Köln im Zeitalter von Reformation und katholischer Reform

Gérald Chaix im Greven Verlag

St. Maria im Capitol, Köln. Bild von taxicologne auf Pixabay.

Gérald Chaix: Köln im Zeitalter von Reformation und katholischer Reform 1512/13-1610, Greven Verlag, Köln 2021, ISBN: 978-3-7743-0446-8, 60 EURO (D)

Dies ist der fünfte Band der Reihe Geschichte der Stadt Köln, die sich mit der Stadtgeschichte zwischen 1512/13 und 1610 auseinandersetzt. Der Bürgeraufstand von 1512/13, bei dem auf dem Heumarkt drei Bürgermeister und sieben Ratsherren der ‚Richerzeche‘ getötet wurden, führte zum Beschluss des Transfixbriefes vom 15. Dezember 1513, der Ergänzungen zum Verbundbrief von 1396 enthielt und den jahrzehntelang gewachsenen Spannungen zwischen Rat und Gemeinde Rechnung trug. Im Transfixbrief, der bis 1797 zusammen mit dem Verbundbrief die Kölner Verfassung bildete, wurden die Rechte der Gemeinde erweitert und fortgeschrieben. Den Abschluss des Bandes bilden erneute Unruhen von 1608 bis 1610 um die Einhaltung der Bestimmungen, die im Verbund- und Transfixbrief enthalten waren.

Der Band gliedert sich in die vier Ebenen: politische Geschichte, Wirtschafts- und Sozialgeschichte, Kirchengeschichte und Kulturgeschichte. Aus Gründen der Übersichtlichkeit wird jeder für sich behandelt, obwohl sie eng miteinander verknüpft sind.

Der erste Teil beginnt mit einer detaillierten Beschreibung der Stadtansicht von Anton Woensam aus dem Jahre 1531, danach folgt die Chronik des Hermann Weinsberg, die er 1560 begann. Das Stadtgebiet und dessen Aufteilung, Menschen und das alltägliche Leben sowie die Handelsmetropole Köln wird außerdem skizziert.

Der zweite Teil beginnt mit den Ereignissen um den Transfixbrief. Der Umgang mit dem entstehenden Protestantismus, die katholischen Reformen und die Bistumsreform stehen dann im Mittelpunkt. Auf dem Domhof wurden die Schriften von Martin Luther verbrannt. Die Kölner Börse wurde 1553 gegründet. Die Bauarbeiten am Kölner Dom wurden im Jahr 1560 aus finanziellen Gründen eingestellt. Um zu verhindern, dass es zwischen Poll und Deutz zu einem östlichen Durchbruch des Rheins kam, wollte Köln das Ufer mit den so genannten Poller Köpfen  befestigen, doch erst 1557 konnte sich der Rat mit dem Erzbischof über die Maßnahmen einigen.

Im dritten Teil über das religiöse Leben und Reformen geht es besonders um die Frage, warum es in Köln keine Reformation gab. Zuerst wird die innere religiöse Struktur vorgestellt, danach die religiösen Reformen (Protestantismus, Entwicklung des Täufertums, Reformen, die von einzelnen Territorien oder Königen ausgingen, Folge des Augsburger Religionsfriedens) behandelt sowie die Integration der Jesuiten in die Stadt.

Der vierte Teil stellt dar, welche Rolle kulturelle Phänomene und ihre Akteure in der ersten Hälfte des 16. Jh. im städtischen Leben und in der Außenwirkung der Stadt spielten. Dabei werden Universität, Schulen und Ausbildungsstätten, Buchdruck und orale Kultur, Köln als künstlerisches Zentrum und die tiefgreifenden Spuren von Humanismus und Renaissance.

Anschließend geht es um die Krisen und Veränderungen zwischen 1562 und 1610: die klimatischen Veränderungen und dessen Folgen für die Landwirtschaft, Seuchen, Köln als Hauptstadt eines ausgedehnten Kulturraumes vom Rhein bis nach England, Aufstand in den Niederlanden 1568-1648, Entwicklungen im Reich, Köln als Zentrum der Katholizität. Auch die Interpretation dieser Umwälzungen sind ein Thema. Unabhängig ihrer Konfession stellten sie einen Bezug zur christlichen Heilsgeschichte dar, die auf eine Endzeit ausgerichtet war, die man nahe wähnte.

Während der gesamten zweiten Hälfte des 16. Jh. stand Köln im Zentrum der Entwicklungen und Spannungen, die Europa und das Reich in Mitleidenschaft zogen. Dies und die innere Entwicklung sind Gegenstand des nächsten Kapitels. Es werden Orte und Träger der Macht in Köln, Formen derer Repräsentation und die Ausübung beleuchtet.

Während der gesamten Hälfte des 16. Jh. blieb Köln ein oft bewusst gewählter Zufluchtsort für Protestanten vor allem aus Frankreich oder andere, die vor einer rigiden Religionspolitik geflohen waren. Es wird danach ausgeführt, warum sie Köln wählten, wie ihr Verhältnis zu den Einheimischen war, wie sie ihren Glauben praktizieren konnten und wie die katholische Seite traditionelle Vorstellungen mit Neuerungen in Einklang brachte.  Außerdem geht es um die katholische Reform zwischen kurfürstlicher Reform und der Annahme der Dekrete des Konzils von Trient, unterschiedliche  Akteure des religiösen Lebens, Liturgie, Sakramente und Andachten.

Köln gehörte zu den wichtigsten Städten Europas und war ein Ort der künstlerischen und wissenschaftlichen Kreativität und Innovation, was im nächsten Kapitel behandelt wird. Dort werden Renaissance, Manierismus, mittelalterliche Traditionen, Schulen, Gymnasien und die Universität, das Kulturleben, Späthumanismus und Konfessionskultur dargestellt.

In einer abschließenden Bilanz heißt es: „Die katholischen Institutionen erwiesen sich als widerstandsfähig, auch weil sich in ihrem Rahmen Glaubenspraktiken weiterentwickeln konnten und Traditionen dennoch erhalten werden konnten. Erneuerungen waren nicht unmöglich.“ (S. 399)

Im Anhang gibt es noch die bibliografischen Angaben, Anmerkungen, ein Personenregister, ein Orts- und Sachregister und den Bildnachweis.

In der hinteren Umschlagseite findet man noch einen Faltplan von Köln von Arnold Mercator von 1570/71.

Der Geschichtsband präsentiert wissenschaftliche Informationen aus den Bereichen Bildung, Kultur, Wirtschaft, Soziales, religiöses Leben und Politik in Köln in einem bewegten Zeitalter. Im Vordergrund des Bandes stehen aber Religionspolitik und religiöse Reformbewegungen, was auch an der Kernfrage des Buches liegt. Alltagsgeschichte, verschiedene Schichten und Klassen hätten ein wenig mehr Aufmerksamkeit verdient, wobei Macht und Herrschaft sowie Kultur sehr ausführlich thematisiert werden. Es entsteht aber insgesamt ein aussagekräftiges und differenziertes Bild von einer der führenden Metropolen des Reichs.

Über Michael Lausberg 545 Artikel
Dr. phil. Michael Lausberg, studierte Philosophie, Mittlere und Neuere Geschichte an den Universitäten Köln, Aachen und Amsterdam. Derzeit promoviert er sich mit dem Thema „Rechtsextremismus in Nordrhein-Westfalen 1946-1971“. Er schrieb u. a. Monographien zu Kurt Hahn, zu den Hugenotten, zu Bakunin und zu Kant. Zuletzt erschien „DDR 1946-1961“ im tecum-Verlag.