Droht Demokratieverlust durch Corona?

Vielleicht ereignet sich ein Wunder

Bild von Ulrike Leone auf Pixabay

Menschen wollen in schweren Zeiten geführt werden. Sie geben gerne die von ihren Vorfahren hart erkämpften Rechte auf, in der Hoffnung – nach dem Sieg über das Virus oder dem wundersamen Verschwinden des Virus – ihren ererbten oder mehr oder weniger schwer erworbenen Reichtum möglichst komplett und unbeschadet zurück zu erhalten. Dafür akzeptieren sie nicht nur die Beschneidung ihrer Freiheitsrechte während des Kampfes gegen das Virus, sondern auch danach, nach dem offiziellen Sieg. Wenn Bürger auch nur kurzzeitig auf bürgerliche Rechte verzichten, greift die Staatsmacht erbarmungslos zu.

Die Frage „Droht Demokratieverlust durch Corona?“ soll nicht nur für Deutschland gestellt werden. Für Frankreich, GB oder USA würden die Mehrheit der Deutschen die Frage verneinen, bei der VR China, Russland und Venezuela würde die Mehrheit der Deutschen ohne lange nachzudenken die Frage bejahen. Auch bei einigen EU-Staaten, die im Osten liegen, würde sich eine Mehrheit der Deutschen finden, die einen Verlust der bürgerlichen Rechte prophezeit. Doch wie sieht es in Deutschland selber aus?

Was spricht dagegen: Nach der Befreiung durch die Alliierten, im Westen durch die USA, im Osten durch die Sowjetunion, schwören (rufen) die Deutschen in letzter Zeit mindestens einmal jährlich „Nie wieder!“ Zumindest die politisch Interessierten. Dennoch: Ein gewisser Teil der Bevölkerung Deutschlands kennt die Diktatur und hat sie lieben gelernt. Nicht nur die früheren Bewohner der DDR sind in einer Diktatur groß, glücklich und satt geworden. Ihr Wahlverhalten heute lässt darauf schließen, dass etwa ein Viertel von ihnen eine DDR.02 tolerieren (begrüßen?) würde. Dann gibt es eine relativ große Gruppe von Menschen in Deutschland, die unter dem Kommunismus im Osten Europas groß geworden ist. Natürlich lieben sie den neuen Reichtum im Westen, aber wenn dieser wie Butter in der Sonne schmelzen würde, weil alle Deutschen nach Corona zur Kasse gebeten werden? Und was ist mit den nach Deutschland Zugewanderten? Ob Muslime oder Afrikaner: Die Wenigsten von ihnen haben ihre Heimat wegen der fehlenden Demokratie verlassen, auf die sie am deutschen Ziel ihrer Reise gestoßen sind. Viele von ihnen würden gerne in ihre Heimat zurückkehren, wenn es dort friedlich zugehen sollte. Auf deutsche Demokratie, Geschlechtergleichstellung oder gar Gendergerechtigkeit verzichten sie gerne. Die in Deutschland praktizierte Freiheit, sein Geschlecht selber zu wählen, ist ihnen fremd bis zuwider.

Wie verhält es sich mit den Westdeutschen, die seit ihrer „Befreiung“ vor 75 Jahren einen eigenen Lebensstil entwickelt haben? Werden sie dem Staat nach Ende der Corona-Krise auf die Finger klopfen? Wahrscheinlich nicht, wenn man ihr jetziges Verhalten unter Corona bedenkt. Es gibt zwar eine kleine Minderheit, die sich gegen dümmliche Verordnungen des Staates und der Länder stemmt, doch ihre Zahl ist verschwindend gering. Die meisten Wessis vertrauen der Staatsmacht und deren gut bis schlecht bezahlten Wissenschaftlern, obwohl sie regelmäßig ihre Argumente modifizieren. Wohl wegen neuen Erkenntnissen.

Können wir Deutschen uns auf unsere Partner verlassen? Großbritannien hat die EU bereits verlassen, die USA werden sich weigern, uns nicht retten. Russland ist dazu nicht fähig, China würde es gerne tun, wird es jedoch unterlassen, zumindest in den nächsten Jahren. Wie steht es mit unseren europäischen Verbündeten und Partnern? Die EU wird nach Corona politisch und wirtschaftlich in drei Teilen zerfallen: Osten – Norden – Süden. Deutschland gehört zum Norden, Frankreich zum Süden. Ohne Frankreich und Großbritannien, allein mit Österreich und Finnland, gibt es für Deutschland keine Rettung!

Vielleicht ereignet sich ein Wunder: Nach dem Ende der Pandemie, wenn die deutsche Wirtschaft am Boden liegt, werden sich die Parteien nicht gegenseitig bekämpfen, alle politischen Kräfte werden sich zusammen tun, um die Demokratie zu erneuern! Doch das wird nur dann gelingen, wenn die Parteien auf ihre Partikularinteressen verzichten. Doch dieses ist höchst unwahrscheinlich.

Über Nathan Warszawski 535 Artikel
Dr. Nathan Warszawski (geboren 1953) studierte Humanmedizin, Mathematik und Philosophie in Würzburg. Er arbeitet als Onkologe (Strahlentherapeut), gelegentlicher Schriftsteller und ehrenamtlicher jüdischer Vorsitzender der Christlich-Jüdischen Gesellschaft zu Aachen.