Das Eifersuchtsdrama in Kitzbühel: Eifersucht – eine gefährliche Leidenschaft

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Eifersucht ist eine Leidenschaft, die nicht selten zu Mord und Totschlag führt. Sie kommt bei beiden Geschlechtern vor, diese gehen jedoch unterschiedlich damit um. In der Art und Weise der Aggressionsverarbeitung unterscheiden sich beide Geschlechter. Wenn Eifersucht in Mord oder Totschlag eskaliert, ist der Täter meist männlich und das Opfer weiblich. So ist es auch in den großen Eifersuchtstragödien, die auf den Theater- und Opern-Bühnen zu sehen sind: Der eifersüchtige Othello tötet seine Liebespartnerin Desdemona und Carmen wird von dem eifersüchtigen Don José erstochen.

Die Eifersuchtstragödie von Kitzbühel

Anfang Oktober 2019 hat der 25-jährige Österreicher Andreas H. innerhalb kurzer Zeit fünf Menschen erschossen. Die Tatmotive waren vermutlich Eifersucht und massive narzisstische Kränkungen durch Zurückweisung und Verlassenwerden. Zwei Monate vor der Bluttat hatte ihn seine 19-jährige Partnerin Nadine H. verlassen. Andreas und Nadine waren schon mehr als fünf Jahre ein Paar, waren verlobt und hatten offensichtlich eine baldige Hochzeit geplant. Doch es kam anders. Nadine verließ Andreas und hatte bereits einen neuen Partner, der zur Tatzeit im Haus der Ermordeten war und ebenfalls vom Täter erschossen wurde. Der Täter erschoss zuerst die Eltern und den Bruder von Nadine, dann sie selbst und schließlich deren neuen Freund. Nach dem Obduktionsbericht wurden alle Opfer aus sehr kurzer Distanz erschossen. Medienberichte schrieben von einer „regelrechten Hinrichtung“. Die Mordserie an den fünf Getöteten fand nachts in kurzer Zeit statt. Nach der Bluttat ging der Täter zur örtlichen Polizei, gestand seine Tat und ließ sich festnehmen. Der erste Schuss fiel gegen 5.30 Uhr im Morgengrauen. Um 6.00 Uhr war der Täter Andreas bereits im Polizeirevier.

Narzissmus und Selbstwertregulation

Der Täter Andreas E. hat vermutlich fünf narzisstisch motivierte Morde verübt. „Narzisstisch motiviert“ soll ausdrücken, dass die wiederholten narzisstischen Kränkungen von wesentlicher Bedeutung für das Tatmotiv waren. Bislang gibt es lediglich Vermutungen über die Motive dieser unfassbaren Tat. Da erschießt ein junger Mann innerhalb weniger Minuten mit Kopfschuss aus nächster Nähe fünf Menschen, die er jahrelang persönlich gut gekannt hat, in deren Haus er ein- und ausgegangen ist. Vermutlich ist der Täter selbst fassungslos, wie es dazu kommen konnte. Licht in dieses Dunkel wird wohl erst das psychologische Gutachten und die Gerichtsverhandlung bringen.

Die Journalisten versuchen derzeit, durch Gespräche mit den Angehörigen – z.B. der Mutter des Täters – oder mit Nachbarn und Personen aus dem Bekanntenkreis alles etwas verständlicher zu machen. Sie sammeln Mosaikstein um Mosaikstein, um verstehbar zu machen, was letztlich nicht zu verstehen ist. Trotz aller Vorbehalte gegenüber derartigen Vermutungen seien einige Mosaiksteine genannt: Wenn ein Mensch nach narzisstischen Kränkungen in sehr kurzer Zeit fünf solch schreckliche Morde begeht, liegt die Vermutung nahe, dass er ein narzisstisch sehr verletzlicher Mensch war, in der Fachsprache ein „vulnerabler Narzisst“. Folglich sollte es Hinweise auf narzisstische Persönlichkeitsmerkmale geben. Die Journalisten haben in Interviews einige solcher Hinweise gefunden: Die Mutter des Täters Andreas E. bezeichnete ihn als einen beliebten Menschen und einen „kleinen Sunnyboy“. Die von ihm veröffentlichten Fotos auf Facebook zeigen ihn überwiegend in Macho-Posen. Auf Facebook postete er ein Foto vom Tacho seines Autos während einer Fahrt nach Rosenheim, das eine Geschwindigkeit von 230 km pro Stunde anzeigte. Andreas E. suchte also offensichtlich Anerkennung und Beachtung, Anerkennung und Bewunderung auf Facebook und in anderen soziale Medien. Dies folgt dem modernen Slogan: „Sage mir, welche Bilder du auf Facebook postest, und ich sage dir, wer du bist!“

