Sir Keir Starmer ist ein britischer Politiker und seit April 2020 Vorsitzender der Labour Party sowie Oppositionsführer im britischen Unterhaus. Er wurde 1962 geboren und war vor seiner politischen Karriere ein angesehener Jurist, unter anderem als Director of Public Prosecutions (DPP) von 2008 bis 2013. Starmer ist Abgeordneter für den Londoner Wahlkreis Holborn and St Pancras, den er seit 2015 vertritt.
Hintergrund und Karriere
Keir Starmer wuchs in einem Arbeiterhaushalt auf – sein Vater war Werkzeugmacher, seine Mutter Krankenschwester. Seine Herkunft betont er häufig, um seine Verbindung zur Arbeiterklasse und zu traditionellen Labour-Werten zu unterstreichen. Nach dem Studium der Rechtswissenschaften in Leeds und Oxford spezialisierte er sich auf Menschenrechte und war ein erfolgreicher Menschenrechtsanwalt. Seine Zeit als DPP verlieh ihm den Ruf eines prinzipientreuen, pragmatischen und sachlichen Juristen, der sich nicht scheut, schwierige Entscheidungen zu treffen.
Politische Positionen und Ansichten
Starmer gilt als zentristisch bis gemäßigt links. Er positioniert sich als pragmatischer Modernisierer, der die Labour-Partei wieder regierungsfähig machen will, nachdem sie unter Jeremy Corbyn als zu links und radikal galt. Gleichzeitig betont er, dass er sich zu sozialdemokratischen Grundwerten bekennt.
Wirtschaft und Soziales
Starmer bekennt sich zu einer sozial gerechten Wirtschaftsordnung. Er setzt sich für öffentliche Investitionen, wirtschaftliches Wachstum, eine Reform der Sozialpolitik und eine stärkere Rolle des Staates ein – allerdings mit einem Fokus auf Haushaltsverantwortung.
Er spricht sich gegen radikale Enteignungen aus, wie sie unter Corbyn diskutiert wurden, unterstützt aber Maßnahmen wie:
– eine progressive Besteuerung
– Investitionen in die Infrastruktur und den öffentlichen Dienst
– Mindestlohnerhöhungen
– Stärkung von Arbeitnehmerrechten
Gesundheitssystem (NHS)
Starmer verteidigt das öffentliche Gesundheitswesen (NHS) vehement. Er lehnt Privatisierungen im Gesundheitssystem ab und fordert höhere Investitionen, mehr Personal sowie eine bessere Bezahlung für Beschäftigte im Gesundheitssektor. Unter seiner Führung positioniert sich Labour als die Partei, die den NHS „wiederherstellen“ will.
Brexit und Außenpolitik
Während der Brexit-Debatten galt Starmer als Verfechter eines zweiten Referendums. Inzwischen akzeptiert er den Brexit als Realität und verfolgt eine Linie der „Versöhnung mit der EU“, ohne eine Rückkehr in die Union anzustreben. Stattdessen setzt er auf pragmatische Kooperation in Bereichen wie Handel, Sicherheit und Klimaschutz.
Außenpolitisch vertritt er eine regelbasierte, multilaterale Ordnung. Er unterstützt die NATO, hat den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine klar verurteilt und setzt sich für internationale Zusammenarbeit beim Klimaschutz ein.
Klimapolitik
Starmer verfolgt eine ambitionierte Klimapolitik. Unter dem Slogan „Green Prosperity Plan“ kündigte er an, Großbritannien bis 2030 zum „Clean Energy Superpower“ zu machen. Dazu gehört:
– Ausbau erneuerbarer Energien, insbesondere Wind- und Solarenergie
– Gründung eines staatlichen Energieunternehmens („Great British Energy“)
– Förderung grüner Jobs und Technologien
Seine Pläne sollen nicht nur dem Klimaschutz dienen, sondern auch wirtschaftlichen Aufschwung in strukturschwachen Regionen fördern.
Innenpolitik, Migration und Recht
Als ehemaliger Staatsanwalt legt Starmer Wert auf Rechtsstaatlichkeit, Sicherheit und Ordnung. Er unterstützt eine strikte, aber faire Migrationspolitik und betont die Notwendigkeit, sowohl sichere Grenzen als auch humane Verfahren zu gewährleisten. Die von der konservativen Regierung geplante Abschiebepolitik nach Ruanda lehnt er ab.
Gleichzeitig bekennt er sich zu einem entschiedenen Kampf gegen Diskriminierung, Rassismus und soziale Ungleichheit. Er unterstützt die Rechte von LGBTQ+-Personen, setzt sich für mehr Diversität ein und fordert Reformen zur Stärkung von Bildung und Chancengleichheit.
Führungsstil und Kritik
Starmer wird häufig als ruhig, sachlich und professionell beschrieben – im Kontrast zu populistisch auftretenden Politikern. Seine Kritiker werfen ihm jedoch vor, uncharismatisch zu sein oder seine politischen Positionen zu oft anzupassen. Besonders die Linke innerhalb der Labour Party kritisiert, dass er sich zu weit von Corbyns Agenda entfernt habe, obwohl er 2020 teilweise mit deren Unterstützung gewählt wurde.
Seine Anhänger hingegen sehen in ihm die Chance, Labour wieder als wählbare Regierungsalternative zu etablieren, insbesondere für die politische Mitte und ehemalige Labour-Wähler im sogenannten „Red Wall“ im Norden Englands.
Keir Starmer ist eine zentrale Figur der britischen Politik im Übergang. Er versucht, die Labour-Partei zu modernisieren, ohne ihre sozialdemokratische Identität zu verlieren. Seine politische Vision kombiniert wirtschaftliche Verantwortung mit sozialer Gerechtigkeit und einer klaren Haltung gegenüber autoritären und populistischen Tendenzen. Ob er Labour zurück an die Macht führen kann, wird sich voraussichtlich bei den kommenden Parlamentswahlen zeigen – viele Beobachter sehen ihn als ernsthaften Herausforderer von Premierminister Rishi Sunak.