China: 26 Jahre im Arbeitslager wegen christlichem Glauben

Buch: "Mit Christus im chinesischen Straflager" von Rose Hu

Autobiographische Schilderungen aus China sind selten. Noch seltener ist hierzulande zu hören von chinesischen Christen. Und fast völlig unbekannt ist, dass es Millionen von Christen gibt, die sich dem kommunistischen Regime in Peking nicht beugen. Viele von ihnen werden zu Märtyrern für den Glauben. Unschätzbar wertvoll ist vor diesem Hintergrund die erschütternde Lebensgeschichte von Rose Hu.

Am 16. April 1949 wurde Meiyu Hu, damals war sie 16 Jahre alt, in Shanghai katholisch auf den Namen Rose getauft. Ihr Tauftag jährt sich damit dieser Tage zum 75. Mal. Ihre Bekehrung zum Christentum geschah über eine enge Beziehung zur Gottesmutter. Folgerichtig trat sie nach dem Empfang des Taufsakraments der aus Irlands stammenden Gebetsgemeinschaft Legion Mariens bei. Auch starker Druck aus ihrer eigenen Familie konnte sie nicht abhalten – ganz im Gegenteil: bald schon wurde ihr Bruder, der sie bespitzeln sollte, selbst zum überzeugten Nachfolger Christi. Dies alles geschah vor dem Hintergrund der Machtübernahme von Mao Tse Tung, der alsbald sein mörderisches kommunistisches Regime in China errichten sollte. Noch heute hat diese menschenverachtende Diktatur in Rotchina Bestand.

Was bedeutete die Machtübernahme der Linksextremisten, der Kommunisten also, für Menschen wie rose Hu? Beispielhaft seien ihre Eingangssätze aus Kapitel 10 zitiert: „Der Kommunismus und der Katholizismus stehen sich als unversöhnliche Feinde gegenüber. Die Kommunisten unternehmen alles, um die Katholiken zu vernichten. In den Augen der Kommunisten sind alle Priester und Nonnen, aus welchem Land sie auch kommen, ‚Imperialisten’.“ Von 1955 bis 1957 saß Rose Hu erstmals zwei Jahre in Haft, davon ein Jahr in Einzelhaft. Ihre Isolation, in der sie nur in ihrer Zelle saß, niemanden sah, nichts arbeiten durfte, beantwortete sie mit diesem Gedicht: „Gefesselt sein bedeutet frei sein / verlieren bedeutet gewinnen / So viele Gnaden wurden meiner Seele geschenkt!“

1958, nach wenigen Monaten außerhalb der Haft, aber in einem sich verschärfenden gesellschaftlichen Umfeld, wurde Rose Hu abermals festgenommen. Nur weil sie an Jesus Christus glaubte, weil sie nicht kommunistisch sein konnte. Was sie in schlichten Worten über die nun folgenden Torturen aufschreibt, ist für mitteleuropäischen Erfahrungshorizont fast nicht zu fassen, ist wortwörtlich kaum zu glauben – es ist der Bericht über Qual und Folter aus mehreren chinesischen Umerziehungslagern. 24 Jahre Arbeitslager ohne Unterbrechung.

In insgesamt 28 Kapiteln, auf 130 Seiten, beschreibt Rose Hu ihr Martyrium in den chinesischen Lagern. Unfassbar grausame Schilderungen, mit quasi lakonischen Worten aufgezählt – schwerste Folter, immer wieder Todesfälle von Weggefährten, täglich neue Grausamkeiten. Was der Mensch dem Menschen um Gottes willen antut – Herr, erbarme Dich! Exemplarisch sei Kapitel  42 genannt, überschrieben mit: „Eine Perle im Lager Dangshan“ – die Geschichte der Ordensfrau Yicheng, einer Nonne der „Kongregation der Helferinnen der Armen Seelen im Fegefeuer“.

Unglaublich die Folter, der man Schwester Yicheng aussetzt, nur weil sie an Jesus Christus glaubt. Sie stirbt an einer Blinddarmentzündung, die nicht behandelt wird – auf indirekte Weise wird sie qualvoll ermordet durch wissentliches Unterlassen von Hilfeleistungen. Parallelen zu schlimmsten Menschheitsverbrechen des 20. Jahrhunderts tun sich wie Abgründe auf. Zur gleichen Zeit, Rose Hu war 15 Jahre inhaftiert, veröffentlichte der Alexander Solschenizyn seinen „Archipel Gulag“. 1973 war das, und zu lesen von ähnlichen Verhältnissen wie in China, die in der gleichfalls kommunistischen Sowjetunion herrschten. Rose Hu hat, dies bedenkend, mit ihrer Autobiographie einen „chinesischen Archipel Gulag“ geschrieben, und sie nennt ganz klar und offen die Namen etlicher Priester, katholischer Ordensleute, die in den chinesischen Arbeitslagern ihren Dienst an Gott und an ihren Nächsten taten.

