Kirchen und Kriege

Die Haltung der Kirchen zum Krieg und ihre historische Entwicklung bis zum Krieg in der Ukraine

Kirche ist entstanden aus der Institutionalisierung von persönlichen Religionsvorstellungen zu anwachsenden Gemeinschaften, sie wurde dann schnell zu einem Machtinstrument ausgebaut, welches in Europa fast 2000 Jahre teils sehr grausam tätig war.

Früh schon entwickelte sich aus dem individuellen Glauben eine Religionsgemeinschaft, welche im Mittelalter und bis in die Neuzeit gleichzeitig staatstragend und staatslenkend war, ja mitunter selbst den Staat darstellte als das Kontrollinstrument eines Volkes. Heute noch gibt es diverse Länder deren Staats- und Rechtsgrundlage auf dem religiösen Glauben einer Kirchengemeinschaft basiert (z.B. Islam).

Die meisten Kriege der Menschheitsgeschichte, seit Entstehen des Christentums, wurden aus religiösen Motiven begonnen, begleitet immer vom räuberisch-kaufmännischen Aspekt des Beute machens, oder/und territoriale Gewinne zu erzielen. Dazu zählen insbesondere die Kreuzzüge, im Osten Europas verbunden mit der Schaffung von grossen Kolonien, so z.B. die baltischen Länder ab 1200.

Orthodoxe, christliche oder islamische Vorstellungen, wie man mit seinem Glauben meint andere bekehren zu müssen, sind auch immer Inbegriff einer territorialen Heimat.

Also Glaube und Heimat liegen nah beieinander und die Mischung aus beiden war in den meisten Fällen das Grundfundament von Nationalstaaten.

Die heiligen Kriege

Der Gedanke des Absolutismus, genauso wie das Papsttum, als eine von Gott gewollte oder eingesetzte Herrschaftsperson hat bis in die Neuzeit das Staatsverständnis bestimmt.

Das heilige römische Reich und deren Kaiser betonten immer ihre gottgewollte Machtstellung und begründeten somit ihr vollzogenes Handeln im Einklang mit der göttlichen Ordnung.

Urban II. sagt in seinem Kreuzugsaufruf 1095:

Wenn diejenigen, die dort hinunterziehen, ihr Leben verlieren auf der Fahrt, zu Lande oder zu Wasser, oder in der Schlacht gegen die Heiden, so werden ihnen in jener Stunde ihre Sünden vergeben werden, das gewähre ich nach der Macht Gottes, die mir verliehen wurde.“

Und dieser hybride Gedanke spinnt sich weiter bis in unsere Zeit.

Selbst im ersten Weltkrieg wurden Waffen gesegnet, Aufrufe von Priestern und Bischöfe an die Soldaten gemacht in den heiligen Krieg zu ziehen, Gott stehe hinter der eigenen Nation und was für ein Schwachsinn auch immer.

Auch in Amerika beruft man sich auf „God’s Own Country“, eine hohle Phrase welche nur den Nationalstolz auf ein illusorisches religiöses Fundament gründen möchte. Bis heute noch wird bei der Vereidigung des amerikanischen Präsidenten „so wahr mit Gott helfe“ ausgesprochen. Die US Verfassung verlangt kein spezielles Buch für den Schwur, aber fast alle Präsidenten haben sich für eine Bibel entschieden. In vielen europäischen Staaten, darunter auch Deutschland wird der Zusatz meist ausgesprochen, obwohl nicht verpflichtend.

Auch im zweiten Weltkrieg noch berufen sich alle Mächte auf Gott, Glauben und Religion um ihre kriegerischen Handlungen in einen erhabenen Rahmen stellen zu wollen.

Man redete in Deutschland vom „Kreuzzug gegen den barbarischen Stalinismus“, in England  vom „Holy War“ gegen Deutschland und so weiter.

