300. Geburtstag: Mit Immanuel Kant zum ewigen Frieden

Manfred Kühn, Kant – Eine Biographie, dritte Auflage München 2024, Originalausgabe 2004, 639 Seiten, geb., ISBN 978-3-406-81460-0, 25 Euro.

Ein flächendeckender Weltenbrand zerstört derzeit wieder menschliche Existenzen. Sinnlose Gewalt und die Tränen der Opfer nagen an den unschuldigen Seelen. Ob in der Ukraine, dem Nahen Osten – der Krieg erweist sich als großes Drangsal einer Menschheit, die eigentlich nach Frieden dürstet. Wie im Zweiten Weltkrieg die ehemalige Königlich Preußischen Haupt- und Residenzstadt Königsberg in Schutt und Asche gelegt wurde, regiert heute der Leviathan, das übermächtige Ungeheuer – mit unvorstellbarer Macht und Gewalt.

Bereits Hegel hatte bemerkt“: „Was die Erfahrung aber und die Geschichte lehren, ist dieses, daß Völker und Regierungen niemals etwas aus der Geschichte gelernt und nach Lehren, die aus derselben zu ziehen gewesen wären, gehandelt haben.“ In diesem Königsberg, heute trauriges Mahnmal von Zerstörung und blinder Raserei, wurde vor 300 Jahren der Superstar der Philosophie, Immanuel Kant (1724-1804), geboren. Und 300 Jahre nach seiner Geburt gleicht die Welt wieder einem Karfreitag – trotz Aufklärung und dem mit ihr verbundenen Optimismus des Siegeszuges der Vernunft. Doch die Aufklärung ist in ihr Gegenteil gekippt, die Dialektik der Rationalität endet im Wahnsinn, im Imperialismus eines Putins oder Netanjahu samt ihren hegemonialen Ambitionen, die sich jeder Vernunft entziehen.

Kant war es einst, der das Feuer der Vernunft neu anzündete, der gegen alles Unrecht seine praktische Philosophie und Rechtslehre stellte. Den kategorischen Imperativ entwarf er als kritische Prüfung von Handlungen und Normen. Und sofern er für endliche Vernunftwesen per se gilt, nimmt er alle Menschen unter allen Bedingungen in die Pflicht und formuliert so die universelle Form des Sittengesetzes. „Handle so, dass du die Menschheit sowohl in deiner Person, als in der Person eines jeden anderen jederzeit zugleich als Zweck, niemals bloß als Mittel brauchst.“

„Das Recht der Menschen muß heiliggehalten werden, der herrschenden Gewalt mag es auch noch so große Aufopferung kosten“

Gegen die Kriegswüten und die -müdigkeit seiner Zeit hatte Kant 1795 seine berühmte Schrift „Zum ewigen Frieden, Ein philosophischer Entwurf“ geschrieben. Der Königsberger Philosoph, für den das radikal Böse als Naturzustand zum Wesen des Menschen gehört, will Frieden, der, eben weil er kein natürlicher Zustand ist, erst gestiftet werden muss. „Das Recht der Menschen muß heiliggehalten werden, der herrschenden Gewalt mag es auch noch so große Aufopferung kosten,“ fordert er. Nur eine republikanische Rechtsordnung ist die Garantie für diesen Vernunftfrieden und Despoten und Oligarchen à la Putin widersprechen der republikanischen Idee des Rechtes per se.

Kein Staat, so Kant, der neben dem Staatsbürgerrecht, die Idee vom Völkerbund und das Weltbürgerrecht entwirft, darf sich in die Verfassung und Regierung eines anderen einmischen. Der Krieg gegen die Ukraine wäre für ihn demnach eine klare Verletzung dieses Grundsatzes. Dennoch ist für den Philosophen Frieden nicht dadurch zu erreichen, dass immer mehr Waffen geliefert werden, nicht dadurch, dass der Krieg verlängert wird und damit das Töten auf beiden Seiten kein Ende findet.

Kant würde wie heute Papst Franziskus für Demokratie werben

Vielmehr würde Kant, wie unlängst Papst Franziskus, für Diplomatie werben, für einen Frieden auf Basis der Vernunft. Wirkliche Staatsklugheit müsste auf Friedensverhandlungen hinwirken. Gerade in einer Zeit, die nach dem Zusammenbruch des Kalten Krieges auf einen neuen Weltenbrand zusteuert, ist Kants Utopie eines ewigen Friedens heute aktueller denn je. Dem Unrecht des Naturzustandes lässt sich nur mit einer universalen Rechtssicherheit, die das menschliche Leben verbindlich regelt, begegnen. Und statt „Waffenstillständen ist ein echter Friede zu schließen, der jegliche Vorbereitung eines weiteren Krieges ausschließt.“ Wenn die dämonischen Kriegstreiber bar jeder Vernunft zündeln, obliegt es der Weltgemeinschaft dennoch an den Verhandlungstisch zu treten. Denn Krieg bleibt für den Aufklärer die „Umkehrung des Endzwecks der Schöpfung selbst.“

Das Bild entstammt der Publikation: Manfred Kühn, Kant – Eine Biographie, dritte Auflage München 2024, Originalausgabe 2004, 639 Seiten, geb., ISBN 978-3-406-81460-0, 25 Euro.

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Über Stefan Groß-Lobkowicz 2126 Artikel
Dr. Dr. Stefan Groß-Lobkowicz, Magister und DEA-Master (* 5. Februar 1972 in Jena) ist ein deutscher Philosoph, Journalist, Publizist und Herausgeber. Er war von 2017 bis 2022 Chefredakteur des Debattenmagazins The European. Davor war er stellvertretender Chefredakteur und bis 2022 Chefredakteur des Kulturmagazins „Die Gazette“. Davor arbeitete er als Chef vom Dienst für die WEIMER MEDIA GROUP. Groß studierte Philosophie, Theologie und Kunstgeschichte in Jena und München. Seit 1992 ist er Chefredakteur, Herausgeber und Publizist der von ihm mitbegründeten TABVLA RASA, Jenenser Zeitschrift für kritisches Denken. An der Friedrich-Schiller-Universität Jena arbeitete und dozierte er ab 1993 zunächst in Praktischer und ab 2002 in Antiker Philosophie. Dort promovierte er 2002 mit einer Arbeit zu Karl Christian Friedrich Krause (erschienen 2002 und 2007), in der Groß das Verhältnis von Metaphysik und Transzendentalphilosophie kritisch konstruiert. Eine zweite Promotion folgte an der "Universidad Pontificia Comillas" in Madrid. Groß ist Stiftungsrat und Pressesprecher der Joseph Ratzinger Papst Benedikt XVI.-Stiftung. Er ist Mitglied der Europäischen Bewegung Deutschland Bayerns, Geschäftsführer und Pressesprecher. Er war Pressesprecher des Zentrums für Arbeitnehmerfragen in Bayern (EZAB Bayern). Seit November 2021 ist er Mitglied der Päpstlichen Stiftung Centesimus Annus Pro Pontifice. Ein Teil seiner Aufsätze beschäftigt sich mit kunstästhetischen Reflexionen und einer epistemologischen Bezugnahme auf Wolfgang Cramers rationalistische Metaphysik. Von August 2005 bis September 2006 war er Ressortleiter für Cicero. Groß-Lobkowicz ist Autor mehrerer Bücher und schreibt u.a. für den "Focus", die "Tagespost".