Ingo Friedrich: Nach dem EU-Gipfel muss Europa Weltmachtfähigkeit beweisen

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(1) Europa hat seine Fähigkeit bewahrt, Kompromisse zu finden, zumal ein Auseinanderfallen angesichts der aktuellen Weltlage eine Katastrophe bedeutet hätte.

(2) Das viele Geld muss nun so verwendet werden, dass es Europa wirtschaftlich, politisch und wissenschaftlich voranbringt. Auf keinen Fall darf es für bloße Subventionen und die Aufrechterhaltung veralteter Strukturen verpulvert werden. An erster Stelle muss stehen, die Wettbewerbs- und Innovationskraft zu stärken.

(3) Ein besonderer Schwerpunkt muss auf innovative unternehmerische Neugründungen – sog. Startups – gelegt werden. Denn: Selbst wenn von 10 Neugründungen sieben „schief“ gehen, bleiben immer noch drei, deren Erfolg zentrale Entwicklungen einleiten kann. Hierfür muss das Geld großzügig und ohne große bürokratische Hürden eingesetzt werden. Die bisherige Handhabung dafür muss grundlegend geändert werden.

(4) Bei den anstehenden Entscheidungen muss immer und grundsätzlich bedacht werden, dass Europa auf nahezu allen Gebieten von den anderen globalen Giganten, insbesondere von China und Russland aber derzeit auch von den USA eines Präsidenten Trump herausgefordert, ja sogar bedroht wird. Es gilt deshalb eine globale „Weltmachtfähigkeit“ zu entwickeln, um auf der obersten Ebene mitentscheiden zu können. Auch dies ist ein langer Prozess, dessen Start aber keinen Aufschub verträgt.

(5) Mit der erstmaligen Ausgabe „staatlicher“ europäischer Finanzanlagen – und darüber sollten sich gerade deutsche staatsrechtliche Juristen schnell klar werden – wird die Europäische Union ein weiteres Mal und zwar mit einem großen Schritt ziemlich staatsähnlich. Die Unterschiede zu einem „normalen“ Staat werden immer kleiner.

(6) Die Sorge, dass mit dem Austritt Großbritanniens die Südstaaten mit ihrem finanziellen „Schlendrian“ die Macht übernehmen werden, hat sich – Gott sei Dank – nicht bestätigt. Ganz im Gegenteil hat sich mit der Gruppe der fünf Sparsamen und dies sogar ohne den Sparmeister Deutschland sofort eine Gegenbewegung gegründet, die die Rolle der Briten voll ersetzte.

Insgesamt ist die Gipfelentscheidung ein Zeichen der Ermutigung und lässt hoffen, dass Europa in der Lage ist, die globale Zukunft zu bewältigen. Und: Deutschland hat offenbar auch mit Zustimmung seiner Partner, seine zentrale Rolle und Verantwortung für das ganze Europa verstanden und wahrgenommen.

Finanzen

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Dr. Ingo Friedrich war von 1979-2009 Abgeordneter des Europäischen Parlaments, von 1992 bis 1999 Vorsitzender der CSU-Europagruppe im Europäischen Parlament. Seit 1996 ist er Schatzmeister der Europäischen Volkspartei (EVP), seit 2001 Präsident der Europäischen Bewegung Bayern, seit 2009 Präsident des Europäischen Wirtschaftssenats. Von 1999-2007 war Friedrich einer der 14 gewählten Vizepräsidenten des Europäischen Parlaments. 2004 erhielt er das Große Bundesverdienstkreuz. Friedrich ist Ehrenmitglied des Europäischen Parlaments und seit 2015 Präsident der Wilhelm Löhe Hochschule.