So gefährlich ist die Handystrahlung – Die Mobilfunkforschung vor Gericht

Rechtsprechung, die sich an den Interessen der Politik orientiert, gefährdet die Rechtsstaatlichkeit in Deutschland

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Zusammenfassung 

In der gerichtlichen Auseinandersetzung zwischen Professor Franz Adlkofer, dem Kläger, und der Süddeutschen Zeitung (SZ), der Beklagten, geht es um die Frage, ob die Ergebnisse der europäischen REFLEX-Studie, die der Kläger von 2000 bis 2004 koordiniert hat, inzwischen reproduziert und damit bestätigt sind. Die REFLEX-Studie hat gezeigt, dass elektromagnetische Felder, darunter auch die Mobilfunkstrahlung, in isolierten menschlichen Zellen unter anderem Genschäden verursachen können. Die Beklagte veröffentlicht am 12.07.2011 in Zusammenarbeit mit einem Lobbyisten der Mobilfunk­industrie einen Artikel mit dem Titel „Daten zu Handygefahr unter Verdacht“. Darin wird behauptet, dass die Ergebnisse der REFLEX-Studie „so“ allerdings nie von anderen Labors reproduziert werden konnten. Dieser Satz ist wahrheitswidrig, weil die Ergebnisse unter Verwendung verschiedener Methoden, aber auch mit derselben Methode wie in der REFLEX-Studie, inzwischen bestätigt worden sind. Für den Kläger ist deshalb das Wörtchen „so“ eine bedeutungslose journalistische Floskel, mit der die wahre Absicht der Beklagten, mit dem Artikel die REFLEX-Ergebnisse als fragwürdig darzustellen, verschleiert werden soll. Nach Auffassung der Beklagten ist der Satz mit dem Wörtchen „so“ jedoch wahr und die Frage, ob die REFLEX-Ergebnisse richtig oder falsch sind, gar nicht betroffen, da sich das „so“ ausschließlich auf die Methodik der Reproduktion der Ergebnisse bezieht. Dass mit dem streitgegenständlichen Artikel die REFLEX-Ergebnisse insgesamt in Zweifel gezogen werden, vermag die Beklagte nicht zu erkennen. 

Das Landgericht Hamburg sieht wie der Kläger in dem angegriffenen Satz ein Täuschungsmanöver der Beklagten, mit dem die offensichtliche Absicht, die Ergebnisse der REFLEX-Studie in Misskredit zu bringen, verdeckt werden soll. Die bisherige ausschließlich negative Berichterstattung der Beklagten über die REFLEX-Studie lässt eine andere Erklärung überhaupt nicht zu. Nach Auffassung des Landgerichts kann bei den Lesern des Artikels nur der Eindruck entstehen, dass auf die REFLEX-Ergebnisse wohl kein Verlass ist. Am 10.01.2013 verurteilt es die SZ auf Unterlassung der Behauptung, dass die Ergebnisse der REFLEX-Studie so allerdings nie von anderen Labors reproduziert werden konnten. Das nach Meinung der SZ entscheidende Wörtchen „so“ ignoriert das Landgericht mit der Begründung, dass der Sinngehalt des Artikels mit und ohne dem „so“ derselbe ist. Den Lesern wird nämlich nirgendwo im Text vermittelt, dass es bei verschiedenen Studien Unterschiede in der Methodik gegeben hat. Ihnen kann sich folglich die Frage, ob die mit der REFLEX-Studie veröffentlichten Ergebnisse unter Anwendung eines identischen Versuchsaufbaus reproduziert worden sind oder nicht, überhaupt nicht stellen. Am 18.01.2013 legt die Beklagte gegen das Urteil des Landgerichts Berufung ein.

Am 23.04.2019, sechs Jahre später, findet vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht Hamburg die Anhörung der Parteien statt. Der anwaltliche Vertreter der Beklagten erklärt zu Beginn unaufgefordert und wie auf Bestellung: „Die Süddeutsche Zeitung wollte nicht und will nicht behaupten, dass die Ergebnisse der REFLEX-Studie falsch seien. Noch weniger wollte oder will sie behaupten, dass Franz Adlkofer ein Fälscher sei.“ Des Klägers Vorschlag, auf der Grundlage dieser Erklärung das Verfahren mit einem Vergleich zu beenden, wird zurückgewiesen. Diese vermutlich bestellte Ehrenerklärung, die – wie sich später herausstellt – zur Absicherung des Urteils benötigt wird, beruht jedoch auf einem Missverständnis. Sowohl die Beklagte als auch das Oberlandesgericht gehen davon aus, dass die Studien aus der Medizinischen Universität Wien, die sie als gefälscht ansehen und von der Ehrenerklärung ausgeschlossen haben, nicht zur REFLEX-Studie gehören, obwohl sie zentraler Bestandteil der REFLEX-Studie sind. Die deshalb unehrlich gewordene Ehrenerklärung tut trotzdem ihre Wirkung. Der Vorsitzende Richter weist zum Abschluss darauf hin, dass der Senat nach der Vorberatung dazu neigt, Franz Adlkofers von der Beklagten bestrittene Erkennbarkeit und Betroffenheit zu bejahen. Möglicherweise kommt es darauf aber überhaupt nicht an, weil die angegriffene Äußerung nicht mit einem Verbot belegt werden kann.

Am 04.07.2019 hebt das Hanseatische Oberlandesgericht das Urteil des Landgerichts auf und weist Professor Franz Adlkofers Klage ab. Die Beklagte darf weiter verleumden. Das Oberlandesgericht erklärt als prozessual unstreitig, dass die REFLEX-Ergebnisse – wie von der Beklagten behauptet – „so“ „von anderen Labors“ bisher nicht „reproduziert“ worden seien und dass es keine Studie gebe, die mit identischer Methodik die gleichen Ergebnisse aufweist. Um zu dieser Auffassung zu gelangen, muss das Oberlandesgericht allerdings allen Überlegungen aus dem Weg gehen, die es daran gehindert hätten, den Vorgaben der Beklagten zu folgen. Dies betrifft (1) die beweisunterlegten Ausführungen des Klägers, dass die REFLEX-Ergebnisse von mehreren Labors mit verschiedenen Methoden, von zumindest zweien aber auch genauso wie in der REFLEX-Studie reproduziert worden sind, (2) die aufgrund des landgerichtlichen Urteils anzunehmende Mehrdeutigkeit des Satzes „… Die Ergebnisse konnten so allerdings nie von anderen Labors reproduziert werden. …“, der als eindeutig angesehen wird, da sonst das Urteil zu Gunsten des Klägers ausgefallen wäre, und (3) die insgesamt negative Berichterstattung der Beklagten über die REFLEX-Studie, die mit der vom 12.07.2011 lediglich fortgesetzt wird. 

Was das Hanseatische Oberlandgericht bewogen hat, sein Urteil auf die fast durchwegs wahrheits­widrigen Aussagen der Beklagten zu stützen, kann nur vermutet werden. Einen Hinweis darauf liefern jedoch folgende Zeilen zum Abschluss der Urteilsbegründung: „Auf die [vom Kläger] angebotenen Beweise kommt es daher nicht an. Denn ob die in der REFLEX-Studie festgestellte Schädigung der Gene durch Hochfrequenzstrahlung inzwischen bestätigt sei, kann dahinstehen.“ Wie es aussieht, will das Oberlandes­gericht, koste es, was es wolle, die Aussage vermeiden, dass die Ergebnisse der REFLEX-Studie – wie vom Kläger behauptet – inzwischen reproduziert und damit bestätigt sind. Der Bundesgerichtshof, der die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers nicht zur Entscheidung annimmt, scheint dagegen keine Einwände zu haben. Damit endet der Rechtsstreit, der von 2011 bis 2020 die Justiz durch alle Instanzen beschäftigt hat, mit einem unerwarteten Erfolg der Beklagten. Die wirklichen Sieger in dieser Auseinander­setzung sind jedoch Politik und Mobilfunkindustrie, die weiterhin von der Justiz unwidersprochen behaupten können, dass die Mobilfunkstrahlung harmlos ist. Vieles spricht deshalb dafür, dass im vorliegenden Fall die Justiz zur Verteidigung von Interessen der Politik eingeschaltet worden ist. Sollte dies tatsächlich zutreffen, verletzte das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts die Rechtsstaatlichkeit in Deutschland. 

Vorgeschichte, Verlauf und Ausgang des Prozesses

In dem am 12.07.2011 in der Süddeutschen Zeitung (SZ) erschienenen Artikel mit dem Titel Daten zu Handygefahr unter Verdacht geht es um die Frage, ob die Ergebnisse der von Professor Franz Adlkofer von 2000 bis 2004 geleiteten und von der EU-Kommission mit etwas über zwei Millionen Euro geförderten europäischen REFLEX-Studie inzwischen als gesichert angesehen werden können. Aus dem Abschlussbericht an die EU-Kommission ergibt sich, dass sowohl nieder- als auch hoch­frequente elektromagnetische Felder in isolierten menschlichen und tierischen Zellen vielfältige Wirkungen haben und sogar Genschäden auslösen können [1]. Da hochfrequente elektro­magnetische Felder die Grundlage für die Mobilfunktechnologie darstellen, haben Politik und Mobilfunkindustrie von Anfang Zweifel an der Zuverlässigkeit dieser Ergebnisse angemeldet. Wenn sich allerdings eine angesehene Tageszeitung wie die SZ bei Angriffen auf die REFLEX-Studie besonders hervortut, kann dies wohl nur mit Verwunderung zur Kenntnis genommen werde. 

Gestützt auf zwei falsche Tatsachenbehauptungen und zahlreiche auf Abwertung der REFLEX-Ergebnisse zielende Meinungsäußerungen wird in dem Artikel Daten zu Handygefahr unter Verdacht der Eindruck erweckt, dass den Ergebnissen der REFLEX-Studie wohl nicht vertraut werden könne. Der Artikel ist das gemeinsame Werk von Professor Alexander Lerchl von der Jacobs University Bremen und der Wissenschaftsjournalistin der SZ, Dr. Christina Berndt. Der Inhalt stammt wohl ausschließlich von Alexander Lerchl, der seit 2008 – vermutlich in Abstimmung mit der Mobilfunk­industrie – behauptet, dass die REFLEX-Ergebnisse gefälscht sind. Für die Niederschrift zeichnet Christina Berndt, die offensichtlich ohne jede eigene Recherche aufschreibt, was ihr erzählt wird.

