Rückschlag für die „braune Regionalpartei“?

Das Abschneiden der NPD bei der Landtagswahl in Sachsen-Anhalt

Die selbst ausgegebenen Ziele waren hoch. Der NPD-Landesverband Sachsen-Anhalt wollte bei der Landtagswahl 2011 „sieben Prozent plus x“ holen. Der Einzug in den Landtag wurde allerdings mit 4,8% der Stimmen knapp verpasst. Während die NPD in den Landkreisen vor allem im Süden von Sachsen-Anhalt überproportional viele Stimmen holten, war das Ergebnis in den größeren Städten wie Magdeburg oder Halle eher enttäuschend. Im Wahlkreis Magdeburg II verbuchte die Partei lediglich 2,1% der Stimmen, im Wahlkreis Halle II waren es ebenfalls „nur“ 2,8%. Ihr bestes Ergebnis schaffte die NPD in Nebra mit 8,4% der Stimmen.[1]
Bei der Kommunalwahl 2009 konnten die Kandidaten 19 Mandate in Kommunalvertretungen in Sachsen-Anhalt erringen.[2] Dies diente der NPD als Plattform für den Landtagswahlkampf 2011. Die Mitgliederzahl des NPD-Landesverbandes Sachsen-Anhalt beträgt etwa 230 Personen. Durch die Einrichtung von „Bürgerbüros“ und das Abhalten von „Bürgersprechstunden“ festigt die NPD ihre lokale Verankerung und intensiviert den Kontakt zur Bevölkerung.
Neben der Straßenplakatierung verteilte die NPD Infoblätter und Wahlkampfzeitungen an Privathaushalte. Weiterhin betrieb die Partei in den größeren Städten wie Halle oder Magdeburg Infotische. Die Jugendorganisation der NPD, die Jungen Nationaldemokraten (JN), verfügt in Sachsen-Anhalt über einen Landesverband mit mehreren regionalen Stützpunkten. Die JN, die sich als Bindeglied zwischen der Partei und der so genannten „Freien Kameradschaften“ und „Autonomen Nationalisten“ versteht, hat in Sachsen-Anhalt mehr als50 Mitglieder.
Dass es in Sachsen-Anhalt ein beträchtliches rassistisches Wählerpotential gibt, zeigte sich bereits bei der Landtagswahl 1998, als die Deutsche Volksunion (DVU) ohne aktive Basis mit 12,3% der Stimmen das beste Ergebnis einer extrem rechten Partei bei Landtagswahlen seit der Gründung der BRD erzielen konnte. Die DVU wurde dabei besonders von jungen Männern und von Angehörigen der unteren Klassen mit niedrigem Bildungs- und Qualifizierungsniveau gewählt. Diese häufig als „Protestwähler“ bezeichnete Personengruppe vertritt in vielen Fällen eine fest fundierte rassistische Weltanschauung, wo „Ausländer“ als Sündenböcke für ihre eigene miserable zum Teil selbst verschuldete soziale Situation verantwortlich gemacht werden. Mit 38% erzielte die DVU unter männlichen Jungwählern mehr Stimmen als CDU, SPD und Bündnis 90/Grüne zusammen.[3]
Bei der letzten Landtagswahl erzielte die DVU in Sachsen-Anhalt 3,0% der Stimmen.
Die NPD erklärte im Vorfeld die Landtagswahl in Sachsen-Anhalt zu einem „Schwerpunktwahlkampf“ und gab dafür trotz ihrer finanziell angespannten Situation mehrere hunderttausend Euro aus, um den Einzug in den Landtag zu realisieren. Holger Apfel, einer der intellektuell führenden Köpfe der NPD und Fraktionsvorsitzender in Sachsen, war als „Wahlkampfleiter“ für die „professionellste NPD-Kampagne aller Zeiten“ verantwortlich.[4] Der verpasste Einzug in den Landtag trotz dieser Anstrengungen kann somit nur als strategische Niederlage der NPD gedeutet werden.
Daneben bedeutet das Scheitern an der 5%-Hürde auch ein finanzielles Desaster. Aus der staatlichen Parteienfinanzierung bekommt nun die Landespartei ca. 23.000 Euro und die Bundespartei ca. 16.000 Euro.[5] Der Einzug in den Landtag hätte für die NPD ein Vielfaches mehr an staatlichen Zuwendungen bedeutet und die Partei finanziell weiter vorangebracht. Wegen „Fehler in einem Rechenschaftsbericht“ drohen der NPD weiterhin millionenschwere Rückzahlungen an den Bundestag. In erster Instanz wurde die Partei 2010 zur Zahlung von 1,27 Millionen Euro verurteilt, in diesem Jahr folgt ein neues Verfahren vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg.
Kurz vor der Landeswahl veröffentlichte die Homepage „tagesschau.de“ den Beitrag eines „Junker-Jörg“ in einem Internetforum, in dem es um die Anleitung zur Herstellung von Sprengstoff und dem Aufruf, „linke Frauen zu schänden“ ging. Das Pseudonym „Junker-Jörg“ wurde vom Innenministerium Sachsen-Anhalts dem NPD-Spitzenkandidaten Heyder zugeordnet; das Landeskriminalamt leitete daraufhin gegen Heyder Ermittlungen ein.
Die NPD sah in der „Hetz- und Schmutzkampagne gegen uns“ den hauptsächlichen Grund für den verpassten Einzug in den Landtag. Außerdem wurde in verschwörungstheoretischer Manier argumentiert, dass das „System“ bei dem Auszählen der Stimmen bewusst manipuliert hätte.[6]
Innerhalb der demokratischen Parteien herrschte nach der Wahl Erleichterung darüber, dass die NPD den Einzug in den Landtag verpasst hatte. Dies ist gewiss zu begrüßen. Jedoch besteht die Gefahr, das Gefahrenpotential der extremen Rechten zu unterschätzen. 4.8% für eine offen auftretende neonazistische Partei müsste Alarmzeichen genug sein. Es gilt einzusehen, dass es der extremen Rechten inzwischen gelungen ist, ihre rassistischen, antisemitischen und völkischen Parolen in der Alltagskultur zu verankern. Dieses Problem muss als solches erkannt werden; Lippenbekenntnisse von politischen Verantwortlichen, dass es keine Gefahr von rechts gibt, schaden der demokratischen Kultur und entpuppen sich als Lebenslüge. Das Faktum, dass die NPD mehr Stimmen erreichte als die marktradikale FDP, sollte allen so genannten Experten zu denken geben. Auch die Tatsache, dass die NPD bei der Wählergruppe der jungen Männer zwischen 18 und 24 Jahren 18% Prozent und damit den zweitstärksten Wert nach der CDU erreichten, ist nicht wegzudiskutieren.[7]
Der Kommentator der taz bemerkt mit Recht: „Das Problem mit der NPD hängt nicht nur vom Abschneiden bei Landtagswahlen ab. Schließlich sitzen die Rechtsextremen in Sachsen-Anhalt schon mit knapp 30 Vertretern in kommunalen Parlamenten. Ganz zu schweigen von örtlichen Neonazis, die im Alltag in ihren Gemeinden versuchen, eine „kulturelle Hegemonie“ zu erlangen. Rechtsextremismus ist nicht nur am Wahltag ein Problem. Wenn die Kameras aus sind, sind die Nazis und ihre Anhänger immer noch da, auch wenn sie nicht in den Landtag kommen.“[8]
Dabei hilft nur die Erarbeitung neuer Strategien gegen die extreme Rechte, die vor allem langfristig angelegt sein müssen. Bei der Diskussion um Gegenstrategien gibt es keine einfachen Antworten und auch kein Patentrezept: es gilt eine offene Diskussion anzustoßen, wie die demokratische Kultur gestärkt und Rechtsextremismus bekämpft werden kann.
Literatur
– Elsässer, J.: Braunbuch DVU. Eine deutsche Arbeiterpartei und ihre Freunde, Hamburg 1998
– Ministerium des Innern des Landes Sachsen-Anhalt (Hrsg.): Verfassungsschutzbericht 2009, Magdeburg 2010
– http://blog.zeit.de/stoerungsmelder/2011/03/21/lange-gesichter-bei-der-npd_5924
– http://npd-blog.info/2011/03/21/analyse-npd-scheitert-an-den-stadten/
– www.taz.de/1/politik/deutschland/artikel/1/neonazis-praktizieren-abbau-ost/
– www.taz.de/1/debatte/kommentar/artikel/1/neonazis-verschwinden-nicht/


