Drei Themen werden das Jahr 2022 bestimmen

Bild: Silvesterpfad in Wien (Foto: Stadt Wien Marketing)

Seuche, Grundrechte, China. Diese Themen sollten im kommenden Jahr die öffentliche Debatte dominieren. Ein Essay von Johannes Schütz.


Wir leben nicht in einer Epoche, in der noch Gespräche über Lyrik geführt werden können. Theodor W. Adorno befand in seinem Text „Kulturkritik und Gesellschaft“, den er 1949 verfasste: „Nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben, ist barbarisch“.  Demnach lenke die Poesie nur von den Gräueln ab, die die Gesellschaft beherrschen und es sei deshalb unmöglich , der Dichtkunst sich zu widmen, also der schönen Literatur. 

Auch 2022 kann man Kultur nicht mehr zum Thema machen, damit erleben wir wieder eine trostlose Situation, wie sie Theodor W. Adorno in den vierziger Jahren erfuhr.  Es sind Bedrohungen gegeben, die die Beschäftigung mit Kultur zu einer schamlosen Provokation entstellen. Diese Herausforderungen können das Ende der Kulturnation bedeuten. Dabei wirken fast alle Probleme, die in unserer Gesellschaft in den vergangenen Jahren zu Turbulenzen führten, als überflüssige Konfrontationen, die man längst einer Lösung zuführen hätte können, doch mangelte es dazu offenbar an Entschlossenheit und Willen.

Somit bleiben jedenfalls drei Bedrohungen, die im neuen Jahr die Themensetzung bestimmen, die die Gatekeeper der Medien beachten sollten: Seuche, Grundrechte, China.

Thema 1: Die Seuche

Auch nach zwei Jahren wird die Schrecken verbreitende Seuche die Inhalte der Medien bestimmen. Die umfassende Berichterstattung begann im März 2020 und füllte zu Beginn oft ganze Hefte. Im dritten Jahr wird die Seuche wohl kontroversieller betrachtet. Insbesondere die Maßnahmen zur Eindämmung der Seuche könnten deutlich in die Kritik geraten.

„dass all ihr kranket, und so sehr ihr kranken mögt (…)
beseufzt zugleich des Staates, dein und meine Not“

(Sophokles: König Oidipus, 60-64)

Eine Seuche war auch der Ausgangspunkt der Tragödie vom „König Ödipus“, die Sophokles  ungefähr 429 vor Christus vorlegte.  Auch damals wurde gefordert, dass deutliche Sanktionen gesetzt werden, um die Seuche in den Griff zu bekommen.  Der Mythos vom „Oidipus Rex“ wurde seither gerne und vielfach interpretiert.

In der griechischen Antike gab es freilich noch einen anderen Zugang zum Verständnis von Seuchen, der der Kulturwissenschaft bekannt ist. Wie das Individuum an der sittlichen Verwahrlosung seines Umfeldes erkranken kann, so kann, in einer solch alten Sichtweise, auch das ganze Staatswesen am Sittenverfall leiden. Davon handelt der Mythos vom König Oidipus, wo eine Seuche schrecklich ausbrach, weil Verbrechen und Hybris im Staat herrschten und das Land ruinierten.

Zwei Kulturen

Die geisteswissenschaftlich-literarische Kultur und die naturwissenschaftlich-technische Kultur stehen, in unserer Gesellschaftsform, in gewaltiger Konfrontation einander gegenüber, so erklärte Charles Percy Snow bereits 1959  in seinem bedeutenden Beitrag „The Two Cultures“, der bis heute gültig blieb. Demnach sei eine Moderation zwischen diesen beiden Welterklärungen kaum noch möglich, also zwischen der Kulturwissenschaft und der Naturwissenschaft.

Diese Konfrontation zwischen den beiden Richtungen unserer Kultur muss auch als prägend betrachtet werden, was die aktuelle Bewertung der Seuche betrifft, wobei die Perspektive der Naturwissenschaft deutlich die Gesellschaft dominiert.

Die Naturwissenschaften gelten als die Nachfolger einer theologischen Weltdeutung, die depraviert wurde, also deutlich entwertet. Wie in früheren Zeiten von der Inquisition ein Bekenntnis zum Klerus verlangt wurde, so gilt in der Epoche der Moderne jener als ein Ketzer, der die Dogmen der Naturwissenschaft kritisch untersucht und eine Falsifizierung ihrer Maximen in Betracht zieht. 

Die diesbezügliche Forderung des Wissenschaftsphilosophen Karl Popper wird bis heute offenbar nur wenig verstanden, obwohl er vielfach gerne zitiert wurde.  Die Notwendigkeit eines Paradigmenwechsels in der Naturwissenschaft wurde in der Folge auch von Thomas S. Kuhn und Paul Feyerabend eindrucksvoll vorgestellt. Feyerabend erwähnte dabei ausdrücklich die Paradigmen des medizinischen Weltbildes und brachte, als Gegenmodell, die Medizin der Indianerkulturen.