Alexander Lerchl nutzt eine Doktorarbeit an der Charité in Berlin, bezeichnet sie als gefälscht – was sie nicht ist –, ordnet sie der REFLEX-Studie zu – was ebenfalls nicht zutrifft – und schließt von den angeblich gefälschten Ergebnissen der Doktorarbeit auf die nach seiner Meinung ebenfalls gefälschten Ergebnisse der REFLEX-Studie. Offensichtlich versucht er mit dem SZ-Artikel, seiner bislang erfolglosen Kampagne gegen die REFLEX-Studie, mit der er die Entfernung der REFLEX-Publikationen aus der wissenschaftlichen Literatur erreichen möchte, einen neuen Schub zu verleihen. Der wirre Artikel über die REFLEX-Studie wird von der SZ deutschlandweit verbreitet. Dass Alexander Lerchl bei seiner Kampagne ausgerechnet von der SZ unterstützt wird, erscheint nur auf den ersten Blick verwunderlich. Die SZ befasst sich seit Jahren mit der Frage, ob die Mobilfunk­strahlung möglicherweise ein gesundheitliches Risiko für die Handynutzer darstellt, geht dabei in aller Regel jedoch davon aus, dass diese wohl gesundheitlich unbedenklich ist. 

Der Artikel wird zum Anlass einer sich von 2011 bis 2020 hinziehenden gerichtlichen Auseinander­setzung zwischen Professor Franz Adlkofer und der SZ. Franz Adlkofer wirft der SZ  insbesondere zwei Falschbehauptungen vor. Die erste falsche Tatsachenbehauptung betrifft eine an Charité in Berlin entstandene Doktorarbeit, die zu Unrecht der REFLEX-Studie zugeordnet wird. Sie lautet: „Die Arbeit der jungen Ärztin war im Rahmen eines ehrgeizigen Forschungsprojektes entstanden: Die REFLEX-Studie hatte zum Ziel, zwischen Februar 2000 und Mai 2004 mögliche Schädigungen des Erbguts durch Handys zu erforschen.“Dass selbst die simple Erkenntnis, dass die Doktorarbeit gar nicht zur REFLEX-Studie gehört, der Wissenschaftsjournalistin der SZ entgangen ist, ist ein Beleg dafür, dass bei der Vorbereitung des Artikels wohl auf jegliche eigene Recherche verzichtet worden ist. Die zweite falsche Tatsachenbehauptung lautet: „Die Ergebnisse [der REFLEX-Studie] konnten so allerdings nie von anderen Labors reproduziert werden.“ Die SZ behauptet, dass der Satz der Wahrheit entspricht und dass dieses mit dem Wörtchen „so“ verdeutlicht wird. Nach ihrer Auffassung weist das „so“ darauf hin, dass es ausschließlich um die Methodik der Reproduktion der Ergebnisse geht, während die Frage, ob die REFLEX-Ergebnisse richtig oder falsch sind, in dem Artikel gar nicht berührt wird. Franz Adlkofer spricht sie das Recht auf Klage und Betroffenheit schon deshalb ab, weil er in dem Artikel nicht namentlich genannt wird. Für Franz Adlkofer ist das Wörtchen „so“ nur eine journalistische Floskel und seine Verwendung im angegebenen Sinn ein dümmlicher Versuch, mit dem die SZ ihre wahre Absicht, die REFLEX-Ergebnisse als fragwürdig darzustellen, verschleiern will. 

Mit Schreiben seiner Prozessbevollmächtigten vom 22.08.2011 nimmt Franz Adlkofer die SZ förmlich auf Unterlassung in Anspruch. Diese verpflichtet sich dazu strafbewährt allerdings nur bezüglich der ersten Falschbehauptung. Bei der zweiten Fälschbehauptung lehnt sie die Unterwerfung ab. Weil sie jedoch gleichzeitig behauptet, dass es falsch wäre zu schlussfolgern, die umstrittene Aussage stelle die Ergebnisse der REFLEX-Studie in Frage und Franz Adlkofer als Verantwortlichen des Projekts als Fälscher dar, nehmen dessen Prozessbevollmächtigte die SZ beim Wort und unterbreiten ihr einen Vorschlag zur gütlichen Einigung. Demgemäß soll die SZ folgende Klarstellung veröffentlichen: „In der Süddeutschen Zeitung vom 12.07.2011 haben wir unter der Überschrift ‚Daten zu Handygefahr unter Verdacht’ behauptet, dass die Ergebnisse der „REFLEX-Studie“ so nie von anderen Labors reproduziert werden konnten. Hierzu stellen wir klar, dass wir damit nicht die Ergebnisse der „REFLEX-Studie“ in Frage stellen bzw. den Verantwortlichen des Projekts, Herrn Professor Adlkofer, nicht als Fälscher darstellen wollten.“ Für diesen Fall hätte Franz Adlkofer seine Ansprüche nicht weiter­verfolgt. Die SZ lehnt seinen Vorschlag jedoch per Telefax am 05.09.2011 ab. Daraufhin beschließt Franz Adlkofer, die Justiz über den Fall entscheiden zu lassen.

Das Landgericht Hamburg sieht wie Franz Adlkofer in dem angegriffenen Satz „Die Ergebnisse [der REFLEX-Studie] konnten so allerdings nie von anderen Labors reproduziert werden“ ein Täuschungs­manöver der SZ, mit dem die offensichtliche Absicht, die Ergebnisse der REFLEX-Studie in Misskredit zu bringen, verdeckt werden soll, und verurteilt die SZ am 10.01.2013 auf Unterlassung der Behauptung [2]. Die SZ legt gegen das Urteil Berufung ein. Sechs Jahre später, am 04.07.2019 hebt das Hanseatische Oberlandesgericht das Urteil des Landgerichts auf und weist Franz Adlkofers Klage ab. Es erklärt als prozessual unstreitig, dass die REFLEX-Ergebnisse – wie von der SZ behauptet – so von anderen Labors bisher nicht reproduziert worden sind, dass es – wie von der SZ behauptet – keine Studie gibt, die mit identischer Methodik die gleichen Ergebnisse aufweist, und dass – wie von der SZ behauptet – Franz Adlkofer selbst von den Vorwürfen der SZ gar nicht betroffen ist [3]. Da Franz Adlkofer dieses Urteil als Fehlurteil betrachtet, wendet er sich auf Anraten seiner anwaltlichen Vertretung mit einerNichtzulassungsbeschwerde an den Bundesgerichtshof, der den Fall in der Hauptsache jedoch nicht zur Entscheidung annimmt [4].

Die Parteien vor Gericht

In diesem Rückblick auf den Verlauf des Verfahrens wird versucht, die Gründe aufzuzeigen, die den Umgang der Parteien mit der REFLEX-Studie vor Gericht bestimmt haben. Professor Franz Adlkofer unterstellt der SZ, dass sie ihre Leser mit dem streitgegenständlichen Artikel „Daten zu Handygefahr unter Verdacht“ absichtlich falsch über die REFLEX-Studie informiert hat. Er wirft ihr vor, darin ohne eigene Prüfung des tatsächlichen Sachverhalts die Interessen von Politik und Mobilfunkindustrie bedient zu haben. Dagegen behauptet die SZ wahrheitswidrig, dass sie in dem Artikel über einen Fälschungsskandal, der die REFLEX-Studie jedoch nicht betrifft, berichtet und damit ihre öffentliche Aufgabe wahrgenommen hat. Zusätzlich verteidige sie die Pressefreiheit. Franz Adlkofer sieht seine Sicht durch das Urteil des Landgerichts bestätigt, die SZ ihre Sicht durch das Urteil des Hanseatischen Oberlandesgericht. Damit stellen sich zwangsläufig Fragen, die die Rechtsprechung in Deutschland betreffen.

Professor Franz Adlkofer

Franz Adlkofer ist nicht bereit, die Verleumdung der REFLEX-Studie und ihrer Autoren durch die SZ, wie im Artikel „Daten zu Handygefahr unter Verdacht“ in der Ausgabe vom 12.07.2011 geschehen, hinzunehmen. Am 23.04.2012 reicht seine anwaltliche Vertretung beim Landgericht Hamburg Klage wegen irreführender Berichterstattung und Verletzung der Persönlichkeitsrechte ein. Der Artikel betrifft den Kläger, auch wenn er namentlich nicht genannt wird, da er als Koordinator der REFLEX-Studie für ihre korrekte Durchführung verantwortlich gewesen ist. Darüber hinaus ist er Mitautor der im Artikel angegriffenen Publikationen. Der Artikel thematisiert nicht nur einen „Verdacht“ und einen ,,Fälschungsskandal“. Im Beitrag heißt es ausdrücklich, dass Arbeitsergebnisse „manipuliert“ wären, sich Zellaufnahmen als „plumpe Fälschungen“ erwiesen hätten und es Dokumentationen gäbe, welche „nicht den Regeln der guten wissenschaftlichen Praxis“ entsprächen. Diese Fälschungs-vorwürfe sind nicht nur gegen eine Berliner Doktorarbeit gerichtet, sondern sollen vor allem die REFLEX-Studie treffen. Darüber hinaus wird in dem Artikel spekuliert, dass die Tabakindustrie, um von den eigenen Problemen abzulenken, die REFLEX-Studie unterstützt haben könnte. Für die Leser der Beklagten erscheint die REFLEX-Studie damit eingebunden in den Vorwurf strafrechtlich relevanten und moralisch verwerflichen Verhaltens.

