Der Chemiker Wolfgang Döbereiner befürwortet Robert Schumanns Promotion in Jena

Robert Schumann und seine spätere Frau Clara Wieck mussten lange auf ihre Hochzeit warten: sein kommender Schwiegervater verweigerte nicht nur die Erlaubnis dazu, sondern er strengte zudem einen langwierigen Prozess gegen die jungen Leute an, um die Eheschließung zu verhindern, wobei er nicht davor zurückschreckte, Schumann der Trunksucht zu bezichtigen. Nun hatte der erfahrene Klavierpädagoge allerdings seine Tochter schon in jungen Jahren zu einer hervorragenden Virtuosin ausgebildet, in der Hoffnung, nun aus seinen Bemühungen auch entsprechende wirtschaftliche Ergebnisse zu erhalten. So manche Auszeichnung war ihr bereits zuteil geworden, und bei Robert Schumann bezweifelte er zudem, ob dieser mit seinem Einkommen eine Familie ernähren könne. Ganz ohne Ehrungen war zwar auch dieser bis dahin nicht geblieben, Ehrenmitgliedschaften in Musikgesellschaften konnte er sehr wohl aufweisen, was aber zählte vor dem Gericht?
Clara Schumann hatte in Jena bereits 1836 in den Rosensälen gastiert. Das bedeutete nicht nur, sich beizeiten einen Termin für den Konzertsaal zu besorgen und die hinzu gehörige Werbung zu machen, auch eine Clara Wieck musste bei der Polizei um eine Erlaubnis für die Veranstaltung nachfragen. Allerdings nahm ihr der Konzertdiener Götze die Lauferei dafür ab. In dem Programm sucht man allerdings vergebens nach einer Komposition von Robert Schumann. Obwohl die Musikerin noch Jahrzehnte als Pianistin gefeiert wurde, ist sie nur einmal noch, in der Nähe ihres Hochzeitstages 1840, zu einem Konzert nach Jena gekommen.
Robert Schumann war als Herausgeber der Neuen Zeitschrift für Musik längst mit dem Diakon der heutigen Friedenskirche in Jena, Dr. Gustav Adolph Keferstein, bekannt geworden, der auch für diese Zeitung ab und zu Artikel schrieb. Nun fragte der Musiker bei ihm an, was für Voraussetzungen Ihr eine Promotion in Jena erforderlich seien. Er bot auch an. eine Arbeit über Shakespeare und die Musik zu schreiben. Aber schließlich landeten in Jena drei bereits veröffentlichte Artikel über Chopin und dessen Klavierkonzerte, über ein Denkmal für Beethoven und ein mehrteiliger über Hector Berlioz und dessen Phantastische Symphonie, dazu so etwas, was man heute polizeiliche Führungszeugnisse nennt und einiges andere. Von dem Einreichen des Antrages beim Dekan der Philosophischen Fakultät bis zum Absenden der Urkunde mit einer lobenswerten Einschätzung der bisherigen Leistungen des Musikers sowohl in kompositorischer als auch musikschriftstellerische Weise, verging nicht mehr als eine Woche, und bald konnte dieser erfreut seiner gerade auswärts gastierenden Braut melden, dass er nun in Jena Doktor der Philosophie geworden sei. Sogar die Reise nach Jena blieb ihm erspart. Es ist den Gerichtsakten nicht im Einzelnen zu entnehmen, aber den beiden jungen Menschen wurde entgegen dem Ansinnen des Brautvaters die Hochzeitserlaubnis erteilt, so dass sie bald in dem Dorf Schönefeld bei Leipzig getraut werden konnten.
Etwas war allerdings rar solch eine Promotion erforderlich: man musste sich einig sein im Senat. Als später Richard Wagner für eine Ehrung vorgeschlagen wurde, scheiterte alles an der Uneinigkeit.
Nun waren zum Zeitpunkt von Schumanns Bewerbung die Begebenheiten auch günstig. Die Universität wurde von dem Prorektor Ferdinand Gotthelf Hand (1786-1851) geleitet, Rektor war der jeweilige Herzog bzw. Großherzog in Weimar. Hand, von Beruf Professor für griechische Sprache und Literatur, hatte auch musikwissenschaftliche Vorlesungen gehalten und mit lobenswerter Sorgfalt die Akademischen Konzerte begleitet, seine akkuraten Abrechnungen sind noch erhalten: Was das für eine Leistung war, bekam man in Jena bald zu spüren. Ferdinand Hand begleitete für längere Zeit die Prinzessinnen an den Zarenhof, und als er zurückkam, lagen die Konzerte danieder. Hand war ein Förderer des Chorwesens, was auch ihm mit Ehrenmitgliedschaft gedankt wurde. Seine zweibändige „Ästhetik der Tonkunst“ war vor wenigen Jahren noch Gegenstand einer Dissertation.