Evaluierung der Sanktionen

In der griechischen Antike des König Oidipus war es eine sogenannte Blutschuld, somit eine Mordtat, die zum Ausbruch der Seuche führte. Es wurde gefordert, dass die Täter ausgeforscht und streng bestraft werden, damit die Gemeinschaft wieder befriedet und gesund leben könne. Die Seuche diente dabei nur als eine Mahnung.

Brechen tatsächlich schwere Seuchen aus, so müssen selbstverständlich alle sinnvollen Maßnahmen gesetzt werden, um die gefährliche Situation in den Griff zu bekommen. Eventuell müssen dafür auch ganze Siedlungen und Stadtbezirke niedergebrannt werden, in denen die Seuche wütet.

Die Bevölkerung muss mental vorbereitet werden, dass solche Schritte im Ernstfall erforderlich sein können.  In einem solchen Fall muss fraglos entschieden vorgegangen werden. Dies gilt, mutatis mutandis, auch für den Reiseverkehr, der begrenzt werden muss, ausschließlich dringend erforderliche Fahrten dürfen dann bewilligt werden.  Versammlungsverbote sind Selbstverständlichkeiten, wenn akute Gefährdungen gegeben sind. 

Obligatorische Impfungen hingegen, noch dazu mit fragwürdigen Impfstoffen, erscheinen nicht sinnvoll, diese dürften allenfalls fakultativ zur Verfügung gestellt werden. Es kann sein, dass solche Impfungen nicht für jede Person  in gleicher Weise verträglich sind, sogar kontraproduktiv wirken können. Die Bedeutung aller Sanktionen muss stets exakt evaluiert werden. 

Trotz vollständiger Impfungen treten Erkrankungen auf, so berichtete das Robert Koch-Institut. Demnach konnten, mit Datenstand vom 14. Dezember,  50,8 Prozent der Erkrankten in der Altersgruppe von 18 bis 59 Jahren eine vollständige Impfung vorweisen,  in der Altersgruppe von über 60 Jahren war dies sogar bei 68,7 Prozent der Erkrankten der Fall. Eine Erkrankung trotz vollständiger Impfung wird in der Fachsprache als „Impfdurchbruch“ bezeichnet. Insgesamt wurden, im Zeitraum von Meldewoche 5 bis 49, vom Robert Koch-Institut in Deutschland,  411.292 Impfdurchbrüche identifiziert.

Untersuchung für 2022


Man könnte im kommenden Jahr auch deutlich untersuchen, ob Raucher stärker von der Viruserkrankung betroffen sind, denn die Nichtraucher. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass dabei ein klares Resultat erkennbar wird, eventuell noch klarer als bei der Unterscheidung zwischen Geimpften und Ungeimpften. Man müsste dann den Rauchern untersagen, öffentliche Räume weiter zu frequentieren, da das Risiko einer Erkrankung höher ist.

Ungeimpfte mit gesunder Lebensführung hingegen, könnten der Seuche ruhig in die schreckliche Fratze blicken. Deshalb erscheint es wünschenswerter, die Konstitution zu stärken, mit vitaminreicher Ernährung, Bewegung in gesunder Luft, erholsamen Sonnenbädern.

Solche Überprüfungen der Sanktionen auf ihre Effektivität werden im kommenden Jahr fraglos von entscheidender Bedeutung sein, für Berichterstattung und Kommentierung. Sie sollten von den Medien in der erforderlichen Debatte auch entsprechend berücksichtigt werden.

Thema 2: Grundrechte


Von der „neuen Schamlosigkeit“ sprach Günther Anders in seiner „Antiquiertheit des Menschen“.  In den vergangenen Jahren wurden schamlos Grenzen überschritten, die Günther Anders wohl nicht mehr als möglich erkennen konnte. Es handelt sich dabei um die „Antiquiertheit des Eigentumsrechts“.

Finanziell und politisch motiviert wurden willkürliche Verletzungen des Eigentumsrechts  in der Europäischen Union massenweise durchgeführt, ohne dass nur die geringsten Maßnahmen dagegen erfolgten.  Darüber wurde erstmals bereits ausführlich im Juni 2017 berichtet n The European:
Grundrechte in der Europäischen  Union werden verletzt: Der Fall Österreich

Es kann erforderlich sein, aufgrund einer Bedrohung, dass die Grundrechte temporär eingeschränkt werden, die ansonsten auf einer gesellschaftlichen Übereinkunft beruhen und wohl als Minimalkonsens gelten müssen.

Auch die aktuelle Gefährdung, die die Seuche darstellt, führte zu einem Verlust an Grundrechten, der vorübergehend sein sollte. Glaubwürdiger wäre eine solche Einschränkung der Grundrechte allerdings gewesen, wenn schon vor der Seuche, rasch und rechtzeitig, der Rechtsstaat in der Europäischen Union deutlich verteidigt worden wäre, was schon lange vor der akuten Erkrankung dringend erforderlich war. Da dies nicht geschah, ist durchaus nachvollziehbar, dass so mancher nicht mehr sicher ist, was von den aktuellen Ausnahmeregelungen zu halten sei.