Franz Adlkofer verfolgt mit der Klage gegen die SZ zwei unterschiedliche Ziele. Zum einen geht es ihm um die Verteidigung der Ergebnisse der von ihm organisierten und koordinierten europäischen REFLEX-Studie, die in diesem Artikel in Misskredit gebracht wird. Da die Wissenschaft Fälschungs-verdächtigungen in aller Regel hilflos gegenübersteht und die Wahrheit sich – wenn überhaupt – erst im Verlauf von Jahren oder gar Jahrzehnten herausstellt, will er mit gerichtlicher Hilfe den Nachweis führen, dass den gegen die REFLEX-Ergebnisse vorgebrachten Unterstellungen jede Grundlage fehlt. Er vertraut darauf, dass der Justiz aufgrund der Fakten-, Daten- und Rechtslage gar nichts anderes übrigbleibt, als die gegen die REFLEX-Ergebnisse vorgebrachten haltlosen Anschuldigungen zurück­weisen. Zusätzlich geht es ihm um die Verteidigung seines internationalen Forschungskonsortiums, mit dem er die von der EU-Kommission finanzierte REFLEX-Studie von 2000 bis 2004 durchgeführt hat und um seine persönliche Ehre als Wissenschaftler. 

Zum anderen ist ihm aufgefallen, dass die Medien, allen voran die SZ und der Spiegel, bei der Darstellung möglicher gesundheitlicher Risiken der Mobilfunkstrahlung den verharmlosenden Vor­stellungen von Politik und Mobilfunkindustrie in aller Regel weit näherstehen als den warnenden Stimmen der unabhängigen Wissenschaft. Der von ihm als PR-Maßnahme der SZ zu Gunsten der Mobilfunkindustrie angesehene Artikel „Daten zu Handygefahr unter Verdacht“ erscheint ihm geeignet, um im Rahmen einer gerichtlichen Auseinandersetzung die Öffentlichkeit auf diese zwar unheilvolle, aber von ihr kaum wahrgenommene enge Beziehung zwischen den Medien und der Mobilfunkindustrie aufmerksam zu machen. 

Franz Adlkofer erreicht mit seiner Klage gegen die SZ keines seiner Ziele. Zwar bestätigt ihm das Landgericht Hamburg in einem überzeugend begründeten Urteil, dass die Beklagte mit dem Artikel „Daten zu Handygefahr unter Verdacht“ ihre Leser falsch über die REFLEX-Ergebnisse informiert hat. Aber die SZ geht in die Berufung, obwohl deren Erfolgsaussichten nahezu aussichtslos erscheinen. Sie will offensichtlich die schmachvolle Rücknahme ihres irreführenden Artikels unter allen Umständen verhindern. Vor allem will sie jedoch Zeit gewinnen. Sechs Jahre später geschieht tatsächlich ein Wunder. In einem Verfahren, in dem die Wahrheit auf den Kopf gestellt wird, ändert das Hanseatische Oberlandesgericht das Urteil des Landgerichts ab, erklärt die Berufung der Beklagten als zulässig und begründet und weist Franz Adlkofers Klage als unbegründet zurück. Der Klärung der Frage, ob die REFLEX-Ergebnisse als reproduziert und damit als bestätigt angesehen werden können, geht es trickreich aus dem Weg. Statt sich damit zu befassen, macht es sich die nahezu durchwegs wahrheitswidrigen Aussagen der SZ zu eigen. Der Bundesgerichtshof, bei dem Franz Adlkofer auf Anraten seiner anwaltlichen Vertretung Nichtzulassungsbeschwerde einreicht, nimmt diese nicht zur Entscheidung an. 

Süddeutsche Zeitung

Bei dem Artikel „Daten zu Handygefahr unter Verdacht“ handelt es sich um ein journalistisches Bubenstück der SZ, das aus vergleichbaren Fällen herausragt, weil es noch dazu vor Gericht erfolgreich verteidigt werden konnte. Der Versuch, den Artikel mit journalistischen Tricks wie dem Weglassen von Namen und der Verzerrung von Tatsachen rechtlich abzusichern, ist zwar vor dem Landgericht kläglich gescheitert, erweist sich jedoch vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht als äußerst erfolgreich, dies allerdings nur, weil das Gericht es so will. 

  1. Die Argumente, mit denen die SZ ihren Artikel „Daten zu Handygefahr unter Verdacht“ verteidigt, widersprechen den Fakten und damit der Wahrheit.
  1. Die SZ behauptet, die REFLEX-Studie nicht als gefälscht und ihren Leiter nicht als Fälscher verdächtigt oder gar dargestellt zu haben, wovon Franz Adlkofer bei seiner Klage ausgeht. Dass dieser Vorwurf berechtigt ist, ergibt sich aus dem streitgegenständlichen Satz „Die Ergebnisse [der REFLEX-Studie] konnten so allerdings nie von anderen Labors reproduziert werden“. Mit dem Satz wird versucht, die REFLEX-Ergebnisse und ihn als ihren verantwortlichen Koordinator als nicht glaubwürdig darzustellen. Der Satz, der noch dazu wahrheitswidrig ist (siehe dazu b), ist eingebettet in die folgende Textpassage: „Es dauerte nicht lange, bis das Reflex-Projekt beunruhigende Ergebnisse zur Handynutzung präsentierte, die über das bis dahin in Fachkreisen für möglich Gehaltene weit hinaus gingen. Demnach schädige Handystrahlung das Erbgut von Zellen schon weit unterstand der geltenden Grenzwerte. Die Ergebnisse konnten so allerdings nie von anderen Labors reproduziert werden“. Daraus ergibt sich der Sinngehalt des streitgegen-ständlichen Satzes, den die SZ ihren Lesern vermitteln wollte, nämlich dass den REFLEX-Ergebnissen nicht vertraut werden könne. Auf diesem Sinngehalt beruhen Franz Adlkofers Klage und das Urteil des Landgerichts, in dem festgestellt wird, dass der streitgegenständliche Satz rechts­widrig verbreitet worden ist.
  2. Die SZ ist der Ansicht, dass die Sachverhaltsdarstellung des Klägers unrichtig ist, da er nichts daran zu ändern vermag, dass die Ergebnisse der REFLEX-Studie „so allerdings nie von anderen Labors reproduziert werden konnten.“ Der Kläger könne keine Studie vorlegen, die unter den gleichen Bedingungen die gleichen Ergebnisse reproduziert habe. Hierfür bietet die SZ Professor Alexander Lerchl als Zeugen an. Die Behauptung der SZ ist jedoch wahrheits­widrig und ein Beleg dafür, dass sie weder die Klageschrift aus dem Jahr 2012 gelesen noch Franz Adlkofers Vortrag bei der Anhörung vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht am 23.04.2019 zur Kenntnis genommen hat. Die REFLEX-Ergebnisse sind nämlich von anderen Labors nicht nur mit unterschiedlichen Methoden, sondern auch mit derselben Methode wie in der REFLEX-Studie vor der Veröffentlichung des streitgegenständlichen Artikels reproduziert worden. Dafür hat Franz Adlkofer Beweis angeboten. Dies hindert die SZ allerdings nicht, weiterhin zu behaupten, dass die Ergebnisse der REFLEX-Studie „so allerdings nie von anderen Labors reproduziert werden konnten.
  3. Wegen des Wörtchens „so“ im streitgegenständlichen Satz behauptet die SZ, dass es bei dem Streit gar nicht um die REFLEX-Ergebnisse, sondern nur um ein methodisches Detail der REFLEX-Studie geht. Der Satz sei wahr und beziehe sich – so meint sie – ausschließlich auf die Methodik der Reproduktion der REFLEX-Ergebnisse. Die Frage, ob die REFLEX-Ergebnisse richtig oder falsch seien, werde gar nicht berührt. Damit fordert die SZ allen Ernstes, dass der Satz „Die Ergebnisse konnten so allerdings nie von anderen Labors reproduziert werden“ völlig isoliert vom Artikel „Daten zu Handygefahr unter Verdacht“ betrachtet werden müsse. Diese Vorstellung ist nicht nur lebensfremd, sondern rechtsirrig. Bei der Einordung einer Äußerung als Tatsachen­behauptung oder Meinungsäußerung ist nämlich – wie vom Landgericht festgestellt – keine isolierte Betrachtung vorzunehmen, sondern der Kontext, in dem die Äußerung steht, ist bei der Ermittlung des Aussagegehalts zu berücksichtigen. Wie vom Landgericht weiterhin aufgezeigt, ist das Wörtchen „so“ für die Leser des Artikels ohne jede Bedeutung, da der Sinngehalt des Artikels „Daten zu Handygefahr unter Verdacht“ durch das „so“ nicht verändert wird. In dem Artikel wird nämlich nicht vermittelt, dass es bei einzelnen Studien Unterschiede in der Methodik oder im Versuchsaufbau geben kann oder gegeben hat. Die Frage, ob die mit der REFLEX-Studie veröffentlichten Ergebnisse unter Anwendung des gleichen Versuchsaufbaus reproduzierbar waren oder nicht, stellt sich den Lesern des Artikels überhaupt nicht.
  4. Darüber hinaus behauptet die SZ, dass die in dem streitgegenständlichen Artikel an der an der Berliner Charité entstandenen Doktorarbeit und den beiden Wiener Studien geübte Kritik die REFLEX-Studie gar nicht trifft. Ihre Berichterstattung sei klar in drei Teile – Berliner Doktorarbeit – REFLEX-Studie – Wiener Studie – gegliedert. Beim Leser entstehe daher nicht das Verständnis, dass die gegen die Berliner Doktorarbeit und die Wiener Studie erhobenen schwerwiegenden Vorwürfe auch gegen die REFLEX-Studie erhoben werden. „Mangels Betroffenheit des Klägers und mangels des behaupteten Verständnisses des Lesers, die gegen die Berliner Doktorarbeit und die beiden Wiener Studien erhobenen Vorwürfe auch auf die REFLEX-Studie zu beziehen, steht dem Kläger kein Rechtsschutzbedürfnis zur Seite.“ Diese Vorstellung ist schon deshalb falsch, weil die Berliner Doktorarbeit in dem Artikel ja benutzt wird, um die REFLEX-Studie als fragwürdig darzustellen. Das unlösbare Problem der SZ ist jedoch ein anderes: Die behauptete klare Dreiteilung des Artikels ist ebenso wie die behauptete Fälschung der Berliner Doktorarbeit und der Wiener Studien ein Phantasieprodukt, dem jede Grundlage fehlt. Alle diese Fälschungs­behauptungen hat sich die SZ offensichtlich ohne jede eigene Prüfung von Alexander Lerchl aufschwatzen lassen.
  5. Besonders fatal für die SZ ist der Tatbestand, dass sie auch die beiden Studien an der Medizinischen Universität Wien, die sie als gefälscht betrachtet, als Beweis für ihre Behauptung anführt, dass sie gegen die REFLEX-Studie keine Fälschungsvorwürfe erhoben habe. Deshalb müsse – so meint sie – auch des Klägers Versuch misslingen, einen persönlichkeitsrecht-verletzenden Zusammenhang aus den Vorwürfen gegen die Berliner Doktorarbeit und die Wiener Studien herzustellen, weil er als Koordinator der REFLEX-Studie von den Vorwürfen gar nicht betroffen sei. Im Gegensatz zur Berliner Doktorarbeit sind jedoch die Wiener Studien zentraler Bestandteil der REFLEX-Studie. Die gegen die Wiener Studien gerichteten Fälschungs­vorwürfe sind demnach auch gegen die REFLEX-Studie gerichtet. Die Behauptung, dass bei den Lesern der SZ nicht das Verständnis entstehe, die gegen die Wiener Studien erhobenen Vorwürfe würden auch gegen die REFLEX-Studie erhoben, ist ebenfalls lebensfremd. Den Lesern musste sich vielmehr der Eindruck aufdrängen, es sei auf der ganzen Linie bei allen genannten Studien mit Fälschungen gearbeitet worden. Die wiederholt bei Gericht vorgetragenen Ehren­bekundungen der SZ der REFLEX-Studie und ihrem Koordinator gegenüber sind lediglich der Prozesstaktik geschuldet.
  6. Die an der Charité in Berlin entstandene Doktorarbeit wird von der SZ je nach Bedarf benutzt, im Artikel „Daten zu Handygefahr unter Verdacht“ zur Schmähung der REFLEX-Studie und vor Gericht zur Ablenkung von der wahren Intention des Artikels und damit zur eigenen Entlastung. Die Doktorarbeit wird für die Leser des Artikels zu Unrecht als Teil der REFLEX-Studie dargestellt. Im Text heißt es: „Die Arbeit der jungen Ärztin war im Rahmen eines ehrgeizigen Forschungs­projekts entstanden“, nämlich der REFLEX-Studie, die das Ziel hatte, mögliche Schädigungen des Erbguts durch Handys zu erforschen. Die Kritik an der Berliner Doktorarbeit trifft damit zwangsläufig auch die REFLEX-Studie; denn die Leser des Artikels müssen sich die Frage stellen, warum nicht auch die REFLEX-Studie selbst gefälscht sein sollte, wenn schon die dazu gehörige Doktor­arbeit gefälscht ist. Die Falschbehauptung, dass die Doktorarbeit Teil der REFLEX-Studie ist, wird von der SZ zwar noch im Vorfeld der gerichtlichen Auseinandersetzung strafbewehrt zurückgenommen. Da jedoch eine öffentliche Richtigstellung zu keinem Zeitpunkt erfolgt ist, bleibt ihre Wirkung auf die Leser des Artikels unverändert erhalten. Vor Gericht erfüllt die Doktorarbeit einen ganz anderen Zweck. Die SZ verwendet sie, um ihrer wahrheitswidrigen Erklärung, nie behaupten zu wollen, dass die EFLEX-Ergebnisse gefälscht seien und der Kläger ein Fälscher sei, Glaubwürdigkeit zu verschaffen; denn Kritik an der Doktorarbeit – so meint sie nun – könne die REFLEX-Studie doch gar nicht treffen.
  7. Wichtig scheint der SZ auch der Ausschluss der Mehrdeutigkeit des streitgegenständlichen Satzes, weil Mehrdeutigkeit aufgrund der geltenden Rechtslage die sofortige Niederlage vor Gericht zur Folge gehabt hätte. Selbst wenn man vorliegend – so meint sie – eine Mehrdeutigkeit annähme, sei zu berücksichtigten, dass in die klare Aussage, dass keine Studien vorliegen, die identische Methodik oder Ergebnisse aufweisen, nicht die Deutung hineingelesen werden könne, es gebe auch keine vergleichbare Studie. Bei der Heranziehung eines strengen Wahrheits­maßstabs für Tatsachenbehauptungen könne nur die jeweils konkrete Aussage berücksichtigt werden, nicht jedoch Interpretationen oder Umdeutungen. Dass diese Überlegungen in die Irre führen (siehe unter b), weil der streitgegenständliche Satz wahrheitswidrig ist, will die SZ nicht erkennen. 
  • Die Argumente, mit denen die SZ ihren Artikel „Daten zu Handygefahr unter Verdacht“ verteidigt, haben aber auch mit Moral und Ethik des Journalisten zu tun.
  1. Wie locker die SZ vor Gericht mit der Wahrheit umgeht, wenn es ihr vorteilhaft erscheint, ergibt sich aus ihrer folgenden Behauptung: „Bei dem Artikel handelt es sich vielmehr um eine Bericht­erstattung über einen Fälschungsskandal an der Berliner Charité, in dessen Verlauf auch die REFLEX-Studie Erwähnung findet“. Der Fälschungsskandal betrifft eine Doktorarbeit, von der die SZ im streitgegenständlichen Artikel zu Unrecht behauptet, dass sie gefälscht und Teil der REFLEX-Studie ist. Die angeblich gefälschte Doktorarbeit wird von der SZ benutzt, um die REFLEX-Studie zumindest dem Verdacht der Fälschung auszusetzen. Dieser Zusammenhang erscheint geradezu zwingend, weil auch die REFLEX-Studie selbst bereits im Vorfeld des Prozesses von dem  von der SZ als sachverständiger Zeuge vorgeschlagenen Alexander Lerchl als gefälscht bezichtigt worden ist. Mit dem streitgegenständlichen Artikel will die SZ offensichtlich seine Kampagne gegen die REFLEX-Studie unterstützen, die er 2008 vermutlich in Abstimmung mit der Mobilfunk­industrie oder gar in deren Auftrag begonnen hat. Der Moderator des Mobilfunkforums IZgMF äußert sich dazu am 14.10.2012 zutreffend wie folgt: 