Ein weiterer wichtiger Mosaikstein dürfte die auslösende Situation sein: Hier erscheinen zwei Ereignisse kurz vor den Mordtaten bedeutsam: Am Abend vor den Morden habe Andreas E. zufällig seine Ex-Freundin Nadine H. in einem Lokal in Kitzbühel getroffen. Dort sei es zu einem Streit gekommen. Dieser Streit war möglicherweise der Auslöser dafür, dass Andreas E. in der gleichen Nacht gegen 4.00 Uhr vor dem Haus der Familie von Nadine H. auftauchte, dort klingelte und vom Vater abgewiesen wurde. Empört fuhr er nach Hause und holte dort die Pistole seines Bruders. Bereits eine Stunde später fiel der erste Schuss. Es liegen also vermutlich zwei Kränkungssituationen vor. Der Vater von Nadine H., den er jahrelang persönlich gut kannte, wies ihn vor der Tür ab. Was wäre gewesen, wenn der Vater bei dem ersten Kontaktversuch ein verständnisvolles Gespräch mit ihm begonnen hätte? Da war Andreas E. noch nicht bewaffnet.

Ein weiterer Mosaikstein dürfte der Rivale sein, an den Andreas E. seine Verlobte verloren hat. Der neue Freund von Nadine H. – Florian J. – war ein in Kitzbühel durchaus bekannter Eishockeyspieler.  Er war Torwart in der Kitzbühler Eishockey-Zweitliga-Mannschaft. Am Vorabend der Tat hat er noch an einem Eishockeyspiel teilgenommen und wurde wegen seiner sehr guten Leistungen im Heimspiel zum „Mann des Spiels“ gewählt. Es könnte durchaus sein, dass sich der fünffache Mörder Andreas E. öfter mit dem Rivalen und neuen Freund seiner Ex-Verlobten gedanklich beschäftigt hat. Möglicherweise hat er sich zu seinen Ungunsten mit ihm verglichen. Er ist von einem „besseren Rivalen“ ausgestochen worden. Vielleicht sah er Florian J. als einen „tollen Hecht“, einen gefeierten Eishockeyspieler, mit dem er nicht mithalten konnte und der möglicherweise der Auslöser dafür war, dass er verlassen wurde. So könnte Florian J. als Rivale für Andreas E. ein „rotes Tuch“ gewesen sein, das in ihm zusätzlich mörderische Affekte stimulierte.

Die hier wiedergegebenen Mosaiksteine aus Interviews, die in Videos oder Medienberichten veröffentlicht wurden, sind nicht mehr als Vermutungen. Erst das psychologische Gutachten und die Gerichtsverhandlungen können Licht ins Dunkel bringen und der Wahrheit näherkommen.

Erschreckende Zahlen des Bundeskriminalamts

Etwa 60 bis 70 Prozent aller Fälle von Mord oder Totschlag sind Beziehungstaten. Ein großer Teil davon sind Fälle von Mord und Totschlag an Lebensgefährtinnen oder Ex-Partnerinnen. In Deutschland wurden im Jahr 2018 nach der BKA-Statistik 123 Frauen von ihren Lebensgefährten oder Ex-Partnern getötet. 208 Frauen wurden Opfer von Mord oder Totschlagsversuchen. Gewalt in der Partnerschaft ist eine große Herausforderung und ein zentrales Anliegen der Gewaltprävention. Die Hauptmotive von solchen Gewaltdelikten sind Eifersucht oder die einseitige Trennung der Partnerbeziehung. Auslöser können Trennungsabsichten oder die faktische Trennung sein. Die Hauptkonstellationen sind Frauen, die ihren Ex-Partner verlassen haben oder eine Trennung beabsichtigen, sowie Fälle von krankhafter Eifersucht beim männlichen Partner. Umgekehrt gibt es nur wenige Fälle von Mord oder Totschlag, in denen verlassene Frauen ihre männlichen Ex-Partner umbringen.

Da die Grundprobleme der jeweils betroffenen Partnerbeziehungen meistens schon längere Zeit existieren, sind Präventionsmaßnahmen aussichtsreich. Eskalationen von Eifersucht haben meist eine lange Geschichte und sind den betroffenen Partnern und oft auch dem sozialen Umfeld bekannt.

Intimizid – die Tötung des Liebespartners

In der Forensischen Psychiatrie und der Kriminologie wird für die Tötung des Liebespartners zunehmend der Fachterminus Intimizid verwendet. Barbara Kiesling (2002, 2010) und Andreas Marneros (2007, 2008) haben Untersuchungen über Motive, Affekte und Tathergang bei der Tötung des Intimpartners untersucht. Insgesamt ist das Thema der Tötung des Liebespartners jedoch nach wie vor ein männliches. Das Hauptmotiv dabei ist die Eifersucht. In der neueren Bewegung der Polyamorie, die sexuelle Freizügigkeit propagiert, erweist sich weiterhin die Eifersucht als der hartnäckige Erzfeind derartiger Bemühungen (Csef 2014). Während die Tötung des Intimpartners sicherlich die Extremform ehelicher Destruktivität darstellt und die Spitze des Eisbergs verkörpert, ist häusliche Gewalt zwischen den Ehepartnern ein weit verbreitetes Phänomen, das sicherlich erheblich zum Scheitern der Ehe beiträgt (Borst & Lanfranchi 2011; Kiesling 2002).

