„America First“ ist das Credo eines Präsidenten, der wie Donald Trump für globale Verunsicherung sorgt und ein rigider Verfechter des Protektionismus ist. Die amerikanische Hegemonie, diese Vorherrschaft auf militärischen, wirtschaftlichen, kulturellen oder politischen Grundlagen ist seine Art eines Glaubensbekenntnisses. Der Republikaner, der buchstäblich mit dem Hammer regiert und im Weißen das Tafelsilber zerschlägt, ist alles andere als ein Geist, dem die Worte Demut und Mitmenschlichkeit und Nächstenliebe in das Herz gelegt sind. Trump ist ein Neoliberaler. Er setzt auf eine Marktwirtschaft, die nicht den Armen und Schwachen dieser Welt dient, sondern jene noch reicher macht, die es ohnehin schon sind. Trump polarisiert und sein Dämon bringt eine Kraft hervor, die ihn in all seiner Radikalität und Unberechenbarkeit, in seiner egomanen Kleingeistigkeit und der Unfähigkeit des Verzeihens als einen Menschen kennzeichnet, dem Seelenruhe, Gleichmut und Apatheia Fremdwörter sind und bleiben. Statt auf Versöhnung setzt er auf Konfrontation, statt auf Liebe schwingt er unentwegt Hasspredigten, statt zu verzeihen, wütet er bei jeder Kritik an seiner Person.
Dagegen kommt mit dem neuen Papst Leo XIV. ein Mann auf dem Papstthron, der die Seelsorge sich in das weite Herz geschrieben hat, der sich für die Ärmsten und Schwächsten interessiert, dem es ein innerstes Anliegen ist, die Menschen – nicht nur in Nord- und Mittelamerika – miteinander zu verbinden, sondern ihnen eine Zukunft zu schenken, die diese oft nicht haben. Der ehemalige Kardinal Robert Francis Prevost OSA. plädiert für eine dienende Kirche, die sich von den Bedürfnissen der Menschen leiten lässt. Für ihn ist die Kirche kein Selbstzweck. Sie ist der lebendige Leib Christi für eine Welt, die sucht, leidet und hofft.
„America First“, ob in Washington oder Rom, die Welt ist alle Fälle seit heute wieder deutlich amerikanischer geworden. Vielleicht mag der neue Pontifex seinen Landsmann, einige christliche Tugenden zu vermitteln, die Trump aus seiner Welt der Oberflächlichkeit, der Selbstüberschätzung und seiner Egozentrik herausführen, um dem Selfmade-Milliardär einen Hauch mehr Menschlichkeit zu schenken. Mit Leo XIV. hat Amerika einen Staatsmann, der zwar nicht aus den USA heraus regiert, aber das Oberhaupt von 1,4 Milliarden Katholiken weltweit ist. Während im Weißen Haus ein Spalter regiert, so im Vatikan nun ein Versöhner, einer, dem es um das Wohl der gesamten Menschheit geht. Amerika bleibt, was es seit langer Zeit ist, ein Land, zerrissener denn je. Von Stefan Groß-Lobkowicz.
Mit der Wahl von Robert Francis Prevost O.S.A. zum Papst am 8. Mai 2025 hat das Kardinalskollegium nicht nur einen Bruch mit der geografischen Tradition vollzogen, sondern auch einen Mann ins Petrusamt berufen, dessen Werdegang exemplarisch für eine zunehmend globale und interkulturell ausgerichtete Kirche steht. Als erster US-Amerikaner auf dem Stuhl Petri wählte er den Namen Leo XIV. – ein bewusst klassischer Titel, der Kontinuität signalisiert, aber auch auf eine der größten papstgeschichtlichen Figuren verweist: Leo der Große (440–461), der als Verteidiger der kirchlichen Ordnung und Vordenker des Primatsgedankens in die Geschichte einging.
Biografie: Ein Leben zwischen Wissenschaft, Seelsorge und Weltkirche
Robert Francis Prevost wurde am 14. September 1955 in Chicago (Illinois) geboren, einer Stadt mit starker katholischer Prägung und hoher ethnischer Diversität – eine Erfahrung, die sein Weltbild von früh an beeinflusste. Seine familiären Wurzeln reichen nach Italien, Frankreich und Spanien, was sein interkulturelles Empfinden ebenso prägte wie seine spätere Berufung zum Ordensleben.
Nach einem Bachelorstudium der Mathematik an der Villanova University (1977) trat er in den Orden der Augustiner-Eremiten ein. Die Spiritualität des heiligen Augustinus – mit ihrer Betonung von Gemeinschaft, Innerlichkeit und intellektuellem Ringen um Wahrheit – sollte zu einem prägenden Motiv seiner Theologie werden. 1981 legte er seine ewigen Gelübde ab.