Die Verantwortlichen der Europäischen Union hätten längst entschieden reagieren müssen, um jeden Verlust an Vertrauen und Reputation vorzubeugen. Deutlich muss die Europäische Union im kommenden Jahr zeigen, dass Vermögenskonfiskationen nicht toleriert oder gar gefördert werden, sondern scharf gegen solche willkürliche Enteignungen vorgegangen wird. 

Die Seuche bestimmte jetzt seit rund zwei Jahren die öffentliche Debatte. Doch war schon Jahre vor dem Ausbrechen der akuten Erkrankung ein Thema virulent, nämlich willkürliche Enteignungen, die als Instrument antidemokratischer Kräfte identifiziert werden können, die das Staatswesen destabilisieren wollen. In der griechischen Antike hätte man als Ursache einer schweren Seuche eine solch schamlose Verletzung des Eigentums betrachtet.

Thema 3: Konfrontation mit China


„Für die Chinesen ist es gut, für die Europäer ist es schlecht“, das ist der Imperativ, wenn Chinesen miteinander vertraut reden. Hingegen leidet die westliche Kultur seit Jahren an einem interkulturellen Missverständnis. Die Europäer denken, dass sie mit Chinesen ein Gespräch führen können, wie sie es mit ihren Landsleuten gewohnt sind, was bei den Drachensöhnen nur zu einem verständnislosen Lächeln führt.

Eine Million Uiguren in Konzentrationslager gebracht. Der tibetische Panchen Lama, auch 25 Jahre nach seiner Entführung, weiterhin an einem unbekannten Aufenthaltsort in der Volksrepublik China. Unverhüllte Bedrohung des unabhängigen Nachbarstaates Taiwan, die jederzeit eskalieren kann. 

In den vergangenen Jahren agierte China mit zunehmend provokativem Verhalten. Kritik an Verletzungen der Menschenrechte werden von der chinesischen Führung scharf zurückgewiesen.  Die schwedische Kulturministerin Amanda Lind wurde  heftig angegriffen, weil sie den Tucholsky-Preis persönlich an einen Autor überreichen wollte, der für seine Kritik an den Verhältnissen in China bekannt ist. China drohte: „Sweden will suffer the consequences“. Länder, die die Situation der Uiguren  zum Thema machen, will China mit „economic coercion“  bestrafen, also mit wirtschaftlichen Zwangsmaßnahmen, auch Unternehmen, Forscher und Publizisten sind davon betroffen, wenn sie nicht den Vorstellungen der Chinesen bedingungslos huldigen.  Der amerikanische Kongress untersuchte bereits im Dezember mit einer Kommission diese Situation in einem Hearing: „How China Uses Economic Coercion to Silence Critics and Achieve its Political Aims Globally“.

Offensichtlich ist China überzeugt, dass die Zeit bereits reif sei, deutlich Macht zu demonstrieren, auch gegenüber der Staatengemeinschaft der gesamten Welt.  Das Rüstungsbudget wurde dafür jedes Jahr stark erhöht. Der chinesische Außenminister benahm sich auch auffällig, als er die Atombombe für den Iran so verteidigte, als wäre die dafür erforderliche Technologie aus der Volksrepublik China gekommen.  In den Labors von Wuhan werden „chinesische Viren“ produziert, die jederzeit die Welt gedeihlich überfluten können, wenn die Entscheidung fällt, diese in Entlüftungsschächten auszusetzen.

Gleichzeitig wird Europa von chinesischen Immigranten infiltriert, wie von einer fünften Kolonne, die ganze Stadtteile übernimmt, ohne dass ein Widerspruch an einer solchen Einwanderung erfolgt, durch Politiker, die bei Kriegsflüchtlingen aus Assyrien, die durchaus den europäischen Normen und Wertvorstellungen entsprechen, diesbezüglich keinesfalls zimperlich waren. 

Es ist völlig unklar, weshalb in Europa gedacht wird, dass die Chinesen nicht in feindlicher Absicht ins Land kommen. Damit steht Europa und die gesamte Kultur des Westens vor einer großen Herausforderung, die die nächsten Jahre prägen wird.


Die Konfrontation mit China muss im kommenden Jahr ein bestimmendes Thema sein, damit Europa auf diese Gefährdung reagieren kann, die schrecklicher wirkt, denn die aktuelle Seuche.

Finanzen

Über Johannes Schütz 99 Artikel
Johannes Schütz ist Medienwissenschafter und Publizist. Veröffentlichungen u. a. Tabula Rasa Magazin, The European, Huffington Post, FAZ, Der Standard (Album), Die Presse (Spectrum), Medienfachzeitschrift Extradienst. Projektleiter bei der Konzeption des Community TV Wien, das seit 2005 auf Sendung ist. Projektleiter für ein Twin-City-TV Wien-Bratislava in Kooperation mit dem Institut für Journalistik der Universität Bratislava. War Lehrbeauftragter an der Universitat Wien (Forschungsgebiete: Bibliographie, Recherchetechniken, Medienkompetenz, Community-TV). Schreibt jetzt insbesondere über die Verletzung von Grundrechten. Homepage: www.journalist.tel