Der Streit um die Reflex-Mobilfunkstudien (UMTS, GSM) geht ins fünfte Jahr und schwelt noch immer. Für Prof. Lerchl sind diese Studien gefälscht, für Studienkoordinator Dr. Adlkofer sind sie es nicht. Zwei wissenschaftliche Untersuchungskommissionen (Uni Wien und OeAWI) fällten im Laufe der Jahre Urteile, die keinen der beiden Kontrahenten zum Sieger erklärten. Jetzt hat Dr. Adlkofer den Streit zur Klärung dem Landgericht Hamburg überantwortet. Vordergründig ist sein Prozessgegner eine große deutsche Tages­zeitung, tatsächlich aber geht es um Adlkofer ./. Lerchl. Und auch um Reflex geht es nicht direkt, sondern darum, ob Reflex erfolgreich repliziert werden konnte. Sollte dies vor Gericht festgestellt werden, hat Dr. Adlkofer sein Ziel erreicht. Andernfalls hat er es verfehlt und Prof. Lerchl die Oberhand.

Trotzdem behauptet die SZ, der Vorwurf, der Artikel sei im Rahmen einer wie auch immer gearteten „Kampagne“ oder der Beteiligung an „Versuchen zur Verharmlosung der Mobilfunk­strahlung“ publiziert worden, sei durch nichts belegt. Alexander Lerchl, ihr vom Landgericht übergangener sachverständiger Zeuge, der ihre Aussagen im streitgegenständlichen Artikel bestätigen sollte, wendet sich am 22.10.2012 kurz vor der Urteilsverkündigung unaufgefordert persönlich wie folgt an das Landgericht: „…Nach der Verhandlung und der abzusehenden Entscheidung bitte ich Sie aber nachdrücklich, mich als sachverständigen Zeugen anzuhören und/oder ein schriftliches Gutachten von mir anzufordern. Ich bin als Vorsitzender des Ausschusses „Nichtionisierende Strahlung“ der Strahlenschutzkommission, die das Bundes­umweltministerium berät, mit der Materie vertraut wie wohl kein Zweiter, auch und insbesondere die streitgegenständliche „REFLEX“-Studie betreffend. Unabhängig davon, ob Sie meiner Bitte nachkommen, bitte ich Sie …“

Schon die Tatsache, dass Alexander Lerchl als Nicht-Prozessbeteiligter aus eigenen Stücken von außen in den von Anwälten geführten Rechtsstreit einzugreifen versucht, erscheint beispiellos. Dies gilt um so mehr, als er in seiner Eingabe vom 22.10.2012 den Kläger persönlich angreift, indem er ihm unterstellt, den Professoren-Titel zu Unrecht zu führen. Dann erklärt er dem Gericht genau das, was die SZ vor Gericht bemüht war, nicht als Aussage ihres Artikels erscheinen zu lassen, nämlich, dass auch die REFLEX-Ergebnisse als gefälscht gelten müssten.  

Diese Eingabe ihres Zeugen Alexander Lerchl ist angeblich sogar der SZ peinlich. Aber erst als sie 2015 von seiner rechtskräftigen Verurteilung auf Unterlassung seiner Behauptung, dass die REFLEX-Studie gefälscht ist, erfährt, äußert sie sich –  wiederum wenig glaubwürdig – wie folgt: „Der Kläger bewertet die Rolle von Herrn Professor Lerchl für die Berichterstattung der Beklagten völlig über. Herr Professor Lerchl war einer der Gesprächspartner, mit denen die angeseheneWissenschaftsjournalistin Frau Dr. Christina Berndt im Rahmen ihrer Recherchen für den vorliegenden Beitrag sprach. Er ist ja in der Tat auch einer der Hauptkritiker der REFLEX-Studie. Frau Dr. Berndt hat aber keine „Kampagne“ blind unterstützt, noch hat sie ohne Prüfung des Wahrheitsgehalts oder ohne Eigenrecherche irgendetwas veröffentlicht. Das vom Kläger nunmehrals Anlage K 26 vorgelegte Urteil ist somit für den vorliegenden Rechtsstreit völlig unmaßgeblich.“ 

  • Die SZ verteidigt ihre Berichterstattung über einen Fälschungsskandal, ein sicherlich – wie sie meint – die Öffentlichkeit interessierenden Thema, schlicht als ihre Aufgabe aus Art. 3 des Bayerischen Pressegesetzes. Dieses geht sicherlich davon aus, dass die Berichterstattung in solchen Fällen auf Tatsachen beruht, die wahrheitsgemäß wiedergegeben werden. Im vorliegenden Fall trifft dies nicht zu. Der Bericht ist das Phantasieprodukt eines Lobbyisten der Mobilfunkindustrie, der mit Hilfe der SZ seine ins Stocken geratene Kampagne gegen die von Politik und Mobilfunkindustrie wegen ihres hohen Bekanntheitsgrades als interessensschädigend angesehenen REFLEX-Studie fortsetzen wollte. Die Wissenschaftsjournalistin der SZ, Christina Berndt, hat beim Abfassen dieses einseitigen und tendenziösen Beitrags auf eine eigene Recherche weitgehend verzichtet. Sie hat weder der Verfasserin der Doktorarbeit, noch den Wissen­schaftlern an der Medizinischen Universität Wien, noch dem Kläger als Koordinator der REFLEX-Studie eine Möglichkeit zur Stellungnahme eingeräumt. Dem Kläger, der sie in einem ausführlichen Schreiben auf ihren Irrtum aufmerksam gemacht hat, hat sie als Betroffenem vermutlich aus Voreingenommenheit die Antwort verweigert. 