In unserer Zeit scheint dieser anachronistische Gedanke eines „heiligen Krieges“ weitgehend verschwunden zu sein, ausser von verschiedenen fanatischen Islamisten, welche noch heute ihre Greultaten und Unterdrückung Andersdenkender als heiligen Krieg darstellen wollen.

Zum Beispiel die Taliban welche damals benannt als Mujahedin (Krieger im Namen Gottes), schon in den 80er Jahren Krieg gegen die Sowjetunion führten und heute einen diktatorischen, frauenfeindlichen, islamischen Religionsstaat in Afghanistan errichtet haben.

Und dennoch hat Biden bei seinem Polen Besuch , Ende März 2022, es sich nicht nehmen lassen auf einen heiligen Krieg indirekt hizuweisen, indem er betreffend des Beistandes der Nato zu Polen von einer „heiligen Verpflichtung“gesprochen hat.

Die fast vernichtete russische orthodoxe Kirche wird 1941 wiederbelebt

Der Kommunismus in Russland 1917, sich als Staatsform unter Lenin durchgesetzt, konnte sich aufgrund der materialistischen atheistischen Auffassung eigentlich sich überhaupt nicht mehr, schon aus ideologischen Gründen, eine Religion in Russland leisten.

Nun bestand aber die orthodoxe Kirche in Russland mit einer grossen Zahl von Gläubigen und ca. 50.000 Kirchen. Diese zu vernichten konnte nicht einfach durch Dekrete, Beschlagnahmungen und Verhaftungen von Geistlichen, Verbote von Kirchenbesuchen etc. in kurzer Zeit erreicht werden.

Auch wenn unter Stalin immer dratischer und drakonischer Kirchen vernichtet wurden, wie z.B. die Sprengung der Moskauer Kathedrale 1931, und die Zahl der noch genutzten Kirchen in ganz Russland unter 100 sank, gelang eine totale Vernichtung bis 1941 nicht da trotz der Vernichtung der alte Glaube in vielen ländlichen Teilen, auch ohne Institution. weiterbestand.

Der Ausbruch des „grossen vaterländischen Krieges“ verändert die Lage, Stalin braucht alle Unterstützung des Volkes um sein Land erfolgreich verteidigen zu können, und er wusste das es immer noch viele überzeugte Gläubige in Russland gab, welche es ebenfalls für den Krieg zu motivieren galt.

Auf einmal wurde der russisch orthodoxen Kirche wieder Aufmerksamkeit geschenkt.

Aus einem 1943 erschienenen französischsprachigen Buch:

L Eglise Orthodoxe Russe et la Guerre pour le Salut de la Patrie ( Die russisch orthodoxe Kirche und der Krieg für die Rettung des Heimatlandes), herausgegeben vom Patriachat Moskau können wir folgendes entnehmen:

„Als Hüterin der Lehre Jesu Christi und der Apostel hat die Russisch-Orthodoxe Kirche immer das Leben ihres Volkes gelebt; Noch heute hat sie auf das Unglück, das unser Vaterland getroffen hat, leidenschaftlich reagiert: Auf den Ruf ihres Führers hin hat sie sich in diesen Kriegstagen ganz dem Dienst am Vaterland und am gläubigen russischen Volk zur Rettung des Landes gewidmet. Die russisch-orthodoxe Kirche ist eins mit ihrem Volk. Die Schmerzen des letzteren sind seine eigenen, seine Freuden ebenfalls.“

„In der Rede von Metropolit Serge, die beim Te Deum für den Sieg der Armee gehalten wurde, sagte der Gesegnete:
Möge der Sturm des entfesselten Krieges dazu dienen, die geistige Atmosphäre zu reinigen, alle pestartigen Miasmen wegzutragen: Gleichgültigkeit gegenüber dem Wohl des Vaterlandes, Doppelzüngigkeit,  usw.“ …

„Beim Angriff auf unser Vaterland hatten die Faschisten mit dem Krieg und den inneren Kämpfen gerechnet. Aber das russische Volk hat diesen heiligen Krieg geführt, einen Krieg für seinen Glauben, für seine Vaterland, der Hass gegen den Faschismus.“
S.10

