Rede des US-Präsidenten: Reflexionen in Davos – It’s a Trump World

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Trump dominiert auch in Abwesenheit die Diskussionen in Davos. Seine gestrige Rede wirkte wie aus einer anderen Welt – seiner eigenen Welt. Ohnehin wirkt die derzeitige Parallelität der Welten surreal. Wir befinden uns gleichzeitig in mehreren sich überlagernden und widersprechenden Welten. Trump attackiert alles, was wir als wichtig angesehen haben: den globalen Klimaschutz, die Regulierung künstlicher Intelligenz oder die inklusive Gesellschaft. Die Disruption wird zum Kalkül in einer Zeit, in der das Vertrauen und die Hoffnung der Menschen in eine bessere Politik schwinden.

Die Radikalität dieser Politik ist für uns verstörend. Zwar wurde die „Zeitenwende“ ausgerufen, aber niemand war wirklich bereit, die Konsequenzen anzuerkennen – so als ob schon die möglichst dramatische Beschreibung der Ereignisse als Alibi dafür taugt, sich nicht mehr mit ihren Konsequenzen befassen zu müssen. Es geht bei Trump, Xi und Putin um die aggressive und rücksichtslose Ausdehnung von Macht. Die Oligarchie wird zum bevorzugten Modell einer gefährlichen politischen und ökonomischen Restauration. Europas Schwächen werden in dieser Welt des Stärkeren plötzlich sichtbar. Hat Trump etwa verstanden, was wir nicht wahrhaben wollen? Ist sein Einfluss bereits viel größer, als wir es zugeben können?

Die falschen Fragen

Vielleicht haben wir zu viele Alibifragen gestellt. Oder suchten die Antworten dort, wie sie nicht zu finden sind: in einer Welt, die es heute schon nicht mehr gibt.

– Wir hadern mit der Demokratie. Vielleicht aber ist die Gesellschaft polarisierter und ungeduldiger geworden. Bedeutet dann „Demokratie retten“ nicht eigentlich, wieder toleranter und streitbarer zu werden?

– Wir sind von der Politik enttäuscht. Vielleicht aber sind die Probleme heute viel komplexer, ja, vielleicht sind es gar keine Probleme, die man lösen kann, sondern Entwicklungen, denen man eine Richtung geben muss.

– Wir wähnen die Freiheit bedroht. Vielleicht aber hat nur der Egoismus zugenommen, so dass die Bereitschaft, andere Meinungen zu akzeptieren, Kompromisse zu schließen, Verantwortung zu übernehmen oder Verzicht zu üben, abgenommen hat.

– Wir beklagen den Stillstand. Vielleicht aber fehlt eigentlich der Mut zu Veränderung und das Vertrauen in uns selbst. Was, wenn die Bürokratie nur ein Alibi für unsere Mutlosigkeit ist?

– Wir beschwören Europa. Vielleicht aber haben wir ein Europa für die falsche Welt gebaut und müssen ab sofort neue, auch schmerzhafte Prioritäten setzen, wenn Europa zukunftsfähig bleiben (werden) soll.

Trumps Antworten

Wer in diesen Tagen in Davos ist, dem drängt sich das Gefühl von Wiederholung, Imitation und Illusion auf, gefangen in einem Vakuum der Wirkungslosigkeit. Wie sonst kann es sein, dass Trump so surreal erfolgreich wirkt mit dem, was er tut, und die Zukunft gleichzeitig so verzweifelt ungewiss