Unsere Gesellschaft muss versuchen, die „Codes“ der öffentlichen Kommunikation zu knacken

ZDF, Foto: Markus Sieber

Viele glauben, politische Lagebeurteilungen vorzunehmen und politische Entscheidungen zu treffen, sei ein einfaches Geschäft. Das zählt vielleicht zu den größten Irrtümerm unserer Zeit. (Grüne) Parteitage helfen nicht, wenn es darum geht, in extremen Krisenzeiten wie jetzt ein gewisses Grundverständnis dafür zu entwickeln, worauf es eventuell ankommen könnte, sowohl politisch als auch individuell. ARD und ZDF, wie auch deren gemeinsamer Sender „Phoenix“ geben vielfach auch nicht sehr viel mehr her, wenn es darum geht, die Welt zu durchdringen und wirklich verstehen zu wollen.

Bei „Phoenix“ aber gibt es immerhin Ausnahmen, beispielweise, wenn der Öffentlichkeit wie am 26. Juni 2019 mitgeteilt wurde, dass die Durchsetzung einer Klimapolitik künftig nicht mehr demokratisch erfolgen würde.

Jetzt, am 15. Oktober 2022 tagte nachts eine Phoenix-Runde zum Thema „Kritische Infrastruktur im Visier – Was stärkt unsere Abwehr?“. Der schillernde „Journalist“ Georg Mascolo, der ohne Zweifel über extrem viel Insiderwissen verfügt, sagte sinngemäß, „alle“ am Tisch wüssten quasi über alles Bescheid. Das implizierte die Phoenix-Moderatorin Anke Plättner wie auch die weiteren Gäste: Prof. Daniela Schwarzer (Politikwissenschaftlerin, Exekutivdirektorin für Europa und Eurasien der Open Society Foundation), Marcus Keupp (Militärökonom, ETH Zürich), Johannes Rundfeldt (Gründer AG KRITIS, Arbeitsgemeinschaft Kritische Infrastrukturen).

Die Krux ist nur: Dem gemeinen Publikum, der Öffentlichkeit, „uns“, den Zuschauern von ARD und ZDF gegenüber spricht man bei Phoenix nicht Klartext. Man kann oder möchte keinen reinen Wein einschenken, weil Außen- und Sicherheitspolitik ebenso wie Kriseneinschätzungen und Krisenvorsorge zu den Bereichen gehören, über die Fachleute mit echtem Insiderwissen öffentlich nur in Andeutungen sprechen können.

Die Andeutungen, die extreme Ernsthaftigkeit und die teilweise schon insistierenden Empfehlungen von Georg Mascolo, hinsichtlich einer seiner Ansicht nach sträflich vernachlässigten und überfälligen Krisenvorsorge sowohl im staatlichen als auch im privaten Bereich – u.a. mit Blick auf einen möglichen Blackout – waren deutlich wahrnehmbar

Für unsere Gesellschaft kommt es jetzt existienziell darauf an, die Sprache der Diplomatie ein wenig zu erlernen, wesentliche Aussagen wie heute bei „Phoenix“ dechiffrieren und lesen zu können, Warnhinweise, Alarmsignale, insbesondere aber auch potenzielle Fallstricke und falsche Fährten eventuell frühzeitig zu erkennen.

Die Eindringlichkeit in der heutigen Sendung macht deutlich, dass keine weitere Zeit zu verlieren ist: Unsere Gesellschaft muss versuchen, die „Codes“ der öffentlichen Kommunikation zu knacken, um in den bevorstehenden Monaten und Jahren sich in die Lage zu versetzen, Schlimmeres abzuwenden.

Den diesbezüglichen, verklausulierten „Aussagen“ und „Andeutungen“ bei ARD, ZDF und Phoenix liegt eine Fachdebatte zugrunde, die auf Initiative und im Umfeld des Auswärtigen Amts vor etlichen Jahren schon geführt und interessanterweise öffentlich dokumentiert wurde: Man wollte und will die Öffentlichkeit ein Stück weit damit vertraut machen, womit wir jetzt unter Stichworten wie „Führungsrolle Deutschlands“ in existenzieller Weise konfrontiert werden.

Quelle: Akademie Bergstraße für Ressourcen-, Demokratie- und Friedensforschung

Finanzen