Er absolvierte seine priesterliche Ausbildung an der Catholic Theological Union in Chicago, wo er einen Master of Divinity erwarb. Darauf folgte ein weiterführendes Studium des Kirchenrechts an der Päpstlichen Universität Heiliger Thomas von Aquin (Angelicum) in Rom, wo er sowohl ein Lizenziat als auch die Promotion (Dr. iur. can.) erlangte – eine seltene Kombination pastoraler und rechtlicher Kompetenz, die ihn später für höchste Kurienaufgaben qualifizierte.
Pastorale Erfahrung und internationales Profil
Nach seiner Priesterweihe im Jahr 1982 wurde Prevost als Missionar nach Peru entsandt. In der Andenregion wirkte er in pastoralen, akademischen und ordensinternen Funktionen – u. a. als Novizenmeister, Provinzprior und Dozent für Kirchenrecht. Die mehr als zehn Jahre in Lateinamerika gelten als prägend für seine Option für eine „arme Kirche für die Armen“ – ein Anliegen, das er mit Papst Franziskus teilt.
Im Jahr 2001 wurde er zum Generalprior des Augustinerordens mit Sitz in Rom gewählt. Während seiner zwölfjährigen Amtszeit leitete er den Orden weltweit – ein Amt, das sowohl Führungsstärke als auch ein hohes Maß an Diplomatie erforderte. Der Wechsel von einem südamerikanischen Missionskontext in das Herz der römischen Weltkirche markierte für Prevost eine entscheidende Weggabelung.
2015 ernannte ihn Franziskus zum Bischof von Chiclayo (Peru). Acht Jahre später folgte der Aufstieg in die höchste Riege der Kurie: 2023 wurde Prevost zum Präfekten des Dikasteriums für die Bischöfe ernannt – eine zentrale Schaltstelle, wenn es um die Auswahl und Überwachung des Episkopats weltweit geht. Im selben Jahr wurde er in den Kardinalsstand erhoben.
Theologisches Profil: Einheit, Dienst und Dialog
Prevost’ theologisches Denken ist von Augustinus, aber auch von der befreiungstheologisch sensibilisierten Praxis Lateinamerikas geprägt. In ihm vereinen sich zwei Strömungen, die innerhalb der Weltkirche oft gegeneinander ausgespielt werden: die Lehre der westlichen Theologieschulen und das konkrete Evangelium in den „Rändern der Welt“.
Zentral für seine Theologie ist der Begriff der Einheit in Christus. Sein Wahlspruch „„Nos multi in illo uno unum – In diesem einen (Christus) sind wir viele eins“ verweist auf eine Kirche, die sich nicht über administrative Einheit oder doktrinäre Homogenität definiert, sondern über das gemeinsame Leben aus dem einen Herrn. Diese Theologie der Einheit – als gelebte Communio – prägt sowohl sein Verständnis von Kirchenführung als auch seine Haltung zur Synodalität.
In Interviews äußerte er mehrfach eine kritische Distanz zur Klerikalismus-Kultur: „Ein Bischof darf kein kleiner Fürst sein, der in seinem Königreich sitzt.“
Prevost plädiert für eine dienende Kirche, die sich von den Bedürfnissen der Menschen leiten lässt – und nicht von institutioneller Selbsterhaltung. Dabei verbindet er pastorale Demut mit institutioneller Verantwortung.
Prevost ist theologisch durch die augustinische Spiritualität geprägt, insbesondere durch das Ringen um die Einheit der Kirche in Christus. Sein Wahlspruch „In illo uno unum“ („In dem Einen sind wir eins“) verweist auf Joh 17,21 und legt eine klare theologische Stoßrichtung offen: Die Kirche als Communio, die nicht auf Uniformität, sondern auf Christus-zentrierter Versöhnung gründet.
Er steht für eine ekklesiologische Hermeneutik der Demut, die Macht als Dienst versteht und das pastorale Amt in der Nachfolge Christi nicht als Herrschaft, sondern als Hirtendienst begreift.
Erster öffentlicher Auftritt: Zeichen der Kontinuität und Konzentration
Als Leo XIV. auf die Benediktionsloggia des Petersdoms trat, lag Spannung über dem Petersplatz: ein Papst aus Nordamerika – ein historischer Bruch mit dem eurozentrischen Bild des Pontifikats. Doch Prevost nutzte seinen ersten öffentlichen Auftritt nicht für programmatische Revolutionen, sondern für einen klaren, ruhigen Appell an die Kirche.
