Welches Ergebnis brachte der Trip von EU-Commissioner McGrath nach Singapur

Commissioner Michael McGrath und Denise Wong am 3. März in Singapur (Foto: Personal Data Protection Commission and European Commission)
Commissioner Michael McGrath und Denise Wong am 3. März in Singapur (Foto: Personal Data Protection Commission and European Commission)

Todesurteile ohne ordentliche Verfahren in Singapur. Internationale Organisationen verurteilten die Verletzung von Menschenrechten. Doch der Justiz-Commissioner der EU war nur an lukrativen Geschäften interessiert. Von Johannes Schütz.

In Dublin wurde Michael McGrath als „quiet“ beschrieben.  Doch bei seiner ersten Reise als neuer Commissioner für Demokratie, Justiz und Rechtsstaatlichkeit der Europäischen Union erschien er aufgeregt. Er kam am 2. März nach Singapur, es ging um ein Handelsvolumen von über 130 Milliarden Euro. Da kann schon mal Tachykardie beim sonst ruhigen Mann aus Irland ausbrechen.

Es wurde eine  Zusammenkunft mit Denise Wong organisiert, sie verkörpert die Kommission für den Schutz personenbezogener Daten. McGrath erhielt aber auch die Gelegenheit, Unternehmer aus Singapur zu treffen. Die konkreten Daten dieser Geschäftsleute wurden bisher nicht bekannt gegeben, dafür kann man die Funktionen von Denise Wong feststellen.

„Denise is presently the Assistant Chief Executive (Data Innovation & Protection Group). (…) Denise concurrently holds the appointment of Deputy Commissioner of the Personal Data Protection Commission (PDPC) (…) Earlier in her career, Denise was a Justices’ Law Clerk and Assistant Registrar at the Supreme Court of Singapore before joining the Attorney-General’s Chambers Civil Division as State Counsel“.
(OECD AI Policy Observatory , “ Denise Wong Assistant Chief Executive, Data Innovation & Protection Group – Singapore„, https://oecd.ai/en/community/denise-wong, 11. 4. 2025)

Denise Wong als Sherpa

Die Singapore Conference on AI führt Denise Wong aktuell in der Liste der „Sherpa“ (www.scai.gov.sg/facilitators-sherpas, 11. 4. 2025). In einem Interview mit GovInsider zeigte Denise Wong dabei die starke Zusammenarbeit mit Industrieunternehmen:
„We have engaged with industry partners to drive the AI Verify Foundation“.
(Amit Roy Choudhury, „Denise Wong, Assistant Chief Executive and Deputy Commissioner of PDPC, Strategic Policy & Operations„, GovInsider, 13. 12. 2024, https://govinsider.asia/intl-en/article/denise-wong-assistant-chief-executive-and-deputy-commissioner-of-pdpc-strategic-policy-and-operations-imda)

Commissioner McGrath und Assistant Chief Executive Denise Wong fanden zu einer gemeinsamen Erklärung. Es wurde die enge Kooperation bei Wissenstransfer und der Förderung eines grenzüberschreitenden Flusses vertrauenswürdiger Daten betont:
„their joint work, in the framework of the ASEAN-EU Strategic Partnership to foster trusted cross-border data flows“.
(European Commission Directorate-General for Justice and Consumers, „Joint Press Statement by Michael McGrath and Denise Wong“, 3. 3. 2025, https://commission.europa.eu/news/joint-press-statement-michael-mcgrath-and-denise-wong-acting-commissioner-singapores-personal-data-2025-03-03_en)

Singapur bevorzugt strategische Partnerschaft mit Vietnam

Hingegen konnte McGrath keine gemeinsame Stellungnahme mit der Ministerin für Digital Development und Information von Singapur erreichen, obwohl ein EU-Commissioner, nach den diplomatischen Regeln, auf dieser Ebene eine Vereinbarung treffen sollte.

