Wulff, der fleißige Schweiger

Seit nunmehr fast einem Jahr bekleidet Christian Wulff das Amt des Bundespräsidenten. Aufsehen erregte Wulff durch seine Rede zum 20. Jahrestag der Deutschen Einheit am 3. Oktober 2010, als er davon sprach, dass der Islam ebenso wie das Juden- und Christentum zu Deutschland gehören würde. Seine Aussage zog eine Vielzahl von Kontroversen nach sich. Seither ist es verhältnismäßig ruhig um Wulff geworden. Der Mann, der einst in der Debatte um Managergehälter keinerlei Geschichtsbewusstsein bewies und vor einer Pogromstimmung gegen Manager warnte, zieht es eher vor, Flugmeilen zu sammeln und die Bundesrepublik im Ausland zu repräsentieren, als sich den Debatten im Inland zu stellen. Über zukunftsweisende Fragen zur Energiegewinnung, zum Euro oder zu den Griechenlandhilfen schweigt Wulff beharrlich.

Flugmeilensammler ohne Ziel

Zum Amtsantritt reiste Wulff nach Frankreich, Belgien, Südafrika, Polen, Österreich und Italien. Mit der Schweiz, Türkei, Russland, Katar, Kuwait, Spanien, Portugal, Mexiko, Costa Rica, Brasilien und Israel sowie den Palästinensergebieten folgten schnell weitere Reiseziele. Als erster deutscher Politiker hielt Wulff eine Rede vor der Nationalversammlung der Türkei und griff das Thema Integration erneut auf. Wulff, der allzu gerne ein Präsident aller in Deutschland lebenden Menschen wäre, gab zu Beginn seiner Kandidatur für dieses Amt als Ziel an, Hoffnung und Optimismus zu verbreiten.
Euphorie hat er nie entfacht, dennoch haben seine anfänglichen Versuche, sich in die Integrationsdebatte einzuschalten, Anlass zur Hoffnung gegeben, dass er sich zumindest stärker zu aktuellen Themen äußern würde. Seinem Ziel, Hoffnung und Optimismus zu verbreiten, ist er fern geblieben. Viel zu selten meldet er sich zu Wort und viel zu häufig ist er aufgrund einer Dienstreise abwesend. Scheinbar ziellos wandelt Wulff umher. Er hat seine Linie, die er verfolgen möchte, sein Thema, dem er sich während seiner Amtszeit widmen will, noch immer nicht gefunden.

Wulff und die ewige Suche nach Profil

Wulff tut sich sichtlich schwer mit dem Amt des Bundespräsidenten. Er ist immer noch nicht angekommen in seiner nunmehr fast einjährigen Rolle als Bundespräsident. Die Frage, ob er jemals ankommen wird, stellt sich. Je länger seine Amtszeit andauert, desto wahrscheinlicher scheint es, dass er wohl als dröger, profilloser und zielloser Präsident in die Geschichtsbücher eingehen wird.
Weder die Bürgernähe noch das Abhalten von Redebeiträgen liegen ihm. Redegewand wie Joachim Gauck oder Richard von Weizsäcker ist Wulff nicht. Er wirkt geradezu unsicher, ja fast schon gequält, bei der Formulierung seiner Beiträge. Da sehnt sich der eine oder andere nach dem charismatischen Gauck und dessen tiefgehenden, wohl durchdachten und ruhig formulierten Redebeiträgen.
Wulff zieht es eher vor, zu repräsentieren, als sich verstärkt in Debatten einzubringen. Sicherlich ist die Repräsentation eine der Hauptaufgaben des Bundespräsidenten. Allerdings obliegt es dem Bundespräsident, neben den repräsentativen Aufgaben, auch die Macht der Rede zu nutzen. Als sich Wulff zu Beginn seiner Amtszeit der Integrationsdebatte anzunehmen schien, konnte man noch hoffen, dass er sich dieser Macht durchaus bewusst wäre. Schnell zeichnete sich jedoch ab, dass seine seltenen Redebeiträge weitestgehend bedeutungslos bleiben würden.
In der Rolle des Präsidenten wirkt er zunehmend verkrampft. Die Bürde dieses Amtes scheint für ihn immer stärker zur Belastung zu werden. Seine vielen Reisen zeugen von einem gewissen Fleiß, wirken bisweilen aber auch wie eine Art Flucht.
Die Sehnsucht nach einer Persönlichkeit, die das Amt zu nutzen und auszufüllen weiß, wird unter Wulff wohl weiter wachsen.
Profil zeigen, dazu hätte Wulff unzählige Möglichkeiten in dieser Zeit. Themen wie Integration, Europäische Union, regenerative Energiegewinnung, all jene Unwägbarkeiten, verlangen geradezu nach einer zukunftsweisenden Positionierung und Profilierung.

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