Kommunikation im digitalen Zeitalter

Herr Ehl: Traumberuf Marketing: Was reizt Sie an Ihrer Arbeit?
Ehl: Wir übersetzen Produkte und Services von Unternehmen in echte Kundenmehrwerte. Dabei sind wir in der heutigen Welt immer mehr der Vertreter der Kunden und helfen diesen aus der großen Masse der Optionen und Informationen das richtige Produkt und den richtigen Service zu wählen und eine emotionale Bindung dazu aufzubauen und zu diese zu bewahren. Ins besonders in der digitalen Welt sind die Kunden sehr flüchtig unterwegs, die Konkurrenz ist nur ein Klick entfernt und der Home Button auf dem Smartphone ist der größte Feind einer jeden App, denn durch Drücken ist der Kunde oftmals für immer weg. Unsere Mission ist es Produkte und Services zu bauen und zu positionieren, welche die Kunden lieben. Was kann man sich schöneres vorstellen?

Die Wirtschaftskrise ist auch am Agenturgeschäft nicht spurlos vorbeigegangen. Der Druck in der Branche wächst, Preisdumping und Kreativität im harten Wettbewerb sind mehr denn je gefragt. Was hat sich in den letzten Jahren verändert?

Hillert: Über Preisdumping hat noch nie jemand nachhaltig gewonnen. Es geht heute darum einen messbaren Mehrwert zu schaffen und in einer echten Partnerschaft mit den Unternehmen neue Konzepte zu entwickeln und diese im Markt zu etablieren. Wir sind heute Mitglieder der Teams der Unternehmen mit besonderen Kompetenzen, wir schaffen Innovationsräume im Rahmen von Workshops an besonderen Orten, wir sind Trendscout immer auf der Suche nach neuen Mehrwerten für die Kunden im Dienste der Marke. Aus dieser Position schaffen wir Produkte wie die Microsoft Social Media Akademie oder den BMW Augmented Visualizer oder ermöglichen den Aufbau von Start-up Unternehmen wie GINI. Natürlich geschieht das unter einem großen wirtschaftlichen Druck, der sich aus der allgemeinen Effizienz und Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen in dem digitalen Zeitalter ergibt aber mit modernen Arbeitsmethoden schaffen wir den kontinuierlichen Erfolg seit 1999.

Sind Agenturen nur noch Ideenlieferanten? Sie betreuen u. a. große Projekte mit BMW, MINI, den ADAC, Allianz, Stadtsparkasse München, DriveNow und andere Premiumanbieter. Digitalität spielt bei der Vermarktung eine immer größere Rolle. Web 4.0 sei hier genannt. Wie reagiert die Branche darauf?

Ehl: Unsere Aufgabe ist es verstärkt zu verstehen wo Märkte entstehen und diese Märkte zu gestalten. Wir machen Business Case orientierte Angebote, schmieden Allianzen und initiieren Projektgeschäfte. Das ist fast wie eine Unternehmensberatung, nur dass wir die Projekte auch operativ umsetzen um den Erfolg mit zu gestalten. So haben wir mit bim+ für Nemetschek eine Cloud-basierte Innovation für die Baubranche geschaffen für neue Zielgruppen und globale Märkte und sind auch mit in die Verantwortung als Teil der Geschäftsführung gegangen oder wir haben die Social Media Strategie des ADAC entscheidend geprägt.

Hat sich im Zeitalter von Digitalität, Smartphones etc. die Arbeitsstruktur einer klassischen Agentur verändert?

Hillert: Im Herzen der Agentur entwickeln wir Projekte. Ähnlich wie bei Start-ups arbeiten wir da nach dem build-measure-learn Prinzip. Mit agilen Arbeitsmethoden wie SCRUM, die wir aus der Software Entwicklung adapitert haben, schaffen wir es schnell und effizient Ideen zu entwickeln, diese in der Zielgruppe zu validieren, den Erfolg zu messen und dann auf der Basis den nächsten Schritt zu gehen. Dabei arbeiten wir eng integriert in den Wertschöpfungsketten der Unternehmen. Die neusten digitalen Werkzeuge und die interne Social Media Kommunikation helfen uns dabei in der Umsetzung und Optimierung.

