I hope the Russians love their children too

grenzen land karte russland, Quelle: OpenClipart-Vectors, Pixabay License Freie kommerzielle Nutzung Kein Bildnachweis nötig
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Der britische Sänger Sting hat vor fast 40 Jahren eine Ballade über Russland und die Russen komponiert. Sie ist weltbekannt geworden und taucht jetzt angesichts des schrecklichen Vernichtungskrieges Russlands gegen die Ukraine wieder auf. Anlass war im Jahr 1985 das atomare Wettrüsten und wechselseitigen nuklearen Bedrohungen durch den russischen Präsidenten Chrustschow und den amerikanischen Präsidenten Ronald Reagan. Jetzt im Februar 2022 droht der russische Präsident Putin mit dem Einsatz von Atomwaffen, um die NATO davon abzuhalten, die angegriffene Ukraine militärisch zu unterstützen. Der Refrain des Songs von Sting lautet: „I hope the Russians love their children too.“

Das atomare Wettrüsten in den 80er Jahren

Nach dem Zweiten Weltkrieg kam es zunehmend zu einer wechselseitigen Eskalation zwischen den USA und Russland, deren Folge ein atomares Wettrüsten war. Der Höhepunkt dieser Eskalation war schließlich die Kuba-Krise im Jahr 1962, durch die ein neuer Weltkrieg drohte. Die wechselseitige atomare Abschreckung führte zum Kalten Krieg. Der Eiserne Vorhang und die Berliner Mauer wurden zum Symbol des Kalten Krieges. Vierzig Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg fühlte sich der Sänger Sting zu seinem Lied veranlasst. Der heutige Kriegsverbrecher Putin war damals als KGB-Agent auf deutschem Boden aktiv – überwiegend in Dresden und im Gebiet der DDR.       

Die Rockballade „Russians“ des britischen Sängers Sting im Jahr 1985

Die Rockballade „Russians“ drückt eine Hoffnung angesichts der Angst aus, die natürlicherweise durch eine atomare Bedrohung entsteht. Deshalb lautet auch der Refrain des Liedes „I hope th Russians love their children too.“ Bei der Komposition der Musik ließ sich Sting von der Musik des russischen Komponisten Sergei Prokofjew inspirieren.

Russians

In Europe and America there’s a growing feeling of hysteria
Conditioned to respond to all the threats
In the rhetorical speeches of the Soviets
Mister Krushchev said, „We will bury you“
I don’t subscribe to this point of view
It’d be such an ignorant thing to do
If the Russians love their children too

How can I save my little boy from Oppenheimer’s deadly toy?
There is no monopoly on common sense
On either side of the political fence
We share the same biology, regardless of ideology
Believe me when I say to you
I hope the Russians love their children too

There is no historical precedent
To put the words in the mouth of the president?
There’s no such thing as a winnable war
It’s a lie we don’t believe anymore
Mister Reagan says, „We will protect you“
I don’t subscribe to this point of view
Believe me when I say to you
I hope the Russians love their children too

We share the same biology, regardless of ideology
But what might save us, me and you
Is if the Russians love their children too

Die Botschaft von Sting

Die Hoffnung, die Sting ausdrückt, stellt der möglichen atomaren Vernichtung der Welt und der Menschheit einen Überlebenswillen gegenüber. Kinder symbolisieren besonders die Hoffnung auf eine Zukunft. Auch die Russen haben Kinder und Sting hofft, dass die Verantwortlichen in Russland an einem Weiterleben ihrer Kinder interessiert sind. Den brutalen Vernichtungswaffen des Kalten Krieges stellt er die Wärme der Kinderaugen und Gefühle gegenüber. Das übergeordnete Ganze, das einen höheren Sinn vermitteln könnte, sieht Sting in der biologischen Gemeinsamkeit aller Menschen. Er stellt bewusst die Biologie der Ideologie gegenüber. Die Biologie verdeutlicht das Gemeinsame, während die Ideologie die Gegensätze betont.

Der Refrain der Sting-Ballade als Headline eines bekannten Resilienz-Buches

Bei der Auseinandersetzung mit den Ergebnissen der modernen Resilienz-Forschung entdeckte der Autor den Refrain der Sting-Ballade als Überschrift in einem Buch über die Resilienz. Diese relativ neue Forschungsrichtung hat viele Gemeinsamkeiten mit der Stressforschung und mit der Psychologie der Bewältigung von Krisen oder Traumata (Coping-Forschung). Resilienz beschreibt die psychische Widerstandskraft von Individuen, Institutionen oder Gesellschaften. Angesichts der zahlreichen globalen Krisen im 21. Jahrhundert taucht der Begriff der resilienten Gesellschaft in zahlreichen Wissenschaftsdisziplinen auf (Brunnermeier 2021, Csef 2022). Immer mehr Politiker verwenden neuerdings den Resilienzbegriff in ihren Reden. Die Überschrift „I hope the Russians love their children too“ steht im Resilienz-Buch von Raffael Kalisch (2017). Kalisch ist Professor für Bildgebung und Hirnforscher an der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz. Er war zudem Gründungsmitglied des Leibniz-Instituts für Resilienzforschung in Mainz (LIR) und leitet dort eine der zehn Forschungsabteilungen. Das LIR ist mittlerweile die führende Forschungseinrichtung zur Resilienz in Europa.

In dem Kapitel mit der Russians-Überschrift geht der Resilienzforscher Kalisch auf die existentiellen Dimensionen der Resilienz und auf die Frage nach einem höheren Sinn ein. Nicht zufällig schildert er zwei Menschen als Vorbild, die angesichts existentieller Bedrohung große Menschenwürde und Mut bewiesen haben: Dietrich Bonhoeffer und Viktor Frankl. Beide wurden vom Nazi-Regime bedroht. Bonhoeffer wurde hingerichtet und Frankl wurde ins Konzentrationslager Auschwitz verschleppt. Er überlebte das KZ und wurde zum Begründer der Logotherapie und Existenzanalyse. Kalisch betont in diesem Kapitel, dass nach den Ergebnissen der Hirnforschung der Mensch gar nicht anders kann, als nach einem höheren Sinn zu suchen.

„Ohne höhere Ziele, ohne einen Sinn geht es nicht. Wir können nicht anders. Wir sind zum Sinnsuchen verdammt.“ Den menschlichen Geist bezeichnet er als eine „Sinnsuch-Maschine“. (Kalisch 2017, S.205).

Die Neufassung der „Russians“-Ballade durch Sting im März 2022

Fast vierzig Jahre nach seiner Erstveröffentlichung im Jahr 1985 hat Sting als Reaktion auf den Überfall Russlands auf die Ukraine im März 2022 seine Ballade neu eingespielt. Sie wurde auf dem Kanal des Odesa Film Studio mit dem folgenden Statement des Künstlers veröffentlicht:

„Für die tapferen Ukrainer, die gegen diese brutale Tyrannei kämpfen, und auch für die vielen Russen, die trotz drohender Verhaftung und Inhaftierung gegen diese Schandtat protestieren: Wir, wir alle, lieben unsere Kinder. Stoppt den Krieg.“

Sting ist mittlerweile mehr als siebzig Jahre alt und muss erleben, dass der Wahnsinn der atomaren Bedrohung in neuer Gestalt wiedergekehrt ist.

Wo bleibt die Kinderliebe im neuen Vernichtungskrieg?

In den ersten drei Wochen dieses furchtbaren Vernichtungskrieges sind viele ukrainische Kinder durch brutale und barbarische Russen ermordet worden. Es erhärtet sich immer mehr der Verdacht, dass der hasserfüllte Diktator Putin gezielt Kinderheime, Schulen, Krankenhäuser und Geburtskliniken bombardieren lässt. Der Internationale Gerichtshof in Den Haag und das UN-Kriegsverbrechertribunal ermitteln bereits wegen Völkermord und Kriegsverbrechen. Was sind das für Menschen, die solche Verbrechen gezielt gegen Frauen und Kinder befehlen oder ausführen?  Im Schrecken ermordeter Kinder ist ein deutliches Ungleichgewicht – es sind ausschließlich ukrainische Kinder, die von russischen Bomben und Raketen zerfetzt werden. Denn dies ist ein Angriffskrieg Putins und alle Massaker finden auf ukrainischem Boden statt. Zuerst überwiegt die Hoffnung auf einen Waffenstillstand und ein baldiges Kriegsende. Langfristig ist die Weltgemeinschaft aufgerufen und verantwortlich, die Massenmörder einer gerechten Strafe zuzuführen.

Literatur:

Brunnermeier, Markus, Die resiliente Gesellschaft. Wie wir künftige Krisen besser meistern können. Aufbau Verlag Berlin 2021

Csef, Herbert, Die resiliente Gesellschaft – 70 Jahr erfolgreiche Resilienzforschung. Tabularasa Magazin vom 28. Februar 2022

Csef, Herbert, Die Resilienz der Gesellschaft in der Corona-Pandemie. Soziologie heute, April 2022

Kalisch, Raffael, Der resiliente Mensch. Wie wir Krisen erleben und bewältigen. Neueste Erkenntnisse aus Hirnforschung und Psychologie. Berlin Verlag 2017

 

 

 

Korrespondenzadresse:

Professor Dr. med. Herbert Csef, An den Röthen 100, 97080 Würzburg

Csef_h@ukw.de

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Über Herbert Csef 136 Artikel
Prof. Dr. Herbert Csef, geb. 1951, Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Psychoanalytiker. Studium der Psychologie und Humanmedizin an der Universität Würzburg, 1987 Habilitation. Seit 1988 Professor für Psychosomatik an der Universität Würzburg und Leiter des Schwerpunktes Psychosomatische Medizin und Psychotherapie an der Medizinischen Klinik und Poliklinik II des Universitätsklinikums. Seit 2009 zusätzlich Leiter der Interdisziplinären Psychosomatischen Tagesklinik des Universitätsklinikums. Seit 2013 Vorstandsmitglied der Dr.-Gerhardt-Nissen-Stiftung und Vorsitzender im Kuratorium für den Forschungspreis „Psychotherapie in der Medizin“. Viele Texte zur Literatur.