1982 endete schließlich Roses Martyrium. Sie wurde 1989 in die USA ausgeflogen, wobei das aber nur unscharf erwähnt wird. Offenkundig ist es die Intention von Autorin, Übersetzer und Verlag, einen spirituellen Weg hin zu Gott zu beschreiben. Damit handelt es sich hier nicht um eine durchgängige, klassische Biographie. Stattdessen werden, dem geistlichen Lebensweg der Autorin folgend, Begegnungen mit chinesischen Priestern, die sich noch aus dem 1950er Jahren kannte und nun in den USA wiedertraf, mit großer Ausführlichkeit geschildert. Exakt festgehalten ist auch, das Rose Hu im Jahre 2003 das Gelübde als Mitglied des Dritten Ordens der Bruderschaft FSSPX ablegte. Als Ordensfrau lebte sie dann bis 2012 in den USA; 79jährig starb sie an einer Krebserkrankung.

Welch gewaltige, zutiefst christliche Idee ist es aber bei alledem, mit einer Vergangenheit von 26 Jahren in ganz unterschiedlicher, immer grausamer, immer schrecklicher chinesischer Haft der eigenen Autobiographie den Untertitel „Freude im Leiden“ zu geben! Ihre Stärke dieses Vorbild wird nicht nur gläubige Christen erschüttern und zu tiefem Nachdenken anregen. Das ist ein wichtiges Thema, denn Millionen von Menschen, Christen und Nichtchristen, erleiden genau das in China – bis zum heutigen Tag. Für Rose Hu kommt hinzu, dass sie das Zweite Vatikanum nicht aktiv miterlebte, weil sie weggesperrt war. Für sie persönlich bricht mit der Messe, die in der Landessprache gehalten wird – und nicht mehr auf Latein –, sozusagen eine Welt zusammen. Dasselbe gilt für die Handkommunion, die die Mundkommunion ersetzte, was ihr unverständlich bleibt. Da sie einen Märtyrerhintergrund hat, ist dieser aspekt durchaus nennenswert.

Der Sarto-Verlag vertritt innerhalb der katholischen Kirche die konservative Schiene. Das ist vor allem wegen der Klarheit dieses Standpunktes interessant. Verlagsseitig geht es dabei erkennbar um die Förderung der Feier der Heiligen Messe nach tridentinischem Ritus. Das ist, für sich genommen, interessant und nachdenkenswert. Doch dieses Buch hat einen weit größeren Bedeutungsradius. Eine Frau, die unfassbar viel Gottvertrauen hat, gibt uns ein Beispiel. Eindrucksvoll lebt sie das Prinzip der Nachfolge stellvertretend für alle Christen vor. Konfessionelle, innerchristliche Fragen verblassen angesichts einer Diktatur, die gegenüber allen, die nicht bedingungslos systemkonform sind, ihre Maske ablegt und maximal brutal und menschenverachtend agiert.

Cover: „Mit Christus im chinesischen Straflager“ von Rose Hu

Rose Hu, Mit Christus im chinesischen Straflager – Freude im Leiden, Bobingen 2024, übersetzt und mit einem Vorwort versehen durch Franz Kronbeck, broschiert, 261 Seiten, ISBN 978-3-96406-077-8, 14,80 Euro.

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Über Sebastian Sigler 78 Artikel
Der Journalist Dr. Sebastian Sigler studierte Geschichte, Literaturwissenschaft und Kunstgeschichte in Bielefeld, München und Köln. Seit seiner Zeit als Student arbeitet er journalistisch; einige wichtige Stationen sind das ZDF, „Report aus München“ (ARD) sowie Sat.1, ARD aktuell und „Die Welt“. Für „Cicero“, „Focus“ und „Focus Money“ war er als Autor tätig. Er hat mehrere Bücher zu historischen Themen vorgelegt, zuletzt eine Reihe von Studien zum Widerstand im Dritten Reich.