Caperucita trifft den Bärenhäuter Märchen-Bilder im Kloster Seeon

Aus dem Bilderbuch „L`homme a la peaus d´ours“ (Der Bärenhäuter) von von Javier Mourrain, Paris 2013, fotografiert von Hans Gärtner

„Cappuccetto rosso“, „Caperucita“, „Le petit chaperon rouge“. Erraten, um welches Märchen es sich hier handelt? Man braucht nicht des Italienischen, Spanischen oder Französischen mächtig zu sein, um auf das „Rotkäppchen“ zu kommen. Immerhin vier der ausgehängten 21 Märchen-Bildtafeln der Ausstellung „So leben sie noch heute. Europa illustriert die Grimms“ zeigen die Kleine, die ihre Oma im Waldhäuschen versorgt und dabei Bekanntschaft mit dem bösen Wolf macht, der … – ach, die Geschichte ist viel zu geläufig, um sie hier erzählen zu müssen. Wälder gibt`s rund um Rom, Madrid oder Paris, und Wälder sind`s nun mal, in denen die meisten Märchen spielen, nicht nur jene, die die Brüder Jacob und Wilhelm Grimm vor fast 200 Jahren gesammelt haben. Im Wald ist es finster, da verirren sich Kinder wie Hänsel und Gretel oder Hans im Glück. Am Wald liegen Seen, in denen Nixen wohnen.

So passt allein landschaftlich gesehen die kleine Schau der Internationalen Jugendbibliothek, die jetzt für Monate ans Kloster Seeon ausgeliehen ist, gut in den wald- und seenreichen Chiemgau. Es geht nicht um neues deutsches Bild-Gut zum alten deutschen Text-Gut der „Volksmärchen“ oder, wie es die Grimms sagten, der „Kinder- und Hausmärchen“, sondern um Europa-weite  Kultur. Europaweit wurde schon immer aufs deutsche Märchen-“Gut“ geblickt. Malern und Zeichner griffen es sich, um es ins Bild zu bringen.

„Jährlich erscheint eine große Anzahl von Märchenausgaben, darunter traditionell illustrierte Bücher, aber auch überraschend unkonventionelle, humorvolle, freche und künstlerisch ausgefallene Ausgaben“, heißt es im Begleittext. Wenn das stimmt, hätte man aktuellere und mindestens halb Europa umfassende Editionen erwarten können als die hier ausgewählten. Die meisten datieren kurz nach dem Erscheinungsjahr 2000. Und Länder wie Tschechien und Polen fehlen ganz. Inzwischen sind Jahre ins Land gegangen – wo sind die allerneuesten Bilderbücher des Europa der jüngsten Zeit? Diese Wanderausstellung steht nun mal, und da wird nicht mehr auf Aktualität geschaut. Schade. Das Märchen erlebt geradezu stündlich neue, auch aktuelle Bezüge. Diese einzufangen und mit Beispielen zu belegen, wäre interessant gewesen.

Was hier „ausgestellt“ ist: keineswegs Bilderbücher – einige wenige schlummern in Vitrinen und zeigen allenfalls Covers oder aufgeschlagene Doppelseiten – sondern Bildtafeln mit Szenen, die einem Bilderbuch entnommen wurden. Lustige wie die zu den Sieben Geißlein der Slowenin Masa Kozjek („Volk in sedem kozlickov“, Lubljana 2003), angsteinflößende wie die zur Geschichte vom „Bärenhäuter“ des Franzosen Sebastien Mourrain („L`homme a la peau d`ours“, Paris 2013) oder räuberische wie die zur Story von den Bremer Stadtmusikanten der Italienerin Claudia Palmarucci („I musicanti di Brema“, Rom 2012). Was wohl die Besucher, denkt man an Schulklassen, mit den sieben „Stationen“ anfangen, in die die verstreut aufgehängten Bildtafeln gegliedert sind? Vielleicht gibt es Lehrpersonen, die sie für ihr Märchen-pädagogisches Konzept benötigen: von „Aufbrechen“ bis „Am Ende glücklich sein“. Was dazwischen liegt, macht die Spannung beim Märchen-Lesen und -Erzählen aus.

Die Wanderausstellung im sogenannten Mesnerhaus (mit Klosterladen) beim Kloster Seeon ist täglich von 10 Uhr bis 12.30 und von 13.30 Uhr bis 17.30 Uhr geöffnet. Dauer und Führungs-Termine für Familien sind telefonisch (08642 – 897-0) oder auf der Website www.kloster-seeon.de zu erfahren.

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Über Hans Gärtner 458 Artikel
Prof. Dr. Hans Gärtner, Heimat I: Böhmen (Reichenberg, 1939), Heimat II: Brandenburg (nach Vertreibung, `45 – `48), Heimat III: Südostbayern (nach Flucht, seit `48), Abi in Freising, Studium I (Lehrer, 5 J. Schuldienst), Wiss. Ass. (PH München), Studium II (Päd., Psych., Theo., German., LMU, Dr. phil. `70), PH-Dozent, Univ.-Prof. (seit `80) für Grundschul-Päd., Lehrstuhl Kath. Univ. Eichstätt (bis `97). Publikationen: Schul- u. Fachbücher (Leseerziehung), Kulturgeschichtliche Monographien, Essays, Kindertexte, Feuilletons.