[1] http://npd-blog.info/2011/03/21/analyse-npd-scheitert-an-den-stadten/
[2] Ministerium des Innern des Landes Sachsen-Anhalt (Hrsg.): Verfassungsschutzbericht 2009, Magdeburg 2010, S. 55
[3] Elsässer, J.: Braunbuch DVU. Eine deutsche Arbeiterpartei und ihre Freunde, Hamburg 1998, S. 7
[4] www.taz.de/1/politik/deutschland/artikel/1/neonazis-praktizieren-abbau-ost/
[5] Ebd.
[6] http://blog.zeit.de/stoerungsmelder/2011/03/21/lange-gesichter-bei-der-npd_5924
[7] www.taz.de/1/politik/deutschland/artikel/1/neonazis-praktizieren-abbau-ost/
[8] www.taz.de/1/debatte/kommentar/artikel/1/neonazis-verschwinden-nicht/

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Über Michael Lausberg 545 Artikel
Dr. phil. Michael Lausberg, studierte Philosophie, Mittlere und Neuere Geschichte an den Universitäten Köln, Aachen und Amsterdam. Derzeit promoviert er sich mit dem Thema „Rechtsextremismus in Nordrhein-Westfalen 1946-1971“. Er schrieb u. a. Monographien zu Kurt Hahn, zu den Hugenotten, zu Bakunin und zu Kant. Zuletzt erschien „DDR 1946-1961“ im tecum-Verlag.

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