Populärphilosophie – Ein unordentliches Geschäft?

Selten war Philosophie so populär wie in diesen Zeiten. Was sich üblicherweise nur am Kamin in später Stunde im erlesenen Kreis bei Panzer oder Scobel abspielte, hat nun auch die abendlichen Sendeplätze erreicht. Kaum eine Woche vergeht, an dem er nicht zu Wort kommt, der aufstrebende Publizist, Journalist und Philosoph Richard David Precht.
Precht, 1964 in Solingen geboren, studierte Philosophie, Germanistik und Kunstgeschichte in Köln und wurde 1994 mit einer Arbeit über Robert Musil promoviert. Fast, so möchte man meinen, gelingt ihm das Unmögliche: Er erobert die Bestsellerlisten, erweist sich zunehmend als routinierter Rhetoriker, der zu allem etwas zu sagen weiß.
Precht ist der Shooting Star der gegenwärtigen Philosophie, er wird von seiner Fangemeinde schon liebevoll als Zeitgeist-Philosoph gefeiert. Es ist nicht Wilhelm Vossenkuhl, der im Bayerischen Fernsehen über philosophische Fragen reflektiert, der vom Mainstream wahrgenommen wird, sondern eben Precht, der auch in erlesene Zirkel, wie dem philosophischen Quartett Einlaß findet. Fast spielerisch, bei weitem aber nicht so sicher und überlegen im Auftreten wie die renommierten Größen der akademischen Szene, reflektiert er über den Zeitgeist, die Liebe, die Neurobiologie und über das Glück.
Fast aus dem Nichts legte Precht zwei Bestseller in Kürze vor, wobei das Nachschieben des Liebe-Buches taktisch hervorragend eingefädelt war. Von selbst entwickelt „Liebe, Ein unordentliches Gefühl“ eine Eigendynamik, die von „Wer bin ich und wenn ja, wie viele?“ profitiert. Fest steht: Precht macht Schluß mit der oft unverständlichen und mit Fremdwörtern übersäten Sprache, die Philosophen von Haus aus eigen ist. Fast leichtfüßig plaudert er über die abendländische Geschichte, als sei diese ein in sich geschlossenes System, das sich so nebenher verstehen läßt. Philosophie für den Hausgebrauch, dies ist wohl das Geheimrezept Prechts.
Doch bei genauerem Hinsehen erweist sich seine Auseinandersetzung mit der Philosophie als blasse Geschichtsschreibung, die sich zwar an den großen Fragen entlang hangelt, diese aber natürlich ebensowenig zu beantworten weiß. Man muß nicht erst Precht lesen, um zu wissen, daß „Philosophie ohne Naturwissenschaft“ leer ist. „Und Naturwissenschaften ohne Philosophie“ blind. Vieles, was hier zu lesen ist, ist bekannt, allzu bekannt. Und dennoch, oder zum Trotz, Prechts Bücher verkaufen sich. Laut Spiegel-Jahres-Bestsellerliste war zumindest „Wer bin ich und wenn ja, wie viele?“ das erfolgreichste deutsche Hardcover-Sachbuch des Jahres 2008.
Bei aller Kritik, die man im Einzelnen anführen könnte, die Fasrigkeit und Detailverliebtheit, die einen insbesondere in seinem Liebebuch „Liebe, ein unordentliches Gefühl“ ermüdet, Precht gelingt es, so scheint es zumindest, die Philosophie wieder im Leben zu verorten, sie, die zu Tode reflektierte Wissenschaft, die in ihrer Selbstbescheidenheit zu Anfang nichts anderes als die Freundin der Weisheit sein wollte, wieder zu beleben.
Nun gibt es zwar eine Vielzahl von gut geschriebenen Sachbüchern in der Philosophie, die sich den trocken-akademischen Stil auch verkneifen, doch keinem von diesen gelang nur annähernd der Erfolg, der sich bei Precht einstellte. So sehr der kritische Leser diese Art und Form Philosophie zu betreiben, beargwöhnt, Precht, der seine Gedanken einer „breiten Menge“ vortragen will, sei sein Erfolg vergönnt, selbst wenn dieser in aller Unbescheidenheit vermerkt: „Wenn über 200.000 Leute mein Buch lesen und sich damit beschäftigen, ist das toll für die Gesellschaft.“ Vielleicht scheint diese Auseinandersetzung mit der Philosophie, wenngleich dies traurig wäre, die derzeit einzig mögliche. So sehr die akademische Elite auf Precht vom Katheder herablächelt, möglich wäre, daß diese Populärphilosophie der akademischen den Rang abläuft.

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