Supertalent aus Kanada in München: Barbara Hannigan – Außer Rand und Band

Barbara Hannigan

Ein Konzert, wie kein anderes. Schon das Publikum in der Philharmonie am Münchner Gasteig: ungewöhnlich gut aufgelegtes, diszipliniertes, erfrischendes, gemischtes Schul-Volk, extra „Jugendkonzert“. Dann aber das Podium: das am Vortag bereits mit selbigem Programm gut eingestimmte Orchester der Münchner Philharmoniker. Zu Beginn im Volldunkel sitzend, lässt es seinen Soloflötisten Herman van Kogelenberg Debussys „Syrinx“ blasen, von einer Technikempore links oben. Zauberhaft abgefangene Klänge. Zart und beruhigend. Nach wenigen Minuten schon, leider, vorbei.

Nun aber: Licht an! Das Orchester erwartet – nicht seinen Chef, gar keinen Mann, sondern eine Frau. Barbara Hannigan, die energiegeladene Kanadierin mit der ungewöhnlichen Doppel-Begabung der singenden Dirigentin. Beide Talente wirft sie, feenhaft wallendes langes Haar, wehendes hauchdünnes schwarzes Flocken-Kleid, von nun an beschwörend, berauschend, begeisternd in die Waagschale. Die jungen Zuhörenden hat die Powerfrau im Nu für sich und ihre eigenwillige Musik-Auswahl gewonnen, unterstützt von einem Moderator verdammt gewinnender Noblesse und intelligenter Geschmeidigkeit namens Malte Arkona. Kein Wunder, dass der Kerl, ständig mit Mikro das Publikum vor laufender Handkamera provozierend, dreifacher ECHO-Klassik-Preisträger war.

Beide, Arkona und Hannigan, schmeißen den Laden an diesem Abend so souverän wie aufgekratzt, lassen es mit Werken von Sibelius („Luonnatar“ für Sopran und Orchester), Haydn (Symphonie Nr. 96 D-Dur), Schönberg (Streichorchester-Fassung des op. 4 „Verklärte Nacht“) und schließlich, Alleluja!, George Gershwin (Suite aus „Girl Crazy“) krachen. Ausnahme vielleicht die Haydn-Symphonie, der Hannigan am Pult zu viel Action einhauchte. Ganz wunderbar aber die drei Gershwin-Songs, die die Sopranistin so blitzgescheit wie stimmlich überragend rüberbrachte, dass der Konzertsaal außer Rand und Band geriet. Sowas gab`s noch nie. Sowas darf`s öfters geben. „Yeah“!

Foto: Supertalent aus Kanada in München: Barbara Hannigan, singende Dirigentin

Über Hans Gärtner 456 Artikel
Prof. Dr. Hans Gärtner, Heimat I: Böhmen (Reichenberg, 1939), Heimat II: Brandenburg (nach Vertreibung, `45 – `48), Heimat III: Südostbayern (nach Flucht, seit `48), Abi in Freising, Studium I (Lehrer, 5 J. Schuldienst), Wiss. Ass. (PH München), Studium II (Päd., Psych., Theo., German., LMU, Dr. phil. `70), PH-Dozent, Univ.-Prof. (seit `80) für Grundschul-Päd., Lehrstuhl Kath. Univ. Eichstätt (bis `97). Publikationen: Schul- u. Fachbücher (Leseerziehung), Kulturgeschichtliche Monographien, Essays, Kindertexte, Feuilletons.

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