Agenturen sind nicht nur „Erfüllungsgehilfen“, wenn es um das Produktvermarktung geht, sondern agieren als Coach und Mehrwertstifter bzw. Wertschöpfer? Heißt das, dass Sie auch aktiv in Projektgeschäfte eintreten?

Ehl: Agenturen, Medien und Unternehmen sind heute eng miteinander verwoben, sowohl inhaltlich als auch organisatorisch. Produkte werden von Agenturen mit initiiert und vermarktet. Beispielsweise die internationale Verkaufsliteratur für BMW Aftersales inkl. Konfiguratoren mit über 35 Märkten. Im Projekt werden alle operativen Stakeholder von der Agentur gemanaged. Projektweise werden auch Mitarbeiter beim Unternehmen platziert und umgekehrt. Dabei bringt das Unternehmen die Stakeholder initial an den Tisch und setzt die Rahmenbedingungen.

Wo sehen Sie derzeit die größten Herausforderungen für das Agenturgeschäft?

Hillert: Fullservice Agentur im klassischen Sinne sind Auslaufmodelle und verändern sich hin zu mehr Spezial-Agenturen mit unternehmerischen Kompetenzen. Ein flexibles, modulares System an Spezialkompetenzen und nicht ein Bauchladen für alles bestimmt das Agenturgeschäft. Denn Kunden sind oftmals mit der Steuerung von zu vielen Spezialagenturen überfordert. So steuern wir die Artworkentwicklung für BMW oder schaffen die User Experience von Apps und sind direkt eingebunden indie Wertschöpfungsketten von Unternehmen.

Wie läßt sich derzeit ein Produkt besonders gut vermarkten, welche Werbestrategie kommt beim Kunden besonders gut an?

Hillert: Es gibt keine one-size-fits-all Strategie! Jede Marke ist individuell.

Wie schaffen Sie es einen Wettbewerbsvorteil zu erzielen, um sich so aus der Masse der Kommunikationsflut herauszuheben?

Ehl: Wir schaffen Plattformen zur Zusammenarbeit in Teams, arbeiten integriert über Bereichs- und Unternehmensgrenzen hinweg, nutzen Social Media für Teams, leben agile Projektprozesse und flexible web- und App basierte Projektsteuerungssysteme in der Cloud und stellen den Mitarbeiter und die Kunden konsequent in den Vordergrund. In Zukunft muss die Agentur eine hoch-moderne technische Infrastruktur vorweisen und Freiraum für Kreativität, neue Ideen, kreative Geschäftsmodelle bieten. Letztlich leben wir aber von dem messbaren Erfolg unserer Projekte, der spricht sich schnell rum.

Was kann man sich darunter vorstellen, dass durch service-orientierte Produkte die Marktwahrnehmung verstärkt wird?

Hillert: Ein positives Erlebnis beinhaltet immer eine starke Wahrnehmung. Also schaffen wir Erlebnisse und das gelingt am besten durch service-orientierte Produkte. Besonders in der digitalen Welt gibt es enorme Möglichkeiten Erlebnisse und neue Services zu schaffen, rund um die Produkte der Unternehmen.

Beispiel: BMW Augmented Visualizer – hier geht es um 3 D Visualisierungen projiziert auf ein echtes Fahrzeug. Verschiebt sich – bedingt durch die Innovationen in der Technik – das Kreativgeschäft von Agenturen zugunsten der technischen Infrastruktur?

Ehl: Nein im Vordergrund steht immer noch die kreative Idee und wie diese an den Touchpoints der Kunden gespielt wird. Es geht um Ideen mit Relevanz, um Problemlösungen, die das Leben des Menschen besser macht. Kreativität und Humor sind gute Brücken zur Vermittlung von Botschaften. Die technischen Möglichkeiten sind eine Sache, was dann wirklich Sinn macht ist die andere Sache. Kreativität und ein technisches Verständnis bilden jedoch die Basis für ein erfolgreiches Ergebnis. Es gilt immer die Möglichkeiten in einen echten Mehrwert für den Kunden zu übersetzen.