Laut einem Bericht der Delegation of the European Union to Singapore traf Commissioner McGrath auch Josephine Teo, die dafür zuständige Ministerin  von Singapur. Tatsächlich zeigte McGrath auf X.com auch von diesem Treffen sich beglückt:
„Good exchange of ideas on priorities and future cooperation“.
(Michael McGrath, X.com, @EUCssrMcGrath, 3. 3. 2025, https://x.com/EUCssrMcGrath/status/1896466966518604006)

Laut McGrath streben demnach die Europäische Union und Singapur nach einem entschlossenen Verhältnis bei Datentransfer und Digitalisierung. Doch Josephine Teo ignorierte den Commissioner der European Union. Sie verzichtete darauf, das Treffen mit McGrath auch nur zu erwähnen. Dafür jubelte Ministerin Teo über die strategische Partnerschaft mit Vietnam, die sie nur zehn Tage nach dem Besuch von McGrath in Singapur offensiv vereinbarte, mit dem vietnamesischen Minister of Public Security, damit im Umfeld der asiatischen Nachrichtendienste:

„Signed a new MOU Vietnam’s Minister of Public Security Mr Luong Tam Quang on Wednesday to enhance cooperation in digital transformation. The MOU is aligned under the Singapore-Vietnam Comprehensive Strategic Partnership. Looking forward to more collaborations ahead!“
(Josephine Teo, X.com, @joteo_ylm, 13. 3. 2025, x.com/joteo_ylm/status/1900064501329981918)

Zu den Abteilungen des vietnamesischen Ministeriums für Public Security zählt auch „Security intelligence“. General Luong Tam Quang war Leiter der vietnamesischen Investigation Security Agency, bevor er im Juni 2024 als Minister für Sicherheit ernannt wurde. Im August 2024 wurde General Luong Tam Quang vom Zentralkomitee der Kommunistischen Partei Vietnam als Mitglied des 13. Politbüros aufgenommen, das insgesamt 18 Mitglieder vorsieht und die Politik von Vietnam bestimmt.

Singapur im China-Pakt

Aktuell zelebriert Vietnam die Partnerschaft mit China. Am 14. April kam der chinesische Präsident Xi Jinping nach Vietnam. Nhan Dan, das Zentralorgan der Kommunistischen Partei Vietnams und „Voice of the Party“ berichtete:

„The People’s Daily, the official newspaper of the Communist Party of China (CPC), has published an article highlighting the deep-rooted relationship between Vietnam and China, describing it as a bond of “camaraderie plus brotherhood„.
(„Chinese media highlights enduring Vietnam–China relations“, Nhan Dan, 14. 4. 2025, https://en.nhandan.vn/chinese-media-highlights-enduring-vietnamchina-relations-post146557.html)

Der chinesische Präsident Xi Jinping wurde von General To Lam, dem Generalsekretär der Communist Party of Vietnam (CPV) mit einer großen Zeremonie begrüßt, auch von General Luong Tam Quang, „Polit Buro Member and Minister“.  General To Lam war ebenfalls Minister of Public Security, bevor er im Mai 2024 als Staatspräsident und im August 2024 als Generalsekretär der CPV bestimmt wurde.

Todesstrafe in Singapur

Die Justiz in Singapur wird von internationalen Organisationen verurteilt. In Singapur werden Prügelstrafen und Hinrichtungen exekutiert. United Nations Human Rights Office brachte deutlich die Besorgnis zum Ausdruck, dass dabei Angehörige von Minderheiten  diskriminierend behandelt werden:

„They also raised concerns about discriminatory treatment of individuals belonging to minorities“.
(United Nations Human Rights Office of the High Commissioner, „Singapore: UN experts condemn continued use of death penalty for drug-related crimes“, Press Release, 28. 4. 2023, www.ohchr.org/en/press-releases/2023/04/singapore-un-experts-condemn-continued-use-death-penalty-drug-related-crimes)

Human Rights Watch befindet im World Report 2025, dass in Singapur ein „Criminal Justice System“ herrscht.
(Human Rights Watch, World Report 2025, New York, 2025, S. 407)

Obligatorische Todesstrafen für den Besitz geringfügiger Mengen an Drogen. Man mag Drogengebrauch ablehnen, dennoch wird man mit den Todesstrafen in Singapur nicht einverstanden sein. Der versuchte Gebrauch von Schusswaffen wird in den Gesetzen von Singapur auf diese Weise beurteilt:

  1. (1) (…) any person who uses or attempts to use any arm shall be guilty of an offence and shall on conviction be punished with death.
    4. (2) (…) be presumed to have used or attempted to use the arm with the intention to cause physical injury to any person or property.
    (Arms Offences Act 1973, 2020 revised edition, Singapore Statutes Online, https://sso.agc.gov.sg/Act/AOA1973)

