Die Königin aller Kunstmessen öffnet ihre Tore

Wo die Kasseler Dokumenta den Weg weg vom Galeriebusiness sucht, sammelt sich dieser Tage fast alles, was Rang und Namen in der Kunst des zwanzigsten und einundzwanzigsten Jahrhunderts hat, an den Ufern des Rheins, in Basel. Eine Teilnahme an der „Art“ Basel gilt als Ritterschlag für jeden, der fast 2500 präsentierten Künstler und ebenso ihrer nahezu 300 Galeristen. Im letzten Jahr hatte das Zulassungskomitee Judy Lybkes „Eigen und Art“ aus Berlin/Leipzig nicht zugelassen. Und die Szene fragte sich, welche der drei Berliner Galleristen Kollegen wohl dafür verantwortlich war. Auch intensives insistieren brachte nichts heraus. Dieses Jahr fehlt der Name Claes Nordenhake auf der Liste der Auswahlkommission. Judy Lybke ist wieder an Bord. Bewundernswert war die Solidarität der von „Eigen und Art“ vertretenen Künstler und der Galeriepartner in aller Welt, die seine Entdeckungen sehr wohl hätten ausstellen können. Dieses Jahr verkaufte David Zwirner noch vor den Publikumstagen ein großformatiges Werk von Neo Rauch.
Bei der Messeorganisation hat sich einiges geändert. Es gibt nun zwei Tage, die für Sammler und Presse reserviert sind. Ab Donnerstag, den 14., stehen die Tore allen Kunstinteressenten offen. Keine Frage, ob die 65000 in den folgenden Tagen getoppt werden.
Frei zugänglich ist der Art Parcours auf der Linken Rheinseite um die Predigerkirche.
In Halle 1 am Messeplatz zeigen 27 Galerien ausgewählte Shootingstars unter dem Label „Art Statements“. Mit dabei Arrita Beer, Tanya Leighton, Peres Projects und Wentrup aus Berlin.
„Art Unlimited“ geht nun ins zwölfte Jahr. Hier ist Platz für große Plastiken und Videoprojektionen, Bruce Naumann etwa.
Ein besonderes Bonbon ist das Künstlergespräch mit Jannis Kounellis und Santiago Serra zur Arte Povera am abschließenden Sonntag ab 10 Uhr. Im Auditorium der Messehalle 1 werden im „Art Salon“ neben klassischen Themen wie Kunst versus Markt neueste Einflüsse des Arabischen Frühlings (Do, 14h und Sa, 17h) thematisiert, Bezüge zur laufenden Tatlin Retrospektive im Museum Tinguely gezogen (So, 14h), oder die Macht der Kuratoren hinterfragt (Fr, 15h).
Schon Tradition hat der Sektor „Art Film“ im Stadtkino in der Klostergasse. Marina Abramović stellt „The Artist is Present“ zur Diskussion (Sa, 11h), und ist es auch wirklich. Ai Waiweis Videobotschaft zu „Never Sorry“ (Fr, 20h) sorgte schon im Vorfeld für Presserummel. Bekanntlich wird er in seiner Heimat unter Hausarrest gehalten. So ist auch nicht sicher, ob er seine Gastprofessur an der Berliner Universität der Künste wird wahrnehmen können. Brisanz liegt hier auch in der Organisation des neuen Messeablegers „Art Basel Hongkong“, wie die „Hongkong International Art Fair“ nun heißen wird.
Gleich 200 Meter weiter in Basel residiert mit der „Design Miami“ eines der wichtigsten Foren für avantgardistische Wohnungseinrichtungen in Messehalle 5.
Was sie sich nie als Stuhl hätten vorstellen können, erweckt pure Emotionen.
Bea Sehwa lässt Streifen von Wallnussholz wogen, bis es sitzt und in den Gedanken blitzt.
Wenn sie noch aufnahmefähig sind, lohnt ein kurzer Spaziergang zur Baseler „Liste 17“. Direkt am Rhein gelegen, residiert sie in den alten Gemäuern der Warteck Brauerei. Iris Kadel aus Karlsruhe zeigt hier Ausschnitte aus ihrem avantgardistischen Programm. Wer späht abends kommt, sieht etliche Galeristen wieder, die hier auf der Dachterasse den erfolgreichen Messetag ausklingen lassen.
Ein etwas weiterer Weg lohnt sich zur „Volta“. Wunderbar einfach mit Shuttles vom Messeplatz erreichbar sind hier sinnliche Farbexplosionen zu erwarten. Daß es auch anders geht, zeigt Alec Soth in der Koje der Loock Galerie. Eine alte Bettdecke im Wald, beleuchtet von einer einzelnen Glühbirne, wirkt wie ein verdecktes Areal der eigenen Seele. Großformatige Fotografie, die in der eigenen Seele suchen lässt, was wohl darin verborgen sein mag. Fast altmeisterlich anmutende Holzbearbeitungskunst von Marc Fromm zeigt Jarmuschek. Dieser Faun scheint mehr als 2000 Jahre alt, bis die Holzkanten des Torsos ins Bewusstsein treten. Es ist wieder ein gutes Jahr in Basel.

Art Basel: bis Sonntag den 17. Juni 2012, 11h bis 19h, Messeplatz Basel
http://basel.artbasel.com/go/id/oyc/
Design Miami Basel: bis Sonntag, Halle 5, 11h bis 19h, ebenda
http://basel2012.designmiami.com/
Voltashow: bis Samstag den 16. Juni 2012, , 10h bis 18h, Dreispitzareal, Tor 13,
Helsinkistrasse 3 in Basel
http://voltashow.com/Visitor-Information.5723.0.html
Liste 17: bis Sonntag den 17. Juni 2012, 13h bis 21h, Sonntag bis 17h, Burgweg 15 in Basel
http://www.liste.ch/the-fair/facts/

Über Löw Jan 27 Artikel
Jan Löw, geboren 1965 in Jena, studierte Kunstgeschichte und Medienwissenschaft in Jena und Weimar. Er war langjähriger freier Mitarbeiter des Zentrums für Kunst und Medientechnologie in Karlsruhe. Löw arbeitet als freier Photograph in Berlin und in Thüringen.

Hinterlasse jetzt einen Kommentar

Kommentar hinterlassen

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.