Bundessozialgericht: Keine ausreichende Altersvorsorge in der gesetzlichen Rentenversicherung ohne konsequente Anwendung der Sonderregelungen für unständig Beschäftigte

Höhere Rentenanwartschaften für Schauspieler

Masken, Foto: Stefan Groß
Das Bundessozialgericht hat in einem Grundsatzurteil dem Schauspieler Hans-Georg Panczak recht gegeben, der für die von ihm geleisteten drei Drehtage nach den Sonderregelungen für unständig Beschäftigte abgerechnet werden wollte, um weitaus höhere Rentenanwartschaften zu
erwerben.
Die betroffene Produktionsfirma hatte für ihn im Jahre 2009, auf Basis der zwischen dem BFFS,
der Produzentenallianz und den Spitzenverbänden der Sozialversicherungsträger abgestimmten
„Zusatzleistungsformel“ wesentlich niedrigere Rentenversicherungsbeiträge (um das ca. 6,5-fache) abgeführt.
Nun hat das Bundessozialgericht dessen Krankenkasse verpflichtet, bei der Produktionsfirma für die drei Drehtage über die bisher eingezogenen 250,74€ hinaus zusätzlich 1.426,83 € an Rentenversicherungsbeiträgen für ihn einzuziehen.
Dabei hat das Bundessozialgericht explizit festgestellt, dass die Sonderregelungen für die
Beitragsbemessung unständig Beschäftigter nicht dadurch unterlaufen werden können, dass
zusätzlich zu den möglichen konkreten Arbeitstagen (hier: Drehtagen) vorsorglich ein größerer
zeitlicher Korridor um diese Termine herum gebildet wird.
Bei der Frage, ob eine unständige Beschäftigung vorliegt, sind demnach nur die tatsächlichen
Arbeitseinsätze (Drehtage) relevant und auf keinen Fall können sämtliche den zeitlichen Korridor
umfassenden Tage zusammengezählt werden. Dabei sind die zeitlichen Drehkorridore jeweils
gesondert für sich zu betrachten.
Im Ergebnis hat das Bundessozialgericht die Anwendung des Besprechungsergebnisses der
Spitzenverbände der Sozialversicherungsträger zur versicherungsrechtlichen Beurteilung von Film-und Fernsehschauspielern vom 07./08.05.2008, das auf der Übereinkunft zwischen Bundesverband der Film- und Fernsehschauspieler e.V. (BFFS) und Bundesverband Deutscher Fernsehproduzenten e.V. (BV) vom 28.12.2007 beruht, für rechtswidrig und als Umgehung der Sonderregelungen für die Beitragsbe-messung unständig Beschäftigter angesehen.
Das Bundessozialgericht hat ausdrücklich festgestellt, dass zur Bestimmung, ob eine unständige Beschäftigung vorliegt, die Addition sämtlicher potentieller Arbeitstage ausscheidet. Die
Regelungen der Übereinkunft zwischen Bundesverband der Film- und Fernsehschauspieler e.V. (BFFS) und Bundesverband Deutscher Fernsehproduzenten e.V. (BV) durften und dürfen somit nicht zur sozialversicherungsrechtlichen Beurteilung von Film- und Fernsehschauspieler*innen herangezogen werden.
Es liegt nicht in der Hand der Arbeitsvertragsparteien darüber zu entscheiden, welcher versicherungsrechtliche Status vorliegt. Dies widerspräche, so formuliert das Bundessozialgericht in aller Deutlichkeit, Sinn und Zweck der für unständig Beschäftigte geltenden Sonderregelungen.
Die Zugrundelegung einer nur anteiligen Beitragsbemessungsgrenze sei zwar zum Vorteil des
Arbeitgebers, weil erhebliche Teile des Arbeitsentgelts beitragsfrei blieben, ermögliche aber den betroffenen Schauspieler*innen letztlich keine ausreichende Altersvorsorge in der gesetzlichen
Rentenversicherung.
Somit wurde die Überzeugung des Interessenverband Deutscher Schauspieler e.V. (IDS), der auf diese Problematik von Anfang an hingewiesen und vor der drohenden Altersarmut gewarnt hat, die aus der Anwendung der Regelungen der Übereinkunft zwischen Bundesverband der Film- und
Fernsehschauspieler e.V. (BFFS) und Bundesverband Deutscher Fernsehproduzenten e.V. (BV) und der Umgehung der Sonderregelungen für unständig Beschäftigte resultiert, höchstrichterlich
bestätigt.
Am Beispiel des vom Bundessozialgericht entschiedenen Falls des Schauspielers Hans-Georg
Panczak kann jeder abschätzen, in welch dramatischem Ausmaß dem ganz überwiegenden Teil der Film- und Fernsehschauspieler*innen seit nunmehr 10 Jahren Rentenanwartschaftsansprüche durch die rechtswidrige Anwendung der vom BFFS erfundenen „Zusatzleistungsformel“
vorenthalten worden sind.
Der IDS hat den Schauspieler Hans-Georg Panczak bei seinem Verfahren unterstützt, um den
Sonderregelungen für unständig Beschäftigte wieder Geltung zu verschaffen und den
Schauspieler*innen somit wieder die gesetzlich vorgesehene Möglichkeit zu geben, eine ihren
Leistungen angemessene Rente zu erwirtschaften.
Mit Bedauern hat der IDS zur Kenntnis genommen, dass der Bundesverband Schauspiel e.V.
(BFFS) Ende 2007 diese bereits mehrfach genannte Übereinkunft mit der heutigen
Produzentenallianz getroffen und so maßgeblich daran mitgewirkt hat, dass für Schauspieler*innen nicht die gesetzlich vorgesehenen Rentenversicherungsbeiträge abgeführt worden sind, weil sehenden Auges die gesetzlichen Sonderregelungen, die der drohenden Altersarmut entgegenwirken, durch eben diese Übereinkunft des BFFS mit der Produzentenallianz ausgehebelt wurden.
Wir erwarten daher, dass der Bundesverband Schauspiel e.V. (BFFS) die Schauspieler*innen nun
rückhaltlos unterstützt, denen wegen der rechtswidrigen Anwendung der „Zusatzleistungsformel“, als deren Schöpfer sich der BFFS bezeichnet, erhebliche Rentenanwartschaftszeiten vorenthalten
wurden.
Das von Hans-Georg Panczak erstrittene Urteil wirkt nämlich nicht nur für die Zukunft, sondern
eröffnet auch allen anderen betroffenen Schauspieler*innen die Möglichkeit, die in der Vergangenheit zu wenig entrichteten Beiträge über ihre Krankenkasse einzufordern.
Der Interessenverband Deutscher Schauspieler e.V. (IDS) wird aufmerksam beobachten, ob und in
welcher Weise sich der BFFS nun bemühen wird, den durch ihn mitverursachten Schaden wieder
gut zu machen und den betroffenen Schauspieler*innen zu den ihnen zustehenden, weitaus höheren Rentenanwartschaften – auch für die letzten 10 Jahre – zu verhelfen.
Bundessozialgericht, Urteil vom 14.03.2018, B 12 KR 17/16 R:
BSG-Urteil vom 14.03.2018

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