Nichts wird im Beitrag dann auch in der Sache vorgebracht, was ihre Sicht der Dinge beeinträchtigen könnte, obwohl darüber reichlich Literatur vorhanden ist [5,6]. Dagegen wird die Einseitigkeit des Beitrags noch durch die Verschwörungstheorien um die Tabakindustrie verstärkt. Weil die REFLEX-Ergebnisse im Beitrag mit einem „Fälschungsskandal“ in Verbindung gebracht werden, ist der Kläger als Koordinator des REFLEX-Projekts selbst direkt betroffen. Was die SZ angeht, hätte sie gute Gründe, sich bei ihren Lesern für die Art und Weise, wie sie im vorliegenden Fall ihrer öffentlichen Aufgabe nachgekommen ist, zu entschuldigen – dies nicht zuletzt deshalb, weil ihr inzwischen bekannt ist, dass ihr Informant Alexander Lerchl sogar ein zweites Mal wegen Verleumdung der REFLEX-Studie und ihrer Autoren, nämlich nach 2015 noch einmal 2020, rechtskräftig verurteilt worden ist. Ein Bericht darüber hätte sicherlich nicht gegen das Bayerische Pressegesetz verstoßen, sehr wohl aber gegen die Interessen der SZ.

  • Wie sehr die SZ angeblich davon überzeugt ist, dass der streitgegenständliche Artikel nicht im Widerspruch zur journalistischen Ethik steht, ergibt sich, wenn sie fragt: „Welches Interesse sollte die Beklagte an einer solchen Kampagne oder Beteiligung haben? Es handelt sich bei diesen haltlosen Anschuldigungen ganz offensichtlich allein um den Versuch des Klägers, Stimmung gegen die Beklagte zu machen.“ In der Tat fragt man sich, welches Interesse die SZ damit verfolgt, schon seit Jahren insgesamt negativ und abfällig über die REFLEX-Studie zu berichten. Beim Artikel „Daten zu Handygefahr unter Verdacht“ handelt es sich somit lediglich um die Fortsetzung dieser insgesamt negativen Berichterstattung der SZ über die REFLEX-Studie handelt. Hier einige Beispiele:

21.01.2006 äußerte sich der Ressortleiter Wissen in einem Artikel mit der vielversprechenden Überschrift „Irre Energie“ über die REFLEX-Studie wie folgt:

Ganz oben steht dann meist eine von der EU finanzierte RE­FLEX-Studie. Diese hat tatsächlich im Experiment eine genverändernde Wirkung elektromagnetischer Strahlung festgestellt. Für den Versuch wurde biologisches Zellmaterial in eine Art Mikrowellenofen gespannt. Kein Wissenschaftler dieser Welt bezweifelt, dass sich komplexe organische Moleküle wie die Desoxyribonukleinsäure unter diesen Bedingungen irgend­wie verändern. Was das über Mobilfunk und Menschen aus­sagt, ist allerdings völlig unklar.

In dem am 26.05.2008 in der SZ veröffentlichten Artikel „Handystudien gefälscht“ hieß es: 

Eines der zentralen Argumente der Mobilfunkgegner ist, dass Handystrahlung das Erbgut schädigt. Doch wichtige Studien dazu wurden „fabriziert“ und sollen zurückgezogen werden. 

Dieser Artikel wurde am 17.05.2010 nochmals, diesmal mit folgendem Zusatz, publiziert: 

Der Leiter des Programms, Franz Adlkofer, war zum Helden der Handygegner aufgestiegen.

Darüber hinaus muss der Artikel als Ausdruck einer „mobilfunkfreundlichen“ Grundeinstellung gesehen werden. Seit Jahr und Tag fällt auf, dass die SZ von einigen Ausnahmen abgesehen von einer sachgemäßen Berichterstattung über mögliche gesundheitliche Risiken der Mobilfunk­strahlung wenig hält. Folgende Veröffentlichungen sind Belege dafür: 

  • sueddeutsche.de/gesundheit am 01.02.2007: „Entwarnung für Handynutzer“ (Hanno Charisius)
  • sueddeutsche.de/wissen am 21.10.2011: „Wir erkennen keinen Zusammenhang“
    (Christina Berndt, Autorin des Artikels, der Anlass der Klage ist)
  • sueddeutsche.de/gesundheit am 11.02.2012: „Wie sich mit der Angst vor Elektrosmog Geld verdienen lässt“ (Sebastian Herrmann)
  • Süddeutsche Zeitung vom 11./12.02.2012: „Geschäfte mit der Angst – Die Sorge vor Elektrosmog treibt kuriose Blüten“ (Sebastian Herrmann)

Es scheint für die SZ eben lohnender zu sein, über die Harmlosigkeit der Mobilfunkstrahlung als über ihre möglichen gesundheitlichen Risiken zu berichten. Mit zusammengerechnet 26 Zeitungsseiten Anzeigen von Firmen wie Telekom, Nokia, Siemens und E-Plus wurde sie bereits im März 2001 beglückt, als dort ein Redakteur kündigte, weil ihm ein Artikel über Mobilfunkgeschädigte ohne sein Wissen umgeschrieben wurde [7]. Nichts spricht dafür, dass ihr in den vergangenen 20 Jahren die Gunst der Mobilfunkindustrie entzogen worden ist. Bei deren Marktmacht ist offensichtlich auch die angeblich über alle Zweifel erhabene SZ bereit, dem Berufsethos des Journalismus Zugeständnisse abzuringen. Der Artikel „Daten zu Handygefahr unter Verdacht“ ist ein Beleg dafür. Doch Erbärmlichkeit schmerzt besonders dann, wenn man sie nicht erwartet. 

Landgericht Hamburg

Bei der öffentlichen Sitzung am 19.10.2012 kommt das Landgericht Hamburg zu der Erkenntnis, dass die Absichten, die die Beklagte mit ihrem am 12.07.2011 publizierten Artikel „Daten zu Handygefahr unter Verdacht“ verfolgt, andere sind als sie vorgibt. Eingebettet in eine Fälschungsgeschichte, der – wie sich nachtäglich herausstellt – jede Grundlage fehlt, vermittelt sie ihren Lesern den Eindruck, dass die REFLEX-Ergebnisse nicht vertrauenswürdig sind. Die Behauptung, dass sie wissenschaftlich keine Bestätigung erfahren hätten, da sie „…so allerdings nie von anderen Labors reproduziert werden konnten“, hält das Landgericht für wahrheitswidrig und für das Ansehen des Klägers als Wissen­schaftler abträglich. Das Landgericht rät den Parteien dringend zu einer gütlichen Einigung. Diese könnte der Art aussehen, dass die Beklagte eine einfache Unterlassungsverpflichtung abgibt und sich die Parteien über die Kosten verständigen. Dieser Vergleichsvorschlag wird jedoch von der Beklagten abgelehnt.

In seinem Urteil [3] vom 18.01.2013 erkennt das Landgericht auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 19.10.2012 für Recht: „Die Beklagte wird verurteilt, es unter Androhung eines vom Gericht für jeden Fall der Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes […..] zu unterlassen, zu behaupten und/oder zu verbreiten und/oder behaupten und/oder verbreiten zu lassen: „Die Ergebnisse [der REFLEX-Studie] konnten so allerdings nie von anderen Labors reproduziert werden“ wie in der Ausgabe der Süddeutschen Zeitung vom 12.07.2011 geschehen.“ Die zulässige Klage ist begründet. Das Rechtsschutzbedürfnis des Klägers liegt vor und wird nicht durch die Abgabe einer straf­bewehrten Unterlassungsverpflichtungserklärung beseitigt. Dem Kläger steht der geltend gemachte Unterlassungsanspruch zu, denn die angegriffene Wort- bzw. Bildberichterstattung verletzt sein allgemeines Persönlichkeitsrecht und es besteht Wiederholungsgefahr. Die Behauptung der SZ, dass der Kläger weder zu erkennen sei noch das Recht habe, sich betroffen zu fühlen, weist das Landgericht als unbegründet zurück.

Bei der streitgegenständlichen Äußerung, dem Satz mit dem Wörtchen „so“, handelt es sich nach Auffassung des Landgerichts um eine unwahre Tatsachenbehauptung. Diese ist rechtswidrig. Eine Tatsachenbehauptung liegt vor, wenn eine Äußerung dem Beweis zugänglich ist und sich insbesondere mit dem Kriterium „wahr oder unwahr“ messen lässt. Dies ist hier der Fall. Bei der Einordung einer Äußerung als Tatsachenbehauptung oder Meinungsäußerung ist keine isolierte Betrachtung vorzunehmen, sondern der Kontext, in dem die Äußerung steht, ist bei der Ermittlung des vollständigen Aussagegehalts zu berücksichtigen. Der streitgegenständliche Satz ist eingebettet in die Passage„Es dauerte nicht lange, bis das Reflex-Projekt beunruhigende Ergebnisse zur Handy­nutzung präsentierte, die über das bis dahin in Fachkreisen für möglich Gehaltene weit hinaus gingen. Demnach schädige die Handystrahlung das Erbgut von Zellen schon weit unterhalb der geltenden Grenzwerte. Die Ergebnisse konnten so allerdings nie von anderen Labors reproduziert werden.“ Aus dieser Passage ergebe sich zweifelsfrei, was die SZ ihren Lesern in Wahrheit vermitteln wollte, nämlich dass den REFLEX-Ergebnissen nicht vertraut werden könne. 

