Migranten und Migrationskosten – Australiens Kosten-Nutzen-Rechnung, die USA und Deutschland

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In diesen Tagen, während Deutschland mit Massendemonstrationen gegen Rechts beschäftigt ist, gehen vor allem an der Texanisch-Mexikanischen Grenze aufgebrachte Einwohner gegen die wachsende Flut von illegalen Migranten auf die Strassen. Die New York Times vom 4. Februar beschreibt, wie Texas die Abschreckung von Migranten und ihr Eindringen in amerikanisches Staatsgebiet verhindern will und wie es die lasche Politik der Biden-Administration bekämpft. Texas Will Expand Effort to Control Land Along Mexican Border, Abbott Says – The New York Times (nytimes.com). Die amerikanische Anti-Immigrantenbewegung und die Bilder vom täglichen Drama am Grenzzaun sind in den deutschen Medien noch kaum zu sehen, aber auch in deutschen Brennpunkten wie Gera protestieren die Bürger massiver denn je gegen die Einrichtung neuer Flüchtlingsunterkünfte. Die Kostenfrage, finanziell wie organisatorisch, rückt auf einmal in den Fokus, was offenbar damit zusammenhängt, dass sie bisher nicht ausreichend beleuchtet wurde. Dazu einige Vergleiche mit der internationalen Migrationsszene.

Australien, USA und Europa als Einwanderungsländer

Australien hat gerade seine ohnehin restriktiven Einwanderungsbestimmungen aktualisiert, weil es einmal durchgerechnet hat, in welchem Verhältnis der durchschnittliche finanzielle  Nutzen durch eingewanderte Arbeitskräfte im Vergleich zu den anfallenden Kosten für den Steuerzahler steht. Diese Kosten-Nutzen-Rechnung dürfte Europäer wie Amerikaner gleichermassen überraschen, weil beide ihre Migrationspolitik auf humanitäre Grundsätze und den nach dem Zweiten Weltkrieg definierten und weitgehend politischen  Asylbegriff stützen und die Kosten weitgehend aus der Diskussion herausgehalten haben.

Fluchtursachen und ihre politische Interpretation

Unter den vielen Flüchtlingen auf dieser Welt, nach aktuellen Schätzungen bis zu 110 Millionen,  gibt es erhebliche Unterschiede bei den Fluchtgründen und den persönlichen Umständen, nicht zuletzt den finanziellen. Armut gehört sicher nur teilweise dazu, denn die Ärmsten können sich die Reise in eins der gelobten Länder ohnehin nicht leisten. Die enstscheidenden Dienste der Schleuser für den  allzu oft lebensgefährlichen Transfer von Afrika oder Mittelost nach Europa sind offenbar unter 10.000 € kaum zu haben. Die Reisekosten  für die lateinamerikanischen Migranten bis zur amerikanischen Südgrenze mögen im Vergleich niedriger  liegen, auch dort machen sich Hundertausende immer wieder neu auf den Weg. Die Integration in die amerikanische Gesellschaft, wenn sie den Grenzzaun überwinden oder einen legalen Weg finden, ist in vielen Fällen relativ leicht, denn Spanisch ist schon länger eine zweite Landessprache geworden. Nach den neuesten Erhebungen sprechen inzwischen 57 Millionen Amerikaner Spanisch, davon 42 Millionen als Muttersprachler. Wie die New York Times in den letzten Tagen berichtete, kommen inzwischen auch immer mehr Asylsuchende aus anderen Kontinenten, auch aus Afrika und sogar China. Die Lateinamerikaner werden allerdings schneller deportiert, weil das mit ihnen leichter zu organisieren ist. In der Hoffnung, dass sie sich nicht gleich wieder auf den Weg machen, werden sie so weit südlich geflogen, wie nur irgend möglich. Die Erfolge bleiben gering.