Präventionsstrategien

Fälle von Mord oder Totschlag mit dem Tatmotiv Eifersucht sind prinzipiell Präventionsmaßnahmen zugänglich. Das spätere Opfer weiß ja meist über eine mehr oder weniger lange Beziehung um die Eifersucht des Partners. Morddrohungen und körperliche Gewalt sind im Vorfeld häufig. Für die Gewaltprävention ist es wichtig, dass die zukünftigen Opfer und vor allem auch das familiäre oder psychosoziale Umfeld die Bedrohung ernst nehmen. Frühzeitige Paartherapien, Eheberatung, Gewaltschutzprogramme, Frauenhäuser oder letztlich die Anzeige bei der Polizei im Falle von Morddrohungen sind mögliche Wege der Gewaltprävention. Um solche Hilfsmaßnahmen in Anspruch zu nehmen, sind ein verschärftes Risikobewusstsein, Sensibilität und Hilfsbereitschaft des sozialen Umfelds wichtig. Eifersucht fällt nicht vom Himmel, sondern entwickelt sich in konflikthaften Partnerbeziehungen. Es gibt meist zahlreiche Eskalationen und Warnhinweise, bevor es zu Mord, Totschlag oder Mordversuch kommt!

Fachliteratur des Autors zur Eifersucht:

Csef, Herbert (1984) Eifersucht als destruktive Leidenschaft in der Partnerbeziehung. Mitt d Ges. f Prakt. Sexualmedizin; 5:12-12

Csef, Herbert (1990) Eifersucht – Klinische Erscheinungsbilder, Psychopathologie, Beziehungsdynamik, therapeutische Möglichkeiten. Der informierte Arzt; 710:969-976

Csef, Herbert (2005) Sexualstörungen im Kontext von sexueller Untreue und Eifersucht. In: Nissen G et al. (Hrsg.) Sexualstörungen. Darmstadt: Steinkopff; 95-107

Csef, Herbert (2014) Polyamory – ein Weg aus den Zwängen der Monogamie und destruktiver Eifersucht? Journal für Psychologie; 1 (22):1-15

Csef, Herbert (2016) Pathologischer Narzissmus und Destruktivität. Gewaltexzesse in der Gegenwart. Nervenheilkunde; (35):858-863

Sekundärliteratur:

Borst, Ulrike; Lanfranchi, Andrea (2011) (Hrsg.) Liebe und Gewalt in nahen Beziehungen. Heidelberg: Carl-Auer-Verlag

Kiesling, Barbara (2002) „…einfach weg aus meinem Leben.“ Eine qualitative Studie über Frauen, die ihren Partner getötet haben. Gießen: Psychosozial-Verlag

Kiesling, Barbara (2010) Sie küssen und sie schlagen sich. Das Dr.-Jekyll-und-Mr.-Hyde-Muster in Misshandlungsbeziehungen. Gießen: Psychosozial-Verlag

Marneros, Andreas (2007) Affekttaten und Impulstaten. Forensische Beurteilung von Affektdelikten. Stuttgart: Schattauer

Marneros, Andreas (2008) Intimizid – Die Tötung des Intimpartners. Ursachen, Tatsituationen und forensische Beurteilung. Stuttgart: Schattauer

Korrespondenzadresse:

Professor Dr. med. H. Csef 

Schwerpunktleiter Psychosomatische Medizin und Psychotherapie

Zentrum für Innere Medizin

Medizinische Klinik und Poliklinik II

Oberdürrbacher Straße 6

97080 Würzburg

E-Mail-Adresse: Csef_H@ukw.de

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Über Herbert Csef 136 Artikel
Prof. Dr. Herbert Csef, geb. 1951, Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie, Psychoanalytiker. Studium der Psychologie und Humanmedizin an der Universität Würzburg, 1987 Habilitation. Seit 1988 Professor für Psychosomatik an der Universität Würzburg und Leiter des Schwerpunktes Psychosomatische Medizin und Psychotherapie an der Medizinischen Klinik und Poliklinik II des Universitätsklinikums. Seit 2009 zusätzlich Leiter der Interdisziplinären Psychosomatischen Tagesklinik des Universitätsklinikums. Seit 2013 Vorstandsmitglied der Dr.-Gerhardt-Nissen-Stiftung und Vorsitzender im Kuratorium für den Forschungspreis „Psychotherapie in der Medizin“. Viele Texte zur Literatur.