Im Senat saß damals zudem Christian Einst Gottlieb Reinhold (1795-1855), Dekan der philosophischen Fakultät, ein Enkel des Dichters Wieland. Bei Reinhold hatte auch der Diakon Keferstein einst promoviert, der mit ihm befreundet war.
Hinzu kamen der Philosoph Karl Friedrich Bachmann (1786-1855), der Senior der Fakultät und Professor der Eloquentia Heinrich Karl Abraham Eichstädt (1772-1848), der Philologe Karl Wilhelm Göttling (1793-1869) und der Agrarwissenschaftler Friedrich Gottlob Schulze (1795-1860). Bekannt sind vor allem durch ihren Einfluss auf die Studentenbewegung und das Burschenschaftswesen Jakob Friedrich Fries (1773-1843) und Heinrich Luden (1778-1847). Am Ende der Liste steht der Name Johann Wolfgang Döbereiner (1780-1949), der eigentlich gar keinen rechten Schulunterricht genossen haue und das Wohlwollen sowohl des Herzogs als auch Goethes genoss. Er hätte zumindest mit seiner weittragenden Erfindung, der Katalyse, die heute manchen chemischen Industriezweig beherrscht, einiges verdienen können, allein er war der Meinung, dass Forschungsergebnisse wie die seinen der Allgemeinheit zum Nutzen zu sein hätten. Das „Platinfeuerzeug“ war vor einiger Zeit sogar als Souvenir zu haben. Döbereiner hat viel mehr auf die Beine gestellt, so entdeckte er, dass bei der Oxydation von Zucker oder Weinsäure Ameisensäure entsteht. Und für das heutige Periodensystem der Elemente entwickelte er die Triadenregel als Vorstufe.
Im Tagebuch von Robert Schumann findet man eine Eintragung, dass er von einer Geldanlage einiges abgehoben hat, eben zur Begleichung der Promotionsgelder in Jena. Diese wurden, außer für den Druck der Urkunden und die Postgebühren an die Unterzeichneten aufgeteilt und stellten einen nicht unwesentlichen Teil ihrer Einnahmen dar, was übrigens zur Folge hatte, dass man nicht sonderlich lange diese Ämter bekleiden, allerdings später nochmals gewählt werden konnte.
Selbst in neuen Ausgaben von Büchern über Robert Schumann von namhaften Autoren findet man auch heute noch nicht selten die Behauptung, dass es sich um eine Ehrenpromotion gehandelt habe. Derlei ist durchaus ebenso lange längst zurückgewiesen worden, aber anscheinend unausrottbar. Es wäre schon etwas eigentümlich gewesen, wenn für eine Ehrenpromotion Gebühren fällig geworden wären, aber Schumann hat solche bezahlt. Abgesehen davon ist der Text der Urkunde eindeutig. Die späteren Musikerehrungen der Universität zu Jena machten die Auserwählten allerdings wirklich zu Ehrendoktoren, angefangen von Giacomo Meyerbeer, dessen Musik zur Zeit der Auszeichnung in Jena allerdings längst mehrfach im Konzertprogramm zu finden war, bis zu Wilhelm Stade, Hans von Bülow und manchen anderen, schließlich 1908 an den vergleichsweise jungen Max Reger, der dafür im ersten Weltkrieg bis zu seinem Tod kostenlos die Akademischen Konzerte am Leben erhalten hat, als Pianist mitwirkte und sich nicht zu schade dazu war, vorher an der Kasse zu sitzen. Bei einer dieser Veranstaltungen in den Rosensälen hat er mit seinein Freund. dem Gewandhauscellisten Julius Klengel die Stücke im Volkston von Robert Schumann gespielt, aber vorher hatte Reger schon mit dem Böhmischen Quartett Schumanns Klavierquintett Es-Dur op. 44 ans 6. Februar 1911 in den Rosensälen dargeboten.

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