Offener Brief an Richard Loibl

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Sehr geehrter Herr Direktor,

gestern haben meine Frau und ich endlich in die Tat umgesetzt, was wir uns schon seit langer Zeit vorgenommen hatten: Wir sind von Coburg nach Regensburg gefahren und haben uns Ihre Dauerausstellung angesehen.

Am Eingang fragte meine Frau noch: „Was werden wir da zu sehen bekommen?“, und ich antwortete: „Die Geschichte Bayerns von Tassilo III. bis Markus Söder!“ Wir wurden bitter enttäuscht! Ihre Ausstellung ist, um es klar zu benennen, eine Mogelpackung: 1000 Jahre bayerischer Geschichte werden glatt unterschlagen! Denn für Sie und Ihr Haus beginnt die Geschichte Bayerns erst 1805/06, als das Kurfürstentum zum Königreich umgewandelt wurde.

Die unglaublich reiche Geschichte Bayerns vom Stammesherzogtum unter den Merowingern, von der Eingliederung durch Karl den Großen 768 ins Frankenreich, die Geschichte des Kurfürstentums 1623/1806: Das alles kommt in Ihrem Haus nicht vor!

Die Geschichte der Wittelsbacher, die 1180 beginnt, setzt bei Ihnen erst 1805 ein. Wie soll man denn bayerische Geschichte verstehen können, wenn sie nur selektiv dargeboten wird? Warum sind Sie dann nicht so ehrlich und nennen Ihr Museum „Haus der bayerischen Teilgeschichte 1805-2020“?

Mit freundlichen Grüßen,

Finanzen

Über Jörg Bernhard Bilke 251 Artikel
Dr. Jörg Bernhard Bilke, geboren 1937, studierte u.a. Klassische Philologie, Gemanistik und Geschichte in Berlin und wurde über das Frühwerk von Anna Seghers promoviert. Er war Kulturredakteur der Tageszeitung "Die Welt" und später Chefredakteur der Kulturpolitischen Korrespondenz in der Stiftung ostdeutscher Kulturrat.