum mehr als 10 Prozent der Gesamtberichterstattung erreicht. Und daran sind nicht die Medien allein schuld. Russ-Mohl skizziert die Abläufe: „Die Medien orientieren sich, inzwischen zum Teil von Algorithmen gesteuert, in ihrer Auswahl immer mehr an der Nachfrage der Nutzer. Genau an dieser Stelle wird die Aufmerksamkeitsökonomie, welche die Gesellschaft prägt, zum Verhängnis. Überaufmerksamkeit und einseitige Fokussierung erzeugen beim Publikum Interesse, aber eben auch Angst; diese Angst generiert steigende Nachfrage nach Corona-News, die inzwischen ja online in Echtzeit messbar ist. Die Nachfrage wiederum verleitet Redaktionen dazu, diese zu bedienen und die Berichterstattung weiter auf die Pandemie hin zu verengen – bis hin zum Tunnelblick. Alles, was nicht mit Corona zu tun hat, wird über Monate hinweg nachrangig.“ 

Das sei aber eine „massive Fehlwahrnehmung“, meint sein Kollege Lorenz Lorenz-Meyer, einst „Spiegel-Redakteur“ und seit langem Professor für Onlinejournalismus, in seinem Blog. Fehler und Versäumnisse zählt er ebenfalls an. „Der Medienzirkus rund um die Seuche ist in der Tat in vielen Bereichen fragwürdig.“ Doch es sei „vielmehr das Virus, das der Politik und den Medien Vorschriften macht. Vorschriften, die sich nicht durch irgendwelche medialen Wahrnehmungen beeinflussen lassen.“ Und das „Lamento über den angeblich immergleichen Expertenreigen ließe sich angesichts der Vielfalt von Perspektiven, mit denen die Medien in den letzten Monaten auf die absolut verständliche Nachfrage ihres Publikums reagiert haben, schnell widerlegen.“ 

Wer wissen will, wie’s weitergeht: Russ-Mohl antwortet auf der selben Plattform.

Brancheninfo von crew-united und cinearte, erschienen auf out-takes.  

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