Opferrente für IM der „Volkspolizei“?Entscheidung vor dem Landgericht Potsdam

In ihrem autobiografischen Buch „Ich wollte frei sein. Die Mauer, die Stasi, die Revolution“ (2011) berichtet die einstige Bürgerrechtlerin Vera Lengsfeld, vom 18. März bis 3. Oktober 1990 Abgeordnete der demokratisch gewählten „Volkskammer“, von einem Besuch im DDR-Zuchthaus Brandenburg-Görden. Dort hätte sie einen noch jungen, oppositionell eingestellten Häftling getroffen, dessen Eltern, hohe SED-Funktionäre, die den Verlust ihrer Privilegien befürchtet hätten, in Kooperation mit der kriminellen Organisation „Staatssicherheit“ dafür gesorgt hätten, dass der Sohn lebenslänglich hinter Zuchthausmauern verschwindet. Der Häftling wurde nachts aus der Zelle geholt und gezwungen, ein vorgefertigtes „Geständnis“ zu unterschreiben, dass er hätte ausbrechen und einen Grenzdurchbruch unternehmen wollen. Als der junge Mann sich weigerte, wurde er mit Benzin übergossen, und der MfS-Offizier drohte, ihn anzuzünden. Daraufhin unterschrieb er und wurde zu zweimal lebenslanger Haft verurteilt.
Die „Staatssicherheit“ war genauso kriminell wie die „Volkspolizei“. Vor dem Landgericht Potsdam ist der Fall des 1953 geborenen Hans-Jürgen O. anhängig, Der nach Heimerziehung und Jugendwerkhof dreimal wegen „Republikflucht“ verurteilt wurde und insgesamt fünf Jahre im Zuchthaus saß. Im Jahr 1976, noch in Haft, unterschrieb er eine Verpflichtungserklärung bei der „Kriminalpolizei“, die 1979 aufgehoben wurde wegen „Unehrlichkeit und Dekonspiration“. Als er unterschrieb, war er 22 Jahre alt und war massiv bedroht worden, zu weiteren zehn Jahren verurteilt zu werden. Vor Gericht geht es nun darum, ob er die 30 000 Euro Haftentschädigung und Opferrente, die er bisher bekommen hat, zurückzahlen soll. Auf das Urteil darf man gespannt sein.

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Über Jörg Bernhard Bilke 251 Artikel
Dr. Jörg Bernhard Bilke, geboren 1937, studierte u.a. Klassische Philologie, Gemanistik und Geschichte in Berlin und wurde über das Frühwerk von Anna Seghers promoviert. Er war Kulturredakteur der Tageszeitung "Die Welt" und später Chefredakteur der Kulturpolitischen Korrespondenz in der Stiftung ostdeutscher Kulturrat.

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