Todesgefahr für Journalisten – Die EU wird immer gefährlicher

Rote Ampel in Italien, Foto: Stefan Groß

Der Deutsche Journalisten-Verband (DJV) ruft anlässlich des ersten Todestages von Daphne Caruana Galizia zu einer Schweigeminute am 16. Oktober um 12 Uhr auf. An diesem Tag vor einem Jahr wurde die maltesische Journalistin Opfer eines Bombenattentats. Auch in anderen EU-Ländern leben Berichterstatter zunehmend in Gefahr.

– Früher glaubte man, das nur aus diktatorischen Staaten oder aus Russland zu kennen: missliebige Journalisten werden einfach ausgeschaltet. Genickschuss. Tod im Fahrstuhl. Autounfall.

Nun hat die tödliche Einschüchterung von Presseleuten uns erreicht. Drei Journalistenmorde in einem halben Jahr. Auf Gebiet der Europäischen Union. Bislang war das undenkbar.

Drei Tote in weniger als einem Jahr sind zu beklagen. Auf Malta wurde die Enthüllungsjournalistin Daphne Caruana Galizia (52) mit ihrem Auto in die Luft gesprengt – Hintermänner: angeblich unauffindbar. In der Slowakei starb Ján Kuciak (27) in seiner Wohnung durch Schüsse in Brust und Kopf. Seine unbeteiligte junge Verlobte fand gleichfalls den Tod – Mörder gefunden, Auftraggeber unbekannt.

Und nun Bulgarien: Viktoria Marinowa (30) starb durch Schläge auf den Kopf und Ersticken. Auch wenn es inzwischen scheint, dass die 30jährige aus sexuellen Gründen ihr Leben lassen musste – die Verunsicherung bei den Medien in Bulgarien ist groß. Das Land trägt auf der Pressefreiheits-Skala von Reporter ohne Grenzen (RoG) unter den EU-Staaten die rote Laterne und liegt weltweit auf Platz 111. Grund: die Medien in der Balkanrepublik sind weitgehend im Besitz politisch interessierter Unternehmer. Selbstzensur ist in Redaktionsstuben weit verbreitet.

Um Journalisten in Europa zum Schweigen zu bringen, braucht es natürlich nicht immer des Mordes. Es gibt andere abgestufte Methoden. So, wie massive Verbalangriffe durch Politiker: Anfeindungen, Beschimpfungen und juristische Schritte.

In Italien müssen laut RoG zehn Journalisten, die auf Mafia-Themen spezialisiert sind, rund um die Uhr von der Polizei geschützt werden. Enthüllungsreporterin Marilú Mastrogiovanni aus Puglia bekomme Morddrohungen.

In Ungarn beschuldigte Regierungschef Viktor Orbán den US-Mäzen George Soros, unabhängige Medien zum Zwecke zu fördern, sein Land „in Misskredit“ zu bringen.

Präsident Milos Zeman, Slowakei, führte neben Russland-Machthaber Wladimir Putin stehend eine Kalaschnikow-Nachbildung mit der Gravur „Journalisten“ vor.

Der damalige Premierminister Robert Fico, Slowakei, nannte Berichterstatter des Zeitgeschehens „schmutzige antislowakische Prostituierte“ .

Äußerungen wie diese heizen die gesellschaftliche Atmosphäre gegen Medien auf.  RoG listet ähnliche Vorgänge in Österreich, Spanien und Frankreich auf. Auch Deutschland ist nicht immun. Der von extrem Rechten skandierte Rufe „Lügenpresse“ in breiten Kreisen salonfähig geworden – befeuert vom unseligen Trump’schen Kampfbegriff „FakeNews“.

Die permanente Dauerbeschallung wirkt. Viele Menschen glauben tatsächlich an eine große mediale Verschwörung. „Glaubt jemand allen Ernstes, eine Zeitung, die sich auf dem freien Markt der Waren und Ideen behaupten will, könnte sich erlauben, ständig Lügengeschichten zu drucken?“ fragt der deutsch-amerikanische US-Kulturkorrespondent der Welt und Buchautor Hannes Stein ungläubig. Die Antwort: ja. Der ganze Berufsstand steht unter Flunkergeneralverdacht.

Die Hemmschwelle, die Pressefreiheit als ein ehernes Gebot der Demokratie zu respektieren, die Pressefreiheit, zu negieren, ist in der europäischen Öffentlichkeit stark gestiegen. Pöbeleien, tätliche Angriffe oder zugesperrte Locations sind selbst für Lokaljournalisten nicht fremd. Hier in Deutschland erheben ausgerechnet diejenigen am lautesten den Vorwurf von „Gleichschaltung“, die den Bundestag schon mal dazu anstiften wollten, journalistische Texte wie in den Stilen staatlicher Zensur zu missbilligen – die Krakeeler verwechseln sich mit den Überbringern schlechter Nachrichten.

An sich ist die Pest der Presseprügelei nicht neu – das gabs immer. Schon Napoleon soll gesagt haben: „Ich fürchte drei Zeitungen mehr als tausend Bajonette.“ Bismarck sah in Journalisten kriecherische Gestalten, weshalb er einen „Reptilienfonds“ anlegte, mit dem willfährige Schreiberlinge heimlich Pressekampagnen lostraten, die 1870 zur Auslösung des deutsch-französischen Krieges führten. „Der Presseeinfluss auf die Masse ist der weitaus stärkste und eindringlichste, da er nicht vorübergehend, sondern fortgesetzt zur Anwendung kommt,“ wusste Adolf Hitler 1925 in „Mein Kampf“.

Aaaber: Heute müssen wir in Europa aufpassen, dass „die Medien“ nicht wieder als Büttel der Mächtigen missbraucht werden. So, wie auch in Polen. Journalisten haben dort in einer Atmosphäre der Gleichschaltung kaum noch die Möglichkeit, frei und unbefangen über regierungskritische Themen zu berichten.

Die ungehinderte Arbeit von Medien ist unverzichtbare Grundvoraussetzung für Demokratie, Freiheit und Rechtstaatlichkeit. Sie muss besonders gehütet werden. Und sie muss verteidigt werden. Bei uns. In der Europäischen Union. Weltweit.

Ich schlage vor:

Verbrechen gegen die und Behinderungen der Pressefreiheit in der EU müssen von den EU-Institutionen und den nationalen Behörden unabhängig und zügig aufgeklärt und geahndet werden.

Nationale Gesetze, die Medien behindern, müssen aufgehoben werden.

Verbale Schmutzkampagnen, die die Legitimität von Medien in Frage stellen, sind zu unterbinden.

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