Der streitgegenständliche Satz hat – zumindest prozessual – als unwahr zu gelten. An der Verbreitung einer unwahren Tatsache besteht regelmäßig kein schützenswertes Interesse. Bereits die Behauptung, dass die Ergebnisse wissenschaftlich keine Bestätigung erfahren haben, da sie „… so allerdings nie von anderen Labors reproduziert werden“ konnten, ist für den Kläger abträglich, ohne dass es auf die weitere Einbettung der Äußerung im Rahmen der an der Charité entstandenen Dissertation und den Studien der Universität Wien ankommt. Die im Rahmen der Studie erzielten Ergebnisse werden noch dazu dadurch in Frage gestellt, dass die Berichterstattung gefälschte und manipulierte Daten einer Dissertation erwähnt. Von Ergebnissen ist die Rede, die als „ungewöhnlich“, „drastisch“ und „manipuliert“ bezeichnet werden. Und diese Dissertation wird als Teil der Reflex-Studie dargestellt. 

Der streitgegenständliche Satz ergibt nach Auffassung des Landgerichts im Kontext mit dem streit­gegenständlichen Artikel „Daten zu Handygefahr unter Verdacht“ für die Leser des Artikels mit oder ohne das Wörtchen „so“ denselben Sinn, nämlich dass die REFLEX-Ergebnisse durch andere Studien nicht bestätigt worden sind. Den Lesern des Artikels wird nirgendwo im Text vermittelt, dass es bei verschiedenen Studien Unterschiede in der Methodik gegeben hat. Ihnen wird sich folglich die Frage, ob die mit der REFLEX-Studie veröffentlichten Ergebnisse unter Anwendung eines identischen Versuchsaufbaus reproduzierbar waren oder nicht, überhaupt nicht stellen. Bei ihnen kann folglich nur der Eindruck entstehen, dass auf diese Ergebnisse wohl kein Verlass ist. Dafür spricht auch die Tatsache, dass es sich bei dem angegriffenen Artikel lediglich um die Fortsetzung der bisherigen negativen Berichterstattung über die REFLEX-Studie handelt

Auch das Grundrecht der Meinungsfreiheit ist nicht vorbehaltlos gewährt und verlangt eine Abwägung zwischen dem Recht der SZ auf freie Meinungsäußerung und dem Recht der persönlichen Ehre und auf öffentliches Ansehen des Klägers. Die SZ ist aufgrund ihrer Behauptung einer Beweislast über eine negative Tatsache ausgesetzt. Als diejenige, die Behauptungen aufstellt und verbreitet, die geeignet sind, den Betroffenen in der öffentlichen Meinung herabzuwürdigen oder sonst wie seinen sozialen Geltungsanspruch zu beeinträchtigen, muss sie beweisen, dass die Ergebnisse der REFLEX-Studie nicht von anderen Wissenschaftlern reproduziert worden sind. Die SZ hat dieser Darlegungs- und Beweislast nicht genügt. Dagegen konnte Franz Adlkofer auf wissenschaftliche Veröffentlichungen verweisen, die die Richtigkeit der REFLEX-Ergebnisse belegen. Auf die Tatsache, dass darunter auch Studien sind, in denen die Ergebnisse mit genau derselben Methode wie in der REFLEX-Studie reproduziert worden sind, kommt es nach Auffassung des Landgerichts überhaupt nicht an.

Am 20.02.2013 legte die SZ gegen das Urteil des Landgerichts Berufung ein, dies mit der Begründung, dass „die Fortführung des vorliegenden Verfahrens zur Wahrung der für sie streitenden Presse­freiheit unabdingbar“ sei. Im Informationszentrum gegen Mobilfunk (IZgMF) kommentiert Professor Alexander Lerchl, der dem Landgericht von der SZ als sachverständiger Zeuge angeboten, aber nicht berufen worden war, das Urteil kurz und bündig mit dem Satz: „Landgericht Hamburg: das war erst die 1. Instanz.“ Als Lobbyist der Mobilfunkindustrie und Berater des Bundesumwelt-ministeriums geht er offensichtlich bereits 2013 davon aus, dass das Landgericht nicht das letzte Wort haben wird.

Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg

Die Berufungsverhandlung vor dem Hanseatischen Oberlandesgericht am 23.04.2019, knapp sechs Jahre nach dem Urteil des Landgerichts, beginnt mit einem Paukenschlag. Die anwaltliche Vertretung der SZ gibt unmittelbar nach Eröffnung unaufgefordert und wie auf Bestellung zu Protokoll: „Die Beklagte wollte nicht und will nicht behaupten, dass die Ergebnisse der REFLEX-Studie falsch seien. Noch weniger wollte oder will sie behaupten, dass Franz Adlkofer ein Fälscher sei.“ Mit dieser Ehren­erklärung, die zu veröffentlichen sich die SZ vor und während des Prozesses stets geweigert hat, liefert sie dem Gericht die Vorlage für sein Urteil. Wie dieses aussehen wird, kündigt der Vorsitzende Richter zum Abschluss der öffentlichen Anhörung wie folgt an: „Der Senat weist darauf hin, dass er nach der Vorberatung dazu neigt, die Erkennbarkeit und Betroffenheit des Klägers zu bejahen. Möglicherweise kommt es darauf aber gar nicht an, weil die angegriffene Äußerung nicht mit einem Verbot belegt werden kann.“

Wie nach der Anhörung zu erwarten, am 07.06.2019 erkennt das das Hanseatische Oberlandes-gericht in der Sache Prof. Dr. Franz Adlkofer, Kläger und Berufungsbeklagter, gegen Süddeutsche Zeitung GmbH, Beklagte und Berufungsklägerin, auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 23.04.2019 für Recht: 1. Auf Berufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Hamburg vom 18.02.2013 abgeändert. Die Klage wird abgewiesen. 2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen. 3. Das Urteil ist für die Beklagte im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. 4. Die Revision wird nicht zugelassen [4].

Das Urteil wird damit begründet, dass die REFLEX-Studie und der Kläger von dem streit­gegenständlichen Artikel „Daten zu Handygefahr unter Verdacht“ nicht betroffen sind und dass der streitgegenständliche Satz „Die Ergebnisse konnten so allerdings nie von anderen Labors reproduziert werden“ der Wahrheit entspricht. Dass Beides und Einiges mehr, was im Urteil behauptet wird, nicht zutrifft, ergibt sich aus Folgendem:

  1. Wie kommt das Hanseatische Oberlandesgericht zu der Erkenntnis, dass die REFLEX-Studie und Franz Adlkofer vom streitgegenständlichen Artikel „Daten zu Handygefahr unter Verdacht“ gar nicht betroffen sind? 

Der Senat ist der Auffassung, dass durch den streitgegenständlichen Artikel die REFLEX-Ergebnisse nicht als gefälscht und der Kläger nicht als Fälscher dargestellt werden. Um zu diesem Verständnis zu gelangen, verlässt er sich ausschließlich auf die Argumente, die ihm von der Beklagten geliefert werden. Dies sind zum einen die bei der Anhörung am 23.04.2019 wie auf Bestellung abgegebene Ehrenerklärung für die REFLEX-Studie und den Kläger und zum anderen die sich aus ihrem Vortrag ergebende Behauptung, dass Ihre Berichterstattung klar in drei Teile – Berliner Doktorarbeit – REFLEX-Studie – Wiener Studien – gegliedert sei und dass deshalb die darin an der Berliner Doktor­arbeit und den beiden Wiener Studien geübte Kritik die REFLEX-Studie gar nicht treffe. Hinzu fügt sie: „Mangels Betroffenheit des Klägers und mangels des behaupteten Verständnisses des Lesers, die gegen die Berliner Doktorarbeit und die beiden Wiener Studien erhobenen Vorwürfe auch auf die REFLEX-Studie zu beziehen, steht dem Kläger kein Rechtsschutzbedürfnis zur Seite.“ Der Senat stellt auf dieser Grundlage fest: „Zu Recht weist die Beklagte darauf hin, dass die REFLEX-Studie in der streitgegenständlichen Berichterstattung eher am Rand erwähnt wird. Die Berichterstattung im Hinblick auf behauptete Manipulationen an der Berliner Doktorarbeit und an den Studien der Medizinischen Universität Wien steht nicht im Zusammenhang mit den Äußerungen zur REFLEX-Studie.“ Dem Senat ist allerdings entgangen, dass es sich bei der angeblichen Dreiteilung der Berichterstattung um ein reines Phantasieprodukt der Beklagten handelt. Die Wiener Studien sind zentraler Bestandteil der REFLEX-Studie. Die gegen siegerichteten Fälschungsvorwürfe sind demnach auch gegen die REFLEX-Studie gerichtet. Die Ehrenbekundungen der Beklagten vom 23.04.2019 gegenüber der REFLEX-Studie und dem Kläger haben damit ihre Bedeutung verloren. Eigenes Nachdenken hat sich der Senat offensichtlich gänzlich erspart. Sonst wäre ihm nicht entgangen, dass die angeblich gefälschte Berliner Doktor­arbeit in dem SZ-Artikel sogar für jedermann erkennbar als Teil der REFLEX-Studie dargestellt wird. Hätte sich der Senat auch mit den vom Kläger eingereichten Unterlagen befasst, hätte er erfahren, dass es sich bei nahezu allen Behauptungen der Beklagten um frech erfundene Unwahrheiten handelt. Die Aufhebung des Urteils des Landgerichts beruht demnach auf Unwahrheiten.

  • Trifft es – wie das Hanseatische Oberlandesgericht behauptet – zu, dass die Ergebnisse so allerdings nie von anderen Labors reproduziert werden konnten ?