„Lasst uns deshalb wahre christliche Patrioten sein! Unsere Heldentaten vor dem Vaterland, wir Russen, werden wir bis zum Ende vollbringen. Zusammen mit unserem spirituellen Führer glauben wir fest daran, dass die faschistische Bestie bald vernichtet wird und dass unser Vaterland ein Leben in Frieden und Glück genießen wird.“

S.13

„Im August haben unsere orthodoxen Erzbischöfe, Jacob, Erzbischof von Lelgansk, Paul, Bischof von Narva und Daniel von Kowno, mit dem aus Moskau entsandten Metropoliten von Litauen, Serge Voskressenski, an ihrer Spitze, die nicht mit dem Volk Gottes leiden wollten, sondern zogen es vor, vorübergehend die Freuden der Sünde zu genießen (Hebr. 11, 25), bequem zu leben, sich von den Krümeln zu ernähren, die vom Tisch der Faschisten fielen. Mögen sich die anderen für das Vaterland opfern. Die Haare sträuben sich, wenn ich über die Gräueltaten lese, die die Faschisten an Frauen, Kindern und Verwundeten begehen. Metropolit Serge Voskressenski und seine Mitstreiter, die Erzbischöfe, telegrafierten jedoch an Hitler, um ihm ihre „Bewunderung für den heroischen Kampf, den er (Hitler) gegen wehrlose Männer führte, und „bitte zum Höchsten, die Waffen (der Faschisten) so bald wie möglich zu segnen und ihnen den vollständigen Sieg zu gewähren.“  …

„Um einer solchen Schlussfolgerung vorzubeugen, bemühen sich die Erzbischöfe der baltischen Länder (oder diejenigen, die ihre Hand geführt haben), einen Schatten auf mich zu werfen: Sie behaupten, wenn ich gegen die Faschisten schreibe und das Volk auffordere, gegen sie zu kämpfen, sei es so, weil mich die Macht der Sowjets dazu zwingt.“

S.19

„Krieg ist eine schreckliche und verhängnisvolle Sache für diejenigen, die ihn ohne Notwendigkeit oder Geist der Gerechtigkeit führen, weil sie nach Plünderung und Versklavung begierig sind. Auf ihm lastet die Schmach und der Fluch des Himmels und der Menschen wegen des eigenen und fremden Blutes und Unglücks.“

„Aber der Krieg ist eine heilige Sache für diejenigen, die ihn aus Notwendigkeit unternehmen, um die Gerechtigkeit, das Vaterland, zu verteidigen. Diejenigen, die in diesem Fall zu den Waffen greifen, vollbringen eine Heldentat für die gerechte Sache und treten in die Fußstapfen der Märtyrer, indem sie Wunden und Leiden auf sich nehmen und ihr Leben für ihre Brüder, für ihr Land opfern, zu unbestechlichem und ewigem Ruhm. Auch die Kirche segnet diese großen Taten und das, was jeder russische Bürger unternimmt, um sein Vaterland zu verteidigen.“

S.32

Der Krieg in der Ukraine und die Religion

 Ukraine ist mehrheitlich im Glauben durch die orthodoxe Kirche bestimmt, diese wiederum war bis 2018 in drei größere orthodoxe Kirchen (Moskauer Patriarchat, Kiewer Patriarchat, autonomer Teil der russisch orthodoxen Kirche) unterteilt.

Das Kiewer Patriachat wurde in den 20er Jahren von Bolschewiken unterstützt um die eigene orthodoxe Kirche in Russland zu schwächen.

Da das  Kiewer Patriarchat und der autonomer Teil der russisch orthodoxen Kirche in der orthodoxen Kirchenwelt, wegen nicht kanonischer Anpassung bis 2018 nicht anerkannt wurden, gelang es 2018 diese beiden Kirchen zu fusionieren und als Ukrainische orthodoxe Kirche dem Patriachat von Istanbul zu unterstellen.