In Europa sind bereits die Sprachhürden in der Regel höher als in den USA, in Grossbritannien und Frankreich wegen der noch nicht so lange zurückliegenden kolonialen Vergangenheit deutlich weniger. Ob USA oder Europa, der Migrationsdruck wächst, weil durch bereits eingewanderte Migranten und den medialen Informationszugang die Träume von einem besseren Leben immer neue Gruppen erfassen und zum Aufbruch animieren. Ein vermutlich nicht mehr überall tragfähiger Asylbegriff, der erst 1951 von den Vereinten Nationen kodifiziert wurde, definiert das Recht auf Asyl, wie auch Artikel 14 der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte von 1948, als Schutz vor Verfolgung. Aber eine konkrete politische Verfolgung im Heimatland dürfte heute nur noch bei einem Bruchteil der Migranten nachzuweisen sein. Wirtschaft und Lebensumstände in den meisten Herkunftsländern stehen als Ursache ganz oben, was  die von Politikern gern beschworene Bekämpfung der Fluchtursachen als reine innenpolitische Beschwichtigungsformel erkennen lässt. Ein Vergleich deutscher Entwicklungspolitik mit den Erfolgen des Marshallplans in Europa war von Anfang an abwegig, wurde aber als Schlagwort über viele Jahre wiederholt und steht so bis heute im Haushaltsplan des Bundes. Mit der zunehmenden Überforderung der Kommunen bei Unterbringung und Finanzierung der Migration fliegt dieses acht Milliarden schwere Entwicklungshilfebudget gerade bei zahlreichen Demonstrationen der Ampelkoalitionen um die Ohren.

Reichtumsmigration?

Neben den Armuts- und Hoffnungsmigranten, sozusagen am anderen Ende des Spektrums, gibt es die nicht unbedeutende Gruppe reicher Migranten,  oft genug Steuerflüchtlinge oder Steueroptimierer und alle Schattierungen von Kriminellen. Zu den letzteren gehört zum Beispiel eine Gruppe von „Geschäftsleuten“, die in Singapur versucht hatten, ihr Schwarzgeld zu waschen. Die Zoll- und Finanzbehörden konnten Vermögenswerte von über zwei Millarden € konfiszieren, die in extrem teure Immobilien, Autos und die üblichen Luxusartikel investiert waren. Die zehn Verhafteten, alle chinesischer Herkunft, aber mit verschieden Pässen, darunter aus Kambodscha und Vanuatu, hatten das Geld vor allem aus illegalen Glücksspielen in der Region abgezogen und wollten es ausgerechnet in Singapur legalisieren, wo Zoll und Finanzaufsicht aus guten Gründen besonders wachsam sind. Die zehn sitzen seit August in Untersuchungshaft und werden mit Sicherheit nach dem Absitzen einer längeren Haftstrafe abgeschoben. In Europa kämpft die Schweiz, gegen das alte Image als Geldversteck, aber weltweit gibt es noch mehr als genug disktrete Finanzplätze zum Verbergen unversteuerter Gewinne und Vermögen.

Das Goldene Visum

Abgesehen von den kleinen und grösseren Kriminellen, die versuchen, ihre Schäfchen ins Trockene zu bringen, gibt es noch eine diskrete Gruppe von Migranten, die neben steuerlich günstigen Bedingungen noch andere Annehmlichkeiten suchen. Die Liste der Länder, die dieser Gruppe entgegenkommen, umfasst mindestens 25 Staaten, die ein sogenanntes Goldenes Visum anbieten. Dazu gehören natürlich einige der als Steuerparadies berüchtigten Karibikinseln wie St. Kitts und die Caymans, Länder in Europa mit Kapitalhunger, wie Portugal, Russland oder Ungarn, aber auch die Schweiz, Kanada, die USA und sogar Deutschland. Eine Übersicht bietet die Informationsplattform  Golden Visa Countries – Citizenship and Residency By Investment (visaguide.world). Meist wird für eine Investition in unterschiedlicher Höhe – von einigen Hundertausend bis mehrere Millionen – eine Aufenthaltsgenehmigung erteilt, zum Teil mit einer sofortigen Staatsbürgerschaft, bei anderen mit Aussicht auf einen Pass nach einer Wartezeit. Einige dieser Länder bieten sogar einen Pass an, wenn der Investor gar nicht dort lebt, eine Patentlösung für Kriminelle und Geldwäscher.

