In der EU Dystopie – in China Realität

Sackgasse, Foto: Stefan Groß

In der Volksrepublik China stehen wie in allen Diktaturen Künstler unter intensiver Überwachung. Das gilt insbesondere für Schriftsteller. Deshalb schreibt Jingfang Hao Science-Fiction, da sie eher durch die Zensur kommen. Für ihr Büchlein „Peking falten“ erhält die Schriftstellerin den renommierten Hugo Award in der Kategorie „Best Novelette“.

Jingfang Hao: Peking falten (15. Mai 2017)
Elsinor Verlag
ISBN-13: 978-3942788380
auch als E-Book vorhanden

Viele Rezensenten und der herausgebende Verlag betrachten das Buch als Dystopie, weil eine schlimme Zukunft in der Metropole Peking dargestellt wird. Betrachte man die Faltungen Pekings als Allegorie für die Separation von Menschen nach Bildung und Nutzen für den Staat (oder für die Partei), so erkennt man bald, dass das Buch keine Utopie mit negativem Ausgang abhandelt, sondern die wahren Zustände in Peking oder in China beschreibt, die auch in ähnlich gestrickten Diktaturen wie in Nordkorea, in Saudi-Arabien oder im Iran vorkommen. Eine Dystopie wäre die Übertragung auf noch demokratische Gesellschaften wie die Staaten der EU.

Bereits heute könnte man in der EU die meisten, nicht nur manuellen Arbeitsplätze durch Roboter und künstliche Intelligenz ersetzen. Doch was soll mit den vielen Arbeitslosen geschehen? Sie wären eine Gefahr für den Erhalt der Gesellschaft. Deshalb dürfen die Menschen, die solche (niedrigen) Arbeiten verrichten, weiterhin für einen Hungerlohn arbeiten. Der gemeinsame € sorgt dafür, dass Sparen sinnlos wird, Reichtum durch eigene Arbeit nur in Ausnahmefällen angehäuft werden kann. Roboter werden möglichst sparsam eingesetzt, um keine Unruhen zu provozieren. Immerhin sind die Menschen, die niedrige Arbeiten in der 3-Klassen-Gesellschaft Pekings verrichten, die Mehrheit der Bevölkerung.

Bedingt durch die hohen Strafen, wenn bestimmte Klimawerte nicht eingehalten werden, werden die industriell fortschrittlichen EU-Staaten die Arbeitsvorgänge zunehmend dank künstlicher Intelligenz automatisieren, von der menschlichen Arbeitskraft absondern. Die Folge wird die Segregation nützlicher Menschen von den Unnützen sein. Die Zahl der nützlichen Menschen wird abnehmen. Selbst politische Entscheidungen und der wissenschaftlich-gesellschaftliche Fortschritt werden der künstlichen Intelligenz unterworfen.

Die Konsequenzen sind unumkehrbar und unfassbar. Das ist der Grund, warum dieses Büchlein die Zensur übersteht.

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Über Nathan Warszawski 535 Artikel
Dr. Nathan Warszawski (geboren 1953) studierte Humanmedizin, Mathematik und Philosophie in Würzburg. Er arbeitet als Onkologe (Strahlentherapeut), gelegentlicher Schriftsteller und ehrenamtlicher jüdischer Vorsitzender der Christlich-Jüdischen Gesellschaft zu Aachen.