Wie schaffen Sie es, dass Ihre Mitarbeiter kreativ bleiben?
Hillert: Unser Ziel ist es 20% der Arbeitszeit frei für die Mitarbeiter gestaltbar zu machen. Darüber hinaus unternehmen wir Dinge gemeinsam, wir feiern, treiben Sport, laufen Marathons, diskutieren Trends und arbeiten oftmals mit innovativen Start-ups an deren Lösungen. Wir schicken Teams auf Hackathons mit jungen Entwicklern um an Wochenenden Ideen zu realisieren und zu validieren. Mit unserem #createlab haben wir ein eigenes Labor entwicklet wo wir gemeinsam mit unseren Kunden neue Innovationen außerhalb bestehende Projekte entwickeln, das ermöglicht den notwendigen Freiraum für Kreativität.

Wie sieht das Zusammenspiel zwischen Agentur, Kunde und Unternehmen in der Zukunft aus?

Ehl: Die Umsetzung dieser neuen Arbeitsweisen wird oftmals erschwert durch eingefahrene Strukturen und Silodenken bei Unternehmen. Nur die Unternehmen werden einen Wettbewerbsvorteil erzielen, die aus der Masse der Kommunikationsflut herausstechen können und einen wirklichen Mehrwert auch in der Kommunikation schaffen. Und das lässt sich nur gemeinsam entwickeln. Also ist das Zusammenspiel zwischen Agentur, Kunde und Unternehmen in jedem Falle partnerschaftlich, auf Augenhöhe, mit Mehrwert für alle Seiten.

Fragen Stefan Groß
Die gedruckte Version des Interviews lesen Sie im WirtschatfsKurier (www.wirtschaftskurier.de)

Über Stefan Groß-Lobkowicz 2159 Artikel
Dr. Dr. Stefan Groß-Lobkowicz, Magister und DEA-Master (* 5. Februar 1972 in Jena) ist ein deutscher Philosoph, Journalist, Publizist und Herausgeber. Er war von 2017 bis 2022 Chefredakteur des Debattenmagazins The European. Davor war er stellvertretender Chefredakteur und bis 2022 Chefredakteur des Kulturmagazins „Die Gazette“. Davor arbeitete er als Chef vom Dienst für die WEIMER MEDIA GROUP. Groß studierte Philosophie, Theologie und Kunstgeschichte in Jena und München. Seit 1992 ist er Chefredakteur, Herausgeber und Publizist der von ihm mitbegründeten TABVLA RASA, Jenenser Zeitschrift für kritisches Denken. An der Friedrich-Schiller-Universität Jena arbeitete und dozierte er ab 1993 zunächst in Praktischer und ab 2002 in Antiker Philosophie. Dort promovierte er 2002 mit einer Arbeit zu Karl Christian Friedrich Krause (erschienen 2002 und 2007), in der Groß das Verhältnis von Metaphysik und Transzendentalphilosophie kritisch konstruiert. Eine zweite Promotion folgte an der "Universidad Pontificia Comillas" in Madrid. Groß ist Stiftungsrat und Pressesprecher der Joseph Ratzinger Papst Benedikt XVI.-Stiftung. Er ist Mitglied der Europäischen Bewegung Deutschland Bayerns, Geschäftsführer und Pressesprecher. Er war Pressesprecher des Zentrums für Arbeitnehmerfragen in Bayern (EZAB Bayern). Seit November 2021 ist er Mitglied der Päpstlichen Stiftung Centesimus Annus Pro Pontifice. Ein Teil seiner Aufsätze beschäftigt sich mit kunstästhetischen Reflexionen und einer epistemologischen Bezugnahme auf Wolfgang Cramers rationalistische Metaphysik. Von August 2005 bis September 2006 war er Ressortleiter für Cicero. Groß-Lobkowicz ist Autor mehrerer Bücher und schreibt u.a. für den "Focus", die "Tagespost".

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