Für Deutschland erklärt Visaguide, dass eigentlich kein Goldenes Visum angeboten wird, sondern eine Aufenthaltsgenehmigung bei Eröffnung eines Gewerbes. Bekanntlich ist dieser Weg für Deutschland nicht gerade unproblematisch, aber gerade deshalb so beliebt. Nach wieviel Jahren dann die Aussicht auf einen deutschen Pass besteht, sorgt gerade für eine heisse innenpolitische Debatte mit starken ideologischen Komponenten. Die weltanschaulichen Gräben in dieser sehr deutschen Debatte werden als geradezu unversöhnlicher Links-Rechts-Gegensatz interpretiert und blenden zumindest auf der nationalen Ebene wichtige Aspekte wie die praktische Umsetzung von Unterbringung und Integration der Migranten in den Arbeitsmarkt und ihre Finanzierung weitgehend aus.

Deutschland und die USA als Zielländer

Wer meint, dass Deutschland in Europa am meisten unter der Migrantenflut zu leiden habe, auch wenn man die Ukrainer nicht mitrechnet, sollte einmal intensiver in die Vereinigten Staaten schauen, wo die Asyldebatte ebenfalls den ideologischen Gräben zwischen rechts und links folgt, also den Dauerkontroversen zwischen Demokraten und Republikanern. Nachdem Trump den Grenzzaun zu Mexiko forciert hatte, und Biden ihn wieder stärker öffenen wollte, werden zur Zeit Migranten mit Bussen in die demokratischen Metropolen wie New York oder Chicago geschickt, um auf das Problem hinzuweisen und setzten deren Verwaltungen erfolgreich unter Druck. Ein aktuelles Video auf Youtube zeigt drastisch, wie aufgebrachte Demonstranten vor dem Roosevelt Hotel, in dem Migranten untergbracht sind, in Sprechchören fordern, „send them back“ und „close the borders“. Und direkt an dem hohen Grenzzaun in Texas spielen sich beunruhigende Massenszenen ab, die zeigen, dass neben den vielen Latinos auch andere Migranten ihr Glück versuchen, sogar Vietnamesen und Chinesen. Im Süden der USA wie an vielen Orten in Europa erzwingt die fast lawinenartige Ausweitung des Migrationsproblems notwendigerweise eine qualitative Diskussion darüber, wie es organisatorisch bewältigt und gesetzlich gesteuert werden könnte. Die bereits erwähnten Floskeln wie Bekämpfung der Fluchtursachen sind schon dadurch nicht hilfreich, dass es sich überwiegend um Migration und nicht um Flucht und politische Verfolgung handelt.

Wie hoch sind die Folgekosten der Migration tatsächlich?

