Martin Lohmann (CDU), Sprecher des ArbeitskreisesEngagierter Katholiken (AEK), fordert im Vorfeld der Klausurtagung derCDU/CSU-Bundestagsfraktion endlich eine neue, offene und ehrliche Diskussions- und Streitkultur inPartei und Gesellschaft:

„Unsere Partei läuft Gefahr, sich als Volkspartei zu verabschieden. Nach den verheerenden Wahlverlusten in den vergangenen Monaten und dem eklatanten Verlust des Vertrauens bei den Stammwählern droht nun ein neuer Glaubwürdigkeitsverlust. Denn die ignorante Art und Weise, mit der manche führende Parteivertreter die Diskussion gerechtigter Fragen und Meinungen wegzudrücken versuchen, offenbart einen alarmierenden Zustand der CDU. Das Verhalten der Parteispitze im Fall Sarrazin verrät eine immer größer werdende Kluft zwischen Führung und Parteibasis wie auch dem deutschen Volk.
Es muss erschrecken, wenn eine führende deutsche Tageszeitung in ihrem Leitartikel konstatiert, dass „man selbst der Bundeskanzlerin ein Verhalten durchgehen lässt, das Erich Honecker gefallen hätte“. Denn was sei das „für ein Amtsverständnis, wenn die Regierungschefin eines Staates“ mit Gewaltenteilung einer „unabhängigen Institution wie der Bundesbank nahelegt, eines ihrer Vorstandsmitglieder zu entlassen?“ Es ist erschreckend, wenn nun gemutmaßt wird, unsere Parteivorsitzende würde hier autoritär durchaus berechtigte Meinungsäußerungen eines Bundesbankvorstandes wegdrücken.
Unsere Partei wurde einmal gegründet als Garantin für Toleranz, Meinungsfreiheit, und den Geist der Freiheit und christliche Grundüberzeugungen. Das droht nun weiter zu verdunsten. Der vielfache Aderlass, den unsere Partei in den vergangenen Jahren hinnehmen musste, wirkt inzwischen existenzbedrohend. Wenn das so weiter geht, wird man nicht mehr lange von einer wirklichen Volkspartei sprechen können.
Es ist vielmehr zu fürchten, dass sich jenseits der Union eine neue politische Kraft bildet, die das unter Merkel fahrlässig vernachlässigte konservativ-bürgerliche Feld, das die Union verliert, rasch füllen könnte. Der Schaden, der offenbar sehenden Auges hingenommen wird, wäre für die Adenauerpartei immens.
Es ist für die CDU kurz vor Zwölf! Die Art und Weise, wie gerade in NRW, wo 160.000 Unionsmitglieder händeringend einen überzeugenden Vorsitzenden suchen und nur zwischen zwei inhaltlich völlig austauschbaren, ehrgeizigen, liberal orientierten Unionskarrieristen wählen können, sendet deutliche Signale in die Mitgliederschaft. Da helfen auch keine aus dem Hut gezauberten bunten Regionalkonferenzen, die als Werbeshow übers Land ziehen. Ernsthafte politische Diskussion sieht anderes aus. Nachdrücklich fordern wir deshalb weiter dazu auf, die verlorene Profilbreite und Profiltiefe innerhalb unserer Union wieder neu zu begründen und dafür zu sorgen, dass eine überzeugende CDU von möglichst vielen Menschen gewählt werden kann. Die Union braucht dringend eine Erneuerungsbewegung und endlich wieder profilierte konservative Köpfe. Zu ihrer Rückgewinnung der Glaubwürdigkeit gehört auch der für Christen eigentlich selbstverständliche Mut zum eigenen inhaltlichen Profil, das in unserer C-Partei endlich auch wieder erkennbar werden muss, sei es in der Familien,- Bildungs- oder Sozialpolitik.
Es darf nicht dazu kommen, dass nur im singulären Entscheidungssystem Merkel alle wichtigen Entscheidungen getroffen werden, völlig unabhängig davon, wie sie in der Parteiprogrammatik, in den Ländern und an der Parteibasis beurteilt werden. Als Parteivorsitzende kann die Kanzlerin nicht, wie im Fall Sarazzin, völlig an der Wählerorientierung vorbei regieren. Mit diesem autoritär wirkenden Verhalten wird indirekt die gesamte Partei beschädigt.
Es gibt ein großes Problem mit der Einwanderungspolitik unseres Landes. Darüber muss offen und kontrovers besprochen und gestritten werden dürfen, denn nur so entwickeln sich auch Verbesserungen. Die Parteispitze erinnern wir gerne an einen Vordenker der Aufklärung namens Voltaire. Dieser meinte zu Andersdenkenden, er werde deren Meinung so lange bekämpfen, solange er lebe. Noch mehr werde er aber dafür kämpfen, dass die andere Meinung stets gesagt werden könne. Die CDU ist gut beraten, sich in Puncto Meinungsfreiheit und Diskussionskultur nicht verstecken zu müssen.“

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Über Martin Lohmann 44 Artikel
Martin Lohmann studierte Geschichte, Katholische Theologie, Philosophie und Erziehungswissenschaften in Bonn. Er war Redakteur der Wochenzeitung "Rheinischer Merkur", Ressortleiter "Christ und Welt", stellv. Chefredakteur des "Rheinischen Merkur", Chefredakteur der Rhein-Zeitung, Moderator der TV-Sendung "Münchner Runde" und war u.a. Chefredakteur des Fernsehsenders K-TV. Er ist Autor zahlreicher Bücher zur Gesellschaftspolitik, Familienpolitik sowie Kirche und Ethik. Martin Lohmann ist Mitglied des Neuen Schülerkreises Joseph Ratzinger/Benedikt XVI. und Geschäftsführer der Akademie für das Leben gUG Bonn (www.akademiefuerdasleben.de)

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