    Die Bestimmungen für Todesstrafen ermöglichen grausame Übergriffe der Justiz in Singapur. Ordentliche Verfahren werden in Singapur nicht gewährleistet. Auch Unschuldige können mit einer Hinrichtung konfrontiert werden. Der Oberste Gerichtshof von Singapur deckt die Todesstrafen. Die International Commission of Jurists (ICJ) forderte eine Beendigung dieser Exekutionen:“International Commission of Jurists, „Singapore: Halt executions and cease punitive cost orders against death-row lawyers“, 9. 8. 2022, www.icj.org/singapore-halt-executions-and-cease-punitive-cost-orders-against-death-row-lawyers

Singapur ohne Rechtsstaat

In Singapur gibt es keinen Rechtsstaat. Doch McGrath, der Commissioner für Demokratie, Justiz und Rechtsstaatlichkeit der Europäischen Union, war dennoch übertrieben erfreut über seinen Trip nach Singapur:
„I am pleased to be in Singapore“.
(Michael McGrath, X.com, @EUCssrMcGrath, 2. 3. 2025, x.com/EUCssrMcGrath/status/1896182984975516086)

Denise Wong war stellvertretende Gerichtsschreiberin am Obersten Gerichtshof von Singapur, bevor sie ihren Job als „Sherpa“ bei der Personal Data Protection Commission antrat. Doch Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte waren nicht die Themen, die McGrath im Zusammensein mit Denise Wong interessierten.

McGrath suchte in Singapur deutlich die Entwicklung von Beziehungen, die finanziell lukrativ sind. Dazu zählen Wissenstransfer und ein Strom vertraulicher Daten von der Europäischen Union nach Singapur.

“On an annual basis, trade in goods and services is over € 130 billion (S$222 billion). Of course, the trading relationship is underpinned by trusted data flows which will be a very important aspect of my mission,” said Commissioner McGrath.
(GovInsider, 5. 3. 2025, https://govinsider.asia/intl-en/article/singapore-eu-to-strengthen-bilateral-cooperation-for-personal-data-protection)

Hingegen wurde der schreckliche Zustand der Justiz in Singapur vom Commisisoner für Demokratie, Justiz und Rechtsstaatlichkeit der Europäischen Union nicht erwähnt.

Das Verhalten von McGrath gefährdet die Europäische Union

Mit seinem Benehmen in Singapur verriet McGrath die Grundwerte der Europäischen Union. Doch ist die weitere Gemeinsamkeit von McGrath mit seinen Bezugspersonen in Singapur auch eine Gefährdung für die Europäische Union.

Singapur ist kein Partner der Europäischen Union. Singapur ist deutlich ein Mitglied im China-Block und will dort noch mehr Kollaboration: „Looking forward to more collaborations ahead!“, erklärte die Ministerin für Information aus Singapur dem General des Geheimdienstes aus Vietnam.

Auch das Justizsystem von Singapur belegt, dass man sich an den Usancen in China und Nordkorea orientiert. Die Grundrechte der Europäischen Union sind nur eine Störung für ein Land im China-Block.

Der Datenstrom aus der Europäischen Union fliest über Singapur und Vietnam bis China. McGrath hätte dies bei seinem „Joint Statement“ in Singapur bedenken müssen. Die Bestellung von McGrath als Commissioner für Demokratie und Justiz war bereits umstritten. Seit seinem Trip nach Singapur ist McGrath als Commissioner der Europäischen Union nicht mehr akzeptabel. Das Europäische Parlament sollte die erforderlichen Maßnahmen setzen.

Commissioner Michael McGrath am 2. März in Singapur (Foto: Michael McGrath, X.com, Video-Standbild mit Untertit
Commissioner Michael McGrath am 2. März in Singapur
(Foto: Michael McGrath, X.com, Video-Standbild mit Untertit
Über Johannes Schütz 115 Artikel
Johannes Schütz ist Medienwissenschafter und Publizist. Veröffentlichungen u. a. Tabula Rasa Magazin, The European, Huffington Post, FAZ, Der Standard (Album), Die Presse (Spectrum), Medienfachzeitschrift Extradienst. Projektleiter bei der Konzeption des Community TV Wien, das seit 2005 auf Sendung ist. Projektleiter für ein Twin-City-TV Wien-Bratislava in Kooperation mit dem Institut für Journalistik der Universität Bratislava. War Lehrbeauftragter an der Universitat Wien (Forschungsgebiete: Bibliographie, Recherchetechniken, Medienkompetenz, Community-TV). Schreibt jetzt insbesondere über die Verletzung von Grundrechten. Homepage: www.journalist.tel