Die Grenze zu Mexiko ist 3.145 Km lang und durchquert überwiegend unwegsames Gelände. Seit Präsident Trump im Januar 2017 mit der Executive Order 13767 den Bau des Grenzzauns einleitete, den „Trump Wall“, sind fast 1100 km fertiggestellt worden, teilweise mehr als neun Meter hoch. Die Kosten liegen nach unterschiedlichen Schätzungen bei über 20 Milliarden Dollar und unüberwindlich, wie Trump meinte, ist der Metallzaun keineswegs. Schmuggler und Migranten schneiden sich immer wieder mit simplen elektrischen Schleifmaschinen ausreichend grosse Schlupflöcher. Ein Artikel der Heritage Foundation vom Februar 2023 beziffert die Kosten der illegalen Migranten , die im ganzen Land verteilt werden, allein für das weit im Norden liegende Illinois auf 4,6 Mrd., 21,7 Mrd. für Kalifornien und 8,9 Mrd. für Texas. New York City rechnet mit 65,116 Dollar  pro Migrant und Gesamtkosten von 2,8 Mrd. pro Jahr. Die Webseite (Cost of Illegal Immigration by State 2024 (worldpopulationreview.com)) berechnet die Kosten der illegalen Migranten und ihrer Kinder auf insgesamt 20,8 Mrd. Dollar und die Bürde für den Steuerzahler auf 5.126 Dollar pro Person. Die Federation for American Immigration Reform (The Cost of Illegal Immigration to American Taxpayers 2023 (fairus.org) kommt auf einen weit höheren Betrag, insgesamt 50,2 Mrd. Dollar Gesamtkosten, wenn man die Steuern abzieht, die von arbeitenden illegalen Migranten gezahlt werden.

Und Deutschland?

Laut Statista (Kosten des Bundes für Flüchtlinge und Asyl bis 2027 | Statista) hatte die Bundesrepublik im Jahr 2023 Ausgaben von 27,6 Mrd. € für den Bund angesetzt, nach tatsächlichen 28,4 Mrd. Im Jahr zuvor. Insofern klingen auch die für die Folgejahre sinkenden Haushaltsansätze bei weiter steigenden Ankunftszahlen zu optimistisch. Nach einem Bericht in Die Welt (Flucht und Migration kosten dieses Jahr fast 50 Milliarden Euro – WELT) vom November sind wir 2023 auf rund 50 Mrd. € für Bund, Länder und Kommunen zusammen gekommen, vergleichbar mit dem Verteidigungshaushalt und den amerikanischen Ausgaben für die Illegalen allein. In den vom Bund getragenen Kostenanteilen stecken auch rund 10 Mrd. € für die ineffiziente Bekämpfung der Fluchtursachen. Sowohl die Kosten als auch die Unterbringungsmöglichkeiten in den Kommunen stossen längst an ihre Grenzen und mehr und mehr auf Unverständnis und Protest bei den Bürgern, vor deren Haustüren, Ämtern und Schulen die Probleme immer sichtbarer werden. Für die Asyl- und Migrationsbefürworter in Deutschland dürfte es entsprechend schwieriger werden, das geltende System mit weit offenen Grenzen und sehr begrenzter Abschiebung illegaler und krimineller Zuwanderer zu verteidigen. Mit rechts und links hat die Debatte in der Sache immer weniger zu tun, es geht um handfeste praktische Probleme und die lange Kette von Folgeproblemen.
In der augenblicklichen Haushalts- und Finanzkrise – trotz der historisch höchsten Steuereinnahmen – sollte Deutschland offener diskutieren, wie viel die Einwanderung kostet und wann mit einer Dividende durch Integration der Migranten in den Arbeitsmarkt und entsprechende Beiträge zu Steuern und Sozialabgaben zu rechnen ist. Wie spitz man rechnen kann, zeigt gerade die Regierung Australiens. Sie hat festgestellt, dass selbst die reichen Migranten mit dem Goldenen Visum am Ende rund 120.000 A$ (72.000 €) mehr kosten als sie einbringen und folgerichtig das Programm im Januar eingestellt. Seit 2012 hatten 2.349 reiche Ausländer, davon 85 Prozent Chinesen, ein solches Visum bekommen und im gleichen Zeitraum 12 Mrd. A$ investiert. Stattdessen will man sich jetzt wieder mehr auf jüngere und qualifizierte Einwanderer konzentrieren, die langfristig dem Land mehr nutzen. In Europa und besonders Deutschland sind wir von solchen materialistischen Berechnungen und ihrer politischen Bewertung wohl noch ziemlich weit entfernt.

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