„Der Friede sei mit euch allen! Liebe Brüder und Schwestern, dies ist der erste Gruß des auferstandenen Christus, des Guten Hirten, der sein Leben für die Herde Gottes hingegeben hat. Auch ich wünsche mir, dass dieser Friedensgruß in eure Herzen eingeht, eure Familien erreicht, alle Menschen, wo immer sie auch sind, alle Völker, die ganze Erde. Der Friede sei mit euch! Dies ist der Friede des auferstandenen Christus, ein unbewaffneter und entwaffnender Friede, demütig und beharrlich. Er kommt von Gott, dem Gott, der uns alle bedingungslos liebt. Wir hören noch immer die schwache, aber stets mutige Stimme von Papst Franziskus, der Rom segnete, der Papst, der Rom segnete, der an jenem Ostermorgen der Welt, der ganzen Welt seinen Segen gab. Gestattet mir, an diesen Segen anzuknüpfen: Gott liebt uns, Gott liebt euch alle und das Böse wird nicht siegen! Wir alle sind in den Händen Gottes. Lasst uns daher ohne Angst, Hand in Hand mit Gott und miteinander, weitergehen! Wir sind Jünger Christi. Christus geht uns voran. Die Welt braucht sein Licht. Die Menschheit braucht ihn als Brücke, um von Gott und seiner Liebe erreicht zu werden. Helft auch ihr uns, und helft einander, Brücken zu bauen, durch den Dialog, durch die Begegnung, damit wir alle vereint ein einziges Volk sind, das dauerhaft in Frieden lebt. Danke, Papst Franziskus! Ich möchte auch allen meinen Mitbrüdern, den Kardinälen, danken, die mich zum Nachfolger Petri gewählt haben, damit wir zusammen als geeinte Kirche unterwegs sind, stets auf der Suche nach Frieden und Gerechtigkeit, stets darauf bedacht, als Männer und Frauen zu arbeiten, die Jesus Christus treu sind, ohne Furcht, um das Evangelium zu verkünden, um Missionare zu sein. Ich bin ein Sohn des heiligen Augustinus, ein Augustiner, und dieser sagte: „Mit euch bin ich Christ, für euch bin ich Bischof.“ In diesem Sinne können wir alle gemeinsam auf jene Heimat zugehen, die Gott uns bereitet hat. Ein besonderer Gruß an die Kirche von Rom! Wir müssen gemeinsam nach Wegen suchen, wie wir eine missionarische Kirche sein können, eine Kirche, die Brücken baut, den Dialog pflegt und stets offen ist, alle mit offenen Armen aufzunehmen, so wie dieser Platz, alle, alle die unseres Erbarmens, unserer Gegenwart, des Dialogs und der Liebe bedürfen.“
In bewusst schlichter Sprache verband er Theologie mit einer Botschaft an die Gläubigen weltweit. In einem Zeitalter zunehmender Kirchenaustritte, Plarisierung und Vertrauenskrisen erscheint diese Rückbesinnung auf die geistliche Dimension als starkes Signal.
Ein Papst der Synthese? Ausblick und Bedeutung
Wird Leo XIV. ein „Übergangspapst“ sein – gewählt, um Stabilität zu garantieren – oder ein Papst der Reform durch Konsensbildung? Die Zeichen stehen auf Zweiteres. Mit seiner Fähigkeit, Spannungen zu moderieren, Reformprozesse theologisch abzusichern und die Kirche nicht zu spalten, sondern zu integrieren, könnte er ein Pontifikat prägen, das die Polarisierungen der vergangenen Jahre überwindet.
In der Verbindung aus Ordensspiritualität, lateinamerikanischer Erfahrung, kurialer Weitsicht und theologischer Besonnenheit liegt möglicherweise das spezifische Charisma von Leo XIV. Ob es ihm gelingt, dieses Potenzial in eine weltkirchliche Vision zu übersetzen, wird sich in den kommenden Monaten und Jahren zeigen.
Die Wahl von Leo XIV. markiert einen möglichen Neuaufbruch in einer multipolaren Kirche. Als Amerikaner mit lateinamerikanischer Seelsorgeerfahrung, ordensbasierter Theologie und römischer Kurienkompetenz bringt er Voraussetzungen mit, die ihn zum Brückenbauer prädestinieren. Ob sein Pontifikat zu einer Phase der Konsolidierung oder einer vorsichtigen Öffnung führt, wird maßgeblich davon abhängen, wie er die Spannung zwischen Traditionsbindung und Reformwunsch balancieren kann.
Eines scheint sicher: Papst Leo XIV. wird die Kirche in einer Zeit führen, die gleichermaßen von Umbrüchen, globalen Herausforderungen und der Suche nach geistlicher Vergewisserung geprägt ist.