Olaf Gulbransson Museum Tegernsee | Herbert Beck trifft Emil Nolde. Inspiration und Umsetzung

Herbert Beck trifft Emil Nolde

Inspiration und Umsetzung

In Zusammenarbeit mit der Nolde Stiftung Seebüll

und Beck & Eggeling International Fine Art

 

Ausstellungsdauer | 24. Juni – 30. September 2018

 

In seiner Sommerausstellung vom 24. Juni bis 30. September 2018 zeigt das Olaf Gulbransson Museum zwei weltbekannte Expressionisten, die vieles verband, doch noch mehr trennte.

Die Ausstellung „Herbert Beck trifft Emil Nolde“ ist keine Neuauflage der Nolde-Beck-Ausstellung, die 2014 in New York stattfand. Deren Ziel war es, zu zeigen, was Beck und Nolde verbindet. In Tegernsee geht es den Machern, der Galerie Beck & Eggeling International Fine Art aus Düsseldorf und der Stiftung Seebüll Ada und Emil Nolde, nun darum, zu zeigen, was das Œuvre von Beck und Nolde trennt.

Nolde gilt als einer der wichtigsten deutschen Expressionisten und als einer der großen Aquarellisten des 20. Jahrhunderts. Schon zu Lebzeiten war er sozusagen ein Superstar der Kunstszene: Im Dritten Reich als entarteter Künstler verfemt, stieg er nach 1945 wie Phönix aus der Asche. Fast 70 Jahre galt er als Opfer des Naziregimes. Dass Nolde in Wahrheit ein überzeugter Antisemit war, ist der breiten Öffentlichkeit erst seit etwa fünf Jahren bekannt. Nolde war ein rastlos Schaffender, dessen Produktivität bis zu seinem Tod 1956 anhielt. Zahlreiche Auszeichnungen und Ehrungen wurden ihm zuteil. Kein Jahr, in dem der Expressionist nicht mit einer Ausstellung geehrt wird. Noldes politische Haltung tut seiner künstlerischen Virtuosität und seinem Status als großer Künstler keinen Abbruch.

Dr. Christian Ring, seit 2013 Direktor der Stiftung Seebüll Ada und Emil Nolde, will die dunklen Kapitel in Noldes Geschichte aufgedeckt sehen: „Nolde ist und bleibt einer der großartigsten Expressionisten. Seine Kunst hält die Diskussion aus.“ Noldes Kunst mit seinen leuchtenden Blumenaquarellen, die dramatisch inszenierten Marschlandschaften im glühenden Abendrot, das bewegte Meer mit den dramatischen Wolkenbergen, die idyllischen Warft-Landschaften und seine Portraits haben unverrückbar ihren Platz in der Kunstgeschichte und ihrem Kanon. Nolde gilt als der Künstler, der die Kraft der Farbe entfesselte.

Diese Farbexplosionen und ihr Leuchten in Noldes Aquarellen faszinierten Mitte des letzten Jahrhunderts auch den jungen Künstler Herbert Beck aus Tegernsee. Anders als Nolde hatte der 1920 in Leipzig geborene Beck den Zweiten Weltkrieg nicht fernab auf der eigenen Warft erlebt, sondern an der Ostfront. Die Erlebnisse dort und jene nach dem Krieg in der sowjetischen Zone sollten sein weiteres Leben wie auch sein künstlerisches Schaffen prägen: Es entstanden in Öl dunkle Stillleben und Landschaften, aber auch politisch getriebene Kunst, wie etwa das „Selbstbildnis mit Atompilz“, bei dem Beck bei aller Dunkelheit der Motive bereits sein unglaubliches Gespür für Farben unter Beweis stellte. Seine Vorbilder waren Kirchner, Macke und Nolde. Bei Herbert Becks erster großer Ausstellung einer renommierten Hamburger Galerie begegnete Beck zufällig Emil Nolde. Für Beck sollte das etwa einstündige Gespräch mit dem erfahrenen Maler und Star der Kunstszene zu einer umwälzenden Begegnung und Initialzündung werden, an die er sich später wie folgt erinnerte:

„Nolde zeigte mir aus seiner mitgebrachten Mappe einige seiner meisterhaften Aquarelle. Diese glühende Farbigkeit zu erreichen, war das Ziel unzähliger Studien. Und es gelang mir im Laufe der Zeit, meine Bildideen expressiv, farbstark zu malen, ohne bunt zu werden.“

Es sollte das einzige, persönliche Zusammentreffen der beiden Künstler bleiben. Es war vor allem Noldes Kraft der leuchtenden Farben, die Beck beeindruckte und zu erreichen suchte. „In besagten unzähligen Studien entwickelte mein Vater eine eigene Technik mit ähnlichem Ergebnis, während er sich sonst zeitlebens von Nolde distanzierte“, verrät Sohn und Galerist Michael Beck. Während Nolde auf hochempfindlichem, ultradünnem Japanpapier aquarellierte und es quasi in Farben tränkte, verwendete Beck festen Büttenkarton, auf den er eine Grundierfarbe, meist ein Hellgelb, auftrug. „Durch das feste Bütten konnte er expressiver und vor allem in extrem ausdrucksstarken Großformaten arbeiten“, unterstreicht Beck die offensichtlichen Unterschiede. Durch die Grundierung erreichte Herbert Beck ein inneres Leuchten – und zwar sowohl beim Aquarellieren, als auch mit Ölfarben, denen er durch die maximale Verdünnung die Leichtigkeit der Aquarelloptik verlieh. Beck feierte ein Fest der Farben. Anders als bei Nolde, der vom Naturempfinden her kam, waren die Arbeiten Becks aber das Resultat wirklicher Studien, reflektierter Emotionen und gezielt konstruiert. Inter-nationale Erfolge stellten sich ein.

Betrachtet man, wie bei der Tegernseer Ausstellung, welche 30 Noldes und rund 50 Becks zeigt, die Werke der beiden Expressionisten direkt nebeneinander, so erscheint Nolde fast ein bisschen brav. Die 1960er-, 70er- und 1980er-Jahre Becks ließen doch noch mehr Abstraktion und emotionaleren Ausdruck zu. Insofern steht Beck formal in der direkten expressionistischen Nachfolge Noldes: Wo Nolde erhebend war, war Beck ergreifend. Becks Ziel war das Magische Moment der Kunst, das Unerklärbare in der Malerei oder der Musik, das den Betrachter oder Zuhörer berührt und ihm eine Gänsehaut bescheren kann. Für private Sammlungen waren die Beck’schen Portraits, „Köpfe“ und „Gesichter“, obwohl meisterhaft, zu emotionalisierend. Mit ihnen ging der Künstler den Fragen nach, die ihn selbst als 80-Jährigen bei seinem Zyklus „Faces of the World“ noch beschäftigten: „Wer ist Opfer und wer Täter?“ und „Wer versteckt was hinter einer Maske?“. Fröhlich und gefällig sind deshalb seine Harlekins oder Karnevalbilder bis heute nicht.

Doch heute kann der Betrachter dieses Unheimliche, Unbekannte bisweilen Lauernde aus-halten. Er ist bereit hinzusehen – sowohl auf die deutsche Vergangenheit wie sie Herbert Beck darlegte, als auch auf die persönliche Geschichte des deutschen Kunstheroen Emil Nolde. Mit dieser zeitgeschichtlich wichtigen Ausstellung „Herbert Beck trifft Emil Nolde“, bekommt Herbert Beck endlich seinen Platz in der deutschen Kunstgeschichte zugewiesen, den er verdient – und zwar ohne dass sein Vorgänger Emil Nolde von seinem abrücken müsste.