Der Senat macht sich die Behauptung der SZ zu eigen, dass die Ergebnisse der REFLEX-Studie „so allerdings nie von anderen Labors reproduziert werden konnten.“ Dabei geht er zurecht davon aus, dass es sich bei dem streitgegenständlichen Satz um eine Tatsachenbehauptung handelt, die dem Beweis zugänglich ist. „Ob „Ergebnisse so“ „von anderen Labors reproduziert werden“ konnten, bedeutet nach dem Wortsinn, ob andere Labore die gefundenen Ergebnisse so reproduzieren, also wiederholt herstellen konnten.“ Dass dies alles längst geschehen ist, ist dem Senat ebenfalls entgangen. Aus der Klageschrift von 2011 ergibt sich, dass die Reproduktion der REFLEX-Ergebnisse nicht nur mit unterschiedlichen Methoden, sondern – wie vom Senat gefordert – tatsächlich auch „in dieser Form“, „unter gleichen Bedingungen“ bzw. „bei gleichem Versuchs­aufbau“wie in der REFLEX-Studie erfolgt ist. Im Urteil des Landgerichts heißt es dazu: Zudem habe eine andere Forschergruppe an der Medizinischen Universität Wien mit denselben Zellen und denselben Methoden die Ergebnisse der Studie reproduziert, hierfür bietet er [der Kläger] Professor Dr. Mosgöller als sachverständigen Zeugen an. Auch auf einer internationalen Konferenz (EMF Health Risk Research) seien im Oktober 2011 die Ergebnisse der Studie bestätigt worden.“ 

Statt diese Ausführungen zur Kenntnis zu nehmen und sich damit inhaltlich auseinanderzusetzen, übernimmt der Senat die wahrheitswidrigen Behauptungen der Beklagten, der Kläger habe in seinem Prozessvortrag eingeräumt, die Ergebnisse der REFLEX-Studie hätten „so“ nie von anderen Labors reproduziert werden können. In Wirklichkeit hat der Kläger vorgetragen, dass es untaugliche Versuche zur Reproduktion der Ergebnisse mit dem Ziel gegeben habe, diese zu widerlegen, und hinzugefügt, dass diese Versuche gescheitert seien, weil in einem Fall unterschied­liches Zellmaterial verwendet worden sei und im anderen Fall den mit der Reproduktion beauftragten Forschern das erforderliche Können gefehlt habe. Trotzdem ist für den Senat prozessual unstreitig, dass die Ergebnisse „so“ „von anderen Labors“ bisher nicht „reproduziert“ worden sind. Damit hat er einen weiteren Grund, um das Urteil des Landgerichts aufzuheben. 

  • Warum ist der streitgegenständliche Satz Die Ergebnisse konnten so allerdings nie von anderen Labors reproduziert werden“der eigentliche Anlass für Franz Adlkofers Klage gegen die SZ? 

Nach Auffassung des Senats „hat die angegriffene Äußerung: „… Die Ergebnisse konnten so allerdings nie von anderen Labors reproduziert werden …“ nur den Sinngehalt, dass die konkreten Ergebnisse so hätten von anderen Labors nicht reproduziert werden können und nicht, wie der Kläger meint, dass die Ergebnisse der REFLEX-Studie unrichtig seien. Dies widerspricht jedoch dem Sinngehalt des Satzes, der sich aus dem Kontext mit dem streitgegenständlichen Artikel „Daten zu Handygefahr unter Verdacht“ ergibtDer streitgegenständliche Satz ist eingebettet in die Passage: „Es dauerte nicht lange, bis das Reflex-Projekt beunruhigende Ergebnisse zur Handynutzung präsentierte, die über das bis dahin in Fachkreisen für möglich Gehaltene weit hinaus gingen. Demnach schädige die Handystrahlung das Erbgut von Zellen schon weit unterhalb der geltenden Grenzwerte. Die Ergebnisse konnten so allerdings nie von anderen Labors reproduziert werden.“ Im ersten Satz dieser Passage wird der Begriff „Ergebnisse“ auf die Handynutzung bezogen. Der zweite Satz konkretisiert das Attribut „beunruhigende“ dahin, dass Handystrahlung das Erbgut von Zellen schon weit unterhalb der geltenden Grenzwerte schädigt. Der Begriff „Ergebnisse“ im dritten Satz, mithin im streitgegenständlichen Satz, kann im Zusammenhang nur dieselbe Bedeutung haben wie in den beiden vorangehenden Sätzen, dass nämlich die Handystrahlung das Erbgut von Zellen schon weit unterhalb der geltenden Grenzwerte schädigt. Dies ist der tatsächliche Sinngehalt des streitgegenständlichen Satzes, den die Beklagte mit dem streit­gegenständlichen Artikel „Daten zu Handygefahr unter Verdacht“ die Glaubwürdigkeit nehmen wollte wollte. Auf dieser Grundlage beruhen Franz Adlkofers Klage gegen die SZ und das Urteil des Landgerichts, aus dem sich ergibt, dass der streitgegenständliche Satz rechtswidrig verbreitet worden ist. Dieser zwingenden Logik zu folgen ist, ist der Senat – aus was für Gründen auch immer – entweder nicht bereit oder mangels Durchblick nicht in der Lage. 

  • Warum schließt das Hanseatische Oberlandesgericht die Mehrdeutigkeit des streit­gegenständlichen Satzes „Die Ergebnisse konnten so allerdings nie von anderen Labors reproduziert werden im Sinne der sogenannten der Stolpe-Rechtsprechung aus?

Der Senat musste bei seinem Urteil von der Eindeutigkeit des streitgegenständlichen Satzes ausgehen, da bei Mehrdeutigkeit sein Urteil nicht möglich gewesen wäre. Bei Mehrdeutigkeit hätte das Urteil entsprechend der Stolpe-Rechtsprechung zugunsten des Klägers ausfallen müssen. Dass der Senat aufgrund der bestehenden Sachlage im vorliegenden Fall zumindest von Zweideutigkeit hätte ausgehen müssen, ergibt sich jedoch aus den folgenden Gründen: a) Die vom Senat angenommene Eindeutigkeit des streitgegenständlichen Satzes trifft schon deshalb nicht zu, weil der Satz vom Kläger und vom Landgericht ganz anders als von der Beklagten und vom Senat verstanden wird (siehe unter 3). b) Die vom Senat angenommene Eindeutigkeit des streitgegenständlichen Satzes scheidet aber auch deshalb aus, weil er den Satz als wahr und das Landgericht ihn als wahrheitswidrig ansieht (siehe unter 2) c) Zu guter Letzt widerlegt das Gericht sich auch selbst, wenn es die Mehrdeutigkeit des streitgegenständlichen Satzes ausschließt, bei der Wiedergabe seiner Entscheidungsgründe aber mehrfach betont, dass seine Deutung eben eine andere sei. Nur mit Erstaunen kann man die Definition des Senats für Mehrdeutigkeit zur Kenntnis nehmen, die lautet: „Mehrdeutige Äußerungen sind Äußerungen, deren Inhalt auch nach einer Auslegung durch ein Gericht noch mehrdeutig sind, deren Aussagegehalt mithin nicht durch eine Interpretation des Gesagten eindeutig festgelegt werden kann.“ Damit erteilt sich der Senat die Vollmacht, die er für sein nicht nachvollziehbares Urteil dringend benötigt. 

  • Warum hebt das Hanseatische Oberlandesgericht ohne zwingende rechtliche Notwendigkeit das sorgfältig begründete Urteil der 1. Instanz auf und verweigert damit die Beantwortung der ihm vom Kläger vorgelegten Frage, ob die REFLEX-Ergebnisse inzwischen reproduziert und damit bestätigt worden sind?

Franz Adlkofer ist vor Gericht gezogen, um die Ergebnisse der von ihm organisierten und koordinierten europäischen REFLEX-Studie und sein Ansehen als Wissenschaftler zu verteidigen, die im streitgegenständlichen Artikel „Daten zu Handygefahr unter Verdacht“ von der SZ zu Unrecht angegriffen werden. Während das Landgericht auf seine Klage eingeht und den Angriff der SZ auf die REFLEX-Ergebnisse und seine persönliche Integrität zurückweist, folgt der Senat der SZ, die behauptet, dass die REFLEX-Studie und der Kläger von dem streitgegenständlichen Artikel nicht betroffen seien. Mit dieser Begründung weist er die Klage ab (siehe unter 1). In der Entscheidungsbegründung heißt es: „Auf die [vom Kläger] angebotenen Beweise kommt es daher nicht an. Denn ob die in der REFLEX-Studie festgestellte Schädigung der Gene durch Hochfrequenzstrahlung inzwischen bestätigt sei, kann dahinstehen. Dies ist nicht der Äußerungs­gehalt der angegriffenen Berichterstattung.“ All das legt den Schluss nahe, dass es dem Senat in dem Verfahren vor allem darum gegangen ist, um jeden Preis der lästigen Mobilfunk-Kontroverse aus dem Weg zu gehen – leider sogar auf Kosten der Wahrhaftigkeit in der Berichterstattung und des Schutzes der Integrität von Wissenschaftlern. Man muss dies ein bedenkliches Fehlurteil nennen.   

Bundesgerichtshof

Wegen der Verweigerung der Revision durch das Berufungsgericht legt Franz Adlkofer auf Anraten seiner anwaltlichen Vertretung, die das Berufungsurteil als Fehlurteil bewertet, am 17.09.2019 Nicht­zulassungsbeschwerde beim Bundesgerichtshof in Karlsruhe ein. Er unterstellt dem Hanseatischen Oberlandesgericht, Falschbehauptungen der SZ mit rechtsirrigen Begründungen zur Grundlage seines Urteils gemacht zu haben. Der Bundesgerichtshof hält die Nichtzulassungs-beschwerde jedoch für unbegründet, weil sie nicht aufzeigt, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordern. Damit übersieht der Bundesgerichtshof, dass der Rechtssache eigentlich aus beiden Gründen große Bedeutung zukommt. Es gibt in Deutschland bis heute trotz Tausender von Betroffenen und einer Vielzahl von einschlägigen Gerichtsverfahren keine höchstrichterliche Entscheidung zur Frage, ob die Mobilfunk-strahlung im Gegensatz zur Auffassung von Politik und Mobilfunkindustrie nicht doch ein gesundheitliches Risiko für die Bevölkerung darstellt. Die Bestätigung der REFLEX-Ergebnisse als reproduziert und damit als gesichert hätte der Diskussion darüber eine neue Grundlage verschafft. Dass Politik und Mobilfunkindustrie an einer solchen Entwicklung nicht interessiert sind, braucht nicht betont zu werden. Darüber hinaus wäre die den Fakten widersprechende prozessuale Art der Tatsachen- und Beweiswürdigung durch das Hanseatische Oberlandesgericht sehr wohl überprüfungswürdig und für die Einheitlichkeit der Rechtsprechung bedeutsam gewesen. Ausführlich befasst sich der Bundesgerichtshof allerdings mit dem unwichtigsten Detail der Nichtzulassungsbeschwerde, nämlich der Falschberechnung der Prozesskosten zum Nachteil des Klägers. Nur wegen dieser Lächerlichkeit weist er die Sache zur Überprüfung an das Berufungsgericht zurück [4].

Schlussfolgerung

Professor Franz Adlkofer hat im Vertrauen auf die Rechtstaatlichkeit in Deutschland die Justiz eingeschaltet, um klären zu lassen, ob die Zuverlässigkeit der Ergebnisse der von ihm koordinierten europäischen REFLEX-Studie zu Recht oder zu Unrecht von der SZ immer wieder mit Fälschungs-vermutungen angezweifelt werden dürfen. Er ist mit seiner Klage gescheitert, weil das Hanseatische Oberlandesgericht – nicht nachvollziehbar – zu der Auffassung gelangt ist, dass die REFLEX-Studie von dem streitgegenständlichen Artikel „Daten zu Handygefahr unter Verdacht“ gar nicht betroffen sei.

Wie es aussieht, hat dem Hanseatischen Oberlandesgericht die zwischen dem Urteil des Landgerichts und seiner Aufhebung des Urteils liegende rechtsstaatlich bedenkliche Verfahrensdauer von sechs Jahren nicht genügt, um sich mit den Prozessunterlagen mit der Sorgfalt, wie sie von einem hohen Gericht erwartet werden darf, zu befassen. Dass es – wie die SZ behauptet – in dem streitgegen-ständlichen Artikel um eine wissenschaftlich bedeutungslose Doktorarbeit gehe, glaubt jedenfalls außer dem Hanseatischen Oberlandegericht wohl niemand. Weil sich das Hanseatische Oberlandes-gericht nicht mit Franz Adlkofers Klage, sondern nahezu ausschließlich mit der Klageerwiderung der SZ befasst hat und weil es ihn während der langen Verfahrensdauer nicht ein einziges Mal auf seine vom Urteil des Landgerichts abweichende Vorstellung informiert und ihm damit das rechtliche Gehör verweigert hat, stellt sich die Frage, ob es möglicherweise übergeordnete Gründe gegeben haben könnte, denen sich das Hanseatische Oberlandesgericht in besonderem Maße verpflichtet fühlte. (oder besser: denen sich das Hanseatische Oberlandesgericht mehr verpflichtet fühlte als der Wahrheit.)

1) Es ist kein Geheimnis, dass die Ergebnisse der REFLEX-Studie Politik und Mobilfunkindustrie seit ihrer Publikation in den Jahren 2005 und 2008 insbesondere wegen ihrer weiten Verbreitung ein Dorn im Auge sind. Der Grund dafür ist, dass sie mit der von ihnen behaupteten Unbedenklichkeit der Mobilfunkstrahlung schwerlich in Einklang zu bringen sind. Nicht umsonst haben ihre Lobbyisten wie Professor Alexander Lerchl zusammen mit willfährigen Medien, darunter auch die SZ, die REFLEX-Studie von Anfang an als fragwürdig oder gar gefälscht verleumdet. Auch der Artikel „Daten zu Handygefahr unter Verdacht“ ist wohl nur zustande gekommen, weil die REFLEX-Studie von Politik und Mobilfunkindustrie als Bedrohung ihrer Interessen empfunden wurde und weil mit der SZ ein willfähriger Partner für die Abwehr solcher Bedrohungen zur Verfügung stand. Mit dem jetzigen Urteil des Hanseatischen Oberlandesgerichts wird verhindert, dass die SZ ihren Schmähartikel gegen die REFLEX-Ergebnisse zurückziehen muss, was Anlass für eine von Politik und Mobilfunkindustrie höchst unerwünschte öffentliche Diskussion über mögliche gesundheitliche Risiken der Mobilfunkstrahlung hätte werden können.  

2) Wie bereits erwähnt, versucht der von der SZ dem Landgericht und dem Hanseatischen Oberlandes­gericht als sachverständiger Zeuge angebotene Lobbyist der Mobilfunkindustrie Professor Alexander Lerchl kurz vor der Verkündigung des Urteils mit einem persönlichen Schreiben von außen in den Rechtsstreit einzugreifen. Dabei stellt er sich als Vorsitzender des Ausschusses ‚Nichtionisierende Strahlung‘ der staatlichen Strahlenschutzkommission vor, der mit der Materie wie wohl kein Zweiter vertraut ist, vergisst dabei aber nicht zu erwähnen, dass er das Bundesumweltministerium berät. Man kann getrost davon ausgehen, dass seine dortige Beratung sich von der, die die SZ im vorliegenden Fall von ihm erfahren hat, in Nichts unterscheidet. Unmittelbar nach dem aus seiner Sicht falschen Urteil äußert er sich kurz und bündig wie folgt: „Landgericht Hamburg: das war erst die 1. Instanz.“

3) Von diesen Abhängigkeiten scheint auch die SZ gewusst zu haben, sonst hätte sie wohl auf die ziemlich aussichtslos erscheinende Berufung verzichtet. Mit der Verweigerung der Revision haben sowohl das Hanseatische Oberlandesgericht als auch der Bundesgerichtshof der Rechtssache – vielleicht sogar absichtlich – die Bedeutung abgesprochen, die ihr nach Auffassung der unabhängigen Wissenschaft zusteht. Bis heute gibt es in Deutschland trotz Tausender Strahlen­geschädigter keine einzige gerichtliche Entscheidung darüber, ob die Mobilfunkstrahlung – wie von Politik vorgegeben – tatsächlich als risikofrei für die Bevölkerung angesehen werden darf. Zweifel sind mehr als berechtigt, aber offensichtlich nicht erwünscht. 

Warum sich das Hanseatische Oberlandesgericht im vorliegenden Fall zu einem Urteil hat hinreißen lassen, das nicht nur von Laien, sondern auch von allen um ihre Meinung gebetenen Juristen als Fehlurteil angesehen wird, wirft Fragen auf, die sogar die Rechtstaatlichkeit in Deutschland berühren. Der amtierende Richter Thorsten Schleif hat in seinem Buch mit dem Titel Urteil: ungerecht viele Gründe aufgeführt, die er für das nach seiner Meinung weitverbreitete Versagen der dritten Staats­gewalt in Deutschland verantwortlich macht [8]. Im vorliegenden Fall, der Richter Schleifs Kritik stützt, spricht Vieles dafür, dass die Abhängigkeit der Judikative von der Exekutive, wie sie in der Bundesrepublik Deutschland im Gegensatz zu den meisten anderen europäischen Staaten vorgegeben ist, die wahre Ursache für das rechtsirrige Berufungsurteil ist. Offensichtlich gibt es auch in Deutschland – wie in totalitären Staaten die Regel – Gerichte, die ihre Urteile in Fällen wie dem vorliegenden in vorauseilendem Gehorsam freiwillig den Wünschen der Politik anpassen. 

Auch wenn nach dem Beschluss des Bundesgerichtshofs Professor Franz Adlkofers rechtliche Möglichkeiten erschöpft sind, sich vor dem Unrecht, das der REFLEX-Studie, seinen Kollegen und ihm selbst angetan worden ist, zu schützen, bleibt in einem demokratischen Staatswesen wie – Gott sei Dank – dem unseren zur Verteidigung der Wahrheit, im vorliegenden Fall der Ergebnisse der REFLEX-Studie, immer noch der Gang an die Öffentlichkeit. Dazu soll die vorliegende Schrift beitragen. 

Referenzen

[1]http://stiftung-pandora.eu/wp-content/uploads/2021/12/QLK4-CT-1999-01574_REFLEX_ProjectSummary_final.pdf

[2] http://stiftung-pandora.eu/wp-content/uploads/2021/12/130124_Urteil_geschwärzt_geschwärzt.pdf

[3]http://stiftung-pandora.eu/wp-content/uploads/2021/12/190604_Urteil-des-OLG-Hamburg_geschwärzt.pdf

[4] http://stiftung-pandora.eu/wp-content/uploads/2021/12/200211_BGH_Beschluss_geschwärzt.pdf

[5] https://www.profil.at/home/rufunterdrueckung-das-sittenbild-handystudien-226363

[6] https://kompetenzinitiative.com/broschueren/strahlenschutz-im-widerspruch-zur-wissenschaft/

[7] https://de.scribd.com/doc/36367737/Funkstille-uber-Strahlungsschaden

[8] Thorsten Schleif: Urteil: ungerecht. Ein Richter deckt auf, warum unsere Justiz versagt. riva-Verlag, München, 2020

Teil 1 einer dreiteiligen Reihe

Über Franz Adlkofer 3 Artikel
Prof. Dr. med. Franz Adlkofer, Jahrgang 1935, ist Mediziner, Facharzt für Innere Krankheiten, und Hochschullehrer. Er promovierte 1967 an der LMU München und arbeitete bis 1969 als wissenschaftlicher Assistent am MPI für Biochemie in München, bis 1976 an der Freien Universität Berlin, dort folgte die Habilitation. Von 1976 bis 1995 leitete Adlkofer die wissenschaftliche Abteilung im Verband der Cigarettenindustrie in Hamburg und Bonn, seit 1980 ist er außerplanmäßiger Professor. Von 1995 bis 2011 war Adlkofer Geschäftsführer und Mitglied des Stiftungsrates von VerUm – Stiftung für Verhalten und Umwelt in München, seit 2010 ist er Geschäftsführer und Vorsitzender des Stiftungsrates von Pandora – Stiftung für unabhängige Forschung.