Dem gingen langwierige Verhandlungen und Streitigkeiten um Immoboilienansprüche voran, besonders das Moskauer Patriarchat versuchte mit allen Mitteln diese Vereinigung, die Loslösung vom Moskauer Patriachat und die Unterordung unter das Patriarchat von Istanbul zu verhindern.

Putin sagte 2018 auf einer Pressekonferenz zu dem Thema das diese Entscheidung der Loslösung von der russischen orthodoxen Kirche in der Ukraine blutig enden würde und begründete 2022 übrigens den Einmarsch in der Ukraine auch damit, das Gläubige der russisch orthodoxen Kirche ( Moskauer Patriarchat) diskriminert würden.

Der Moskauer Patriarch Kyrill steht vollständig hinter Putin und dem Einmarch in die Ukraine, er begründet etwas abstrus diesen notwendigen Einmarch um Gay Paraden und ähnliche Perversionen zu unterbinden. Die Stellungnahme Kyrills wird in der orthodoxen Kirchenwelt stark kritisiert, auch selbst in Russland wo in einem offen Briefgeschrieben wird: „Wir, die Priester und Diakone der Russisch-Orthodoxen Kirche, appellieren in eigenem Namen an alle, in deren Namen der Bruderkrieg in der Ukraine enden wird, und rufen zur Versöhnung und zu einem sofortigen Waffenstillstand auf.“

Diesen offenen Brief haben 286 Priester und Diakone unterschrieben.

Der Papst, nun, in der späten Zeit der Entwicklung der Menschheit, geht mit seinen Aussagen ein wenig gegen den Mainstream, er sprach kürzlich in einem Interview der italienischen Zeitung Corriere della Sera von einer „Wut, die vielleicht durch das „Gebell“ der NATO an den Toren Russlands ausgelöst wurde“, was den Kreml dazu gebracht habe, „falsch zu reagieren und den Konflikt zu entfesseln.“

Zudem schildert er, wie ihm Kyrill bei einem Zoom-Telefonat 20 Minuten lang schriftlich vorformulierte „Rechtfertigungen für den Krieg“ vorgetragen habe. Dann spricht der Papst von einem „Staatskleriker“, der die Sprache der Politik verwende, und warnt den Patriarchen davor, „zum Messdiener Putins zu werden“.

Als einen der weiteren Gründe für den Krieg machte er den „Handel“ mit Waffen aus, einen „Skandal“, dem nur wenige widersprechen würden. Er wolle das Recht auf Selbstverteidigung nicht grundsätzlich in Frage stellen, an der Sinnhaftigkeit von Waffenlieferungen an die Ukraine zweifelte er aber. „Ich weiß nicht, wie ich antworten soll, ich bin zu weit entfernt von der Frage, ob es gerechtfertigt ist, die Ukrainer zu beliefern.“

Fazit

Berechtigt ist der Zweifel an Waffenlieferungen, und wenn dieser vom Papst benannt werde, so hat die Kirche doch in den letzten 100 Jahren, antiproportional zu ihrer sinkenden Bedeutung, an Einsicht in die ureigentliche Aufgabe von Religion als Friedensstifterin gewonnen. Anachronistisch mutet da der Schulterschluss Kyrills mit Putin an, was vor knapp hundert Jahren in Russland sich ähnlich zutrug.

Nicht die Diskussionen in den verschiedenen Kirchen, welche Waffen man denn liefern dürfe, ob Verteidigungs- oder Angriffswaffen und in welchen Situationen sie morlisch einzusetzen seien, ist in dieser Situation hilfreich, sondern ein einheitliches Bestreben aller Konfessionen erst mal einen Waffenstillstand zu fordern um dann in einem ehrlichen und aufrichtigen Dialog beider Konfliktparteien garantierte Lösungen zu finden und diese auch einzuhalten.