„Sozialismus Soft“ – der Dritte Weg?

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Was war es für eine Freude, als im Jahr 1989 die Mauer fiel, als der Warschauer Pakt zerfiel und der bolschewistische Sowiet-Block buchstäblich zerbröselte. Nicht wenige identifizierten das Ende des Kommunismus mit dem „Ende der Geschichte“. Welch‘ ein Irrtum. Mit dem Ende des Ost-West-Konflikts fing die Geschichte erst an, fing der eigentliche Siegeszug des Sozialismus erst an.

Man kann sich darüber streiten, was bis dahin den Marx’schen Sozialismus im Westen gebändigt hat. Ein Grund war mit Sicherheit die klare Ost-West-Konfrontation und die offenkundige Brutalität, mit der der abgeschottete Osten, also vor allem Russland und China, als negatives Beispiel den Westbürgern vor Augen stand, flankiert von den kleinen Brutalo-Trabanten in Nord-Korea, Cuba und der DDR. Damit war kein Staat zu machen, damit war keine Mehrheit zu gewinnen.

Aber mit Glasnost und 1989 implodierte Schritt für Schritt das Feindbild. Russland schwächte sich unter Jelzin erst selbst, kam aber mit Putin als nicht-kommunistisches Land auf die Weltbühne zurück – vielleicht nicht ganz so lupenrein demokratisch, wie von Ex-Kanzler Schröder gelobt, aber jedenfalls nicht sozialistisch. Von den kleinen kommunistischen Ländern verblieben lediglich Nord-Korea und Cuba, seit ein paar Jahren allerdings flankiert vom einst reichen Ölland Venezuela. Allesamt wunderbare Beispiele von Misswirtschaft, mangelnder Innovationskraft – wenn man von Nord-Koreas Atomraketen absieht, könnte man ironisch einwerfen – und von Unterdrückung.

Langsam vom Sozialismus in die Marktwirtschaft

China war nach der Abkehr von der reinen Planwirtschaft, planwirtschaftlich innovativ. Es erfand einen Dritten Weg, einen für den Westen gefährlichen Weg, weil er die Gefahr in sich birgt, zur Blaupause für die westliche Welt zu werden: China beendete die Misswirtschaft und wurde zum Vorbild an Innovationskraft – behielt allerdings die Unterdrückung bei. China beschritt dabei den Weg, den der deutsche Nationalökonom Wolfram Engels als Herausgeber der Wirtschaftswoche zu Zeiten der Deutschen Wende als das richtige Prinzip für den Übergang vom Sozialismus in die Marktwirtschaft formulierte: „Langsam muss es gehen!“ Schritt für Schritt also und nicht so, wie Deutschland es mit der Treuhandanstalt als Konkursverwalterin der DDR-Wirtschaft organisiert hatte. Der plötzliche Zusammenbruch weiter Teile der DDR-Industrie geschah damals, weil man auf Anraten des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI) und Ihres Chef-Ökonomen Gerhard Fels die 18 (!) Wirtschaftsministerien und die Kombinate darunter von einem Tag auf den anderen einfach auflöste und dann die führungslosen Betriebe einfach sich selbst überließ.

Für Engel war die Tschechei das Vorbild und China machte es nach. Man gründete Sonderwirtschaftszonen, die nicht direkt sondern indirekt hochsubventioniert wurden, indem man jedem, der Ideen mitbrachte. Das waren am Anfang natürlich Staatsbetriebe und ihre leitenden Mitarbeiter, vor allem aber Nationalchinesen von der Insel, die marktwirtschaftlich und technologisch geübt waren und die ihren sprachlichen Vorteil und ihre alten familiären Bindungen nutzten, die einmalige Chance wahrzunehmen. Sie erhielten für fünf Jahre kostenlos Grundstücke und Mieträume gestellt, sowie Geld und Steuerbefreiung, was die Startzündung für eine gigantische Wirtschaftsrakete wurde. China wurde eben auch nicht mit einem Schlag befreit, sondern die Sonderwirtschaftszonen expandierten und wurden nach wenigen Jahren verschmolzen und danach aufgelöst. Es war einfach das richtige Rezept.

„Befreit“ ist natürlich die falsche Vokabel, denn die Wirtschaftssubjekte hingen nach wie vor und hängen bis heute an der langen Leine des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei, wie bisweilen die eine oder andere Verhaftung namhaftester Wirtschaftsführer belegt. Dasselbe gilt für Hongkong, vor einem Vierteljahrhundert noch als Sonderwirtschaftszone und als „ein Land, zwei Systeme“ gepriesen, ist heute zu 99 Prozent ein politisch integrierter Bestandteil der Volksrepublik. Und China ist erkennbar auf dem Weg, den Rest der Welt ihr Rezept überstülpen zu wollen.

Der Sozialismus hat als Feindbild ausgedient

Und kaum jemand stellt sich quer, denn der Sozialismus hat als Feindbild ausgedient, ist weltweit bis in die höchsten politischen, wissenschaftlichen und intellektuellen Kreise hinein geduldet oder gar umschmeichelt und gefördert; Stichwort: „Deep State“, als wäre es eine intellektuelle Fingerübung. Seine geschichtlichen Niederlagen werden einfach ausgeblendet, spielen keine Rolle. Das heute mächtige China operiert so als betörende Anglerin des Restes der Welt nach der Methode der Nixe in Goethes Der Fischer: „Halb zog sie ihn, halb sank er hin“. Nicht nur, dass die westliche Welt ungeniert die Methoden der Unterdrückung aus dem totalitären China übernimmt, d. h. Shutdowns und Lockdowns als brutalen Entzug von Bewegungsfreiheit und Menschenrechten kopiert. Dazu exportiert China mit aller Selbstverständlichkeit großzügig die Technologie und Software, allen voran künstliche Intelligenz, abgekürzt KI, zwecks totaler Kontrolle der Bevölkerung.

Wenn es in früheren Zeit in Deutschland als politische Forderung und Grundsatzüberzeugung einmal so etwas Datenschutz gab, so kann man sagen, dass der Staat hierzulande nach EU-Vorgaben der Bevölkerung und der Wirtschaft mit der Datenschutzgrundverordnung der Bevölkerung und der Wirtschaft Zügel angelegt hat. Löblich, könnte man meinen. Doch Vorsicht, denn zugleich entwickelt sich mit der durchgehenden Digitalisierung der Staatsverwaltung (digitale Pässe aller Art, bis hin zu Chips in der Blutbahn) und dem Ausbau der optischen Erkennung bis hin zur emotionalen Durchleuchtung des Menschen in der Öffentlichkeit (emotionale Gesichts- und Bewegungsinterpretation) – wieder nach Chinesischem Vorbild – ein Verstoß gegen den Datenschutz, mit dem der totale Untergang aller individuellen Schutzrechte droht: Das Ergebnis ist der nackte Mensch.

Sozialismus Soft – der Dritte Weg?

Da das ganze Korsett am Ende auch bei uns – wie in China – mit einer Art marktwirtschaftlicher Freiheit gekoppelt ist, also einem Freiheits-Fragment, lebten wir in einem System, das man als Sozialismus Soft bezeichnen könnte, einer Art Dritten Weg.

Der „Dritte Weg“ des 20. Jahrhunderts ist es allerdings nicht, weil dessen Definition auf einen sozialen Kapitalismus hinauslief. Dieser „alte“ Dritte Weg war die Überwindung der Nachteile der ganz freien Marktwirtschaft mittels mehrerer sozialer Komponenten – Tarifautonomie, solidarische Sicherungssysteme, Sozialhilfe -, war also die richtige Soziale Marktwirtschaft. Dem wird der neue Sozialismus Soft nicht gerecht, weil ihm die fundamentalen Komponenten der freiheitlichen Gesellschaft fehlen, insbesondere die Gewaltenteilung, die dem Einzelnen den Schutz vor Staatswillkür gewährt. Insoweit ist der Sozialismus Soft überhaupt nicht soft.

Deutschland schlittert gerade in ihn hinein: Das Bundesverfassungsgericht solidarisiert sich in der Klimafrage mit der Bundesregierung, ohne wirklich danach gefragt zu sein. Das Parlament winkt schwerste Verfassungsbrüche durch. Eine Apartheit zu Lasten der Ungeimpften macht aus Grundrechten Sonderrechte, aus dem Grund-Gesetz quasi ein Sonder-Gesetz für Geimpfte. Schlimmer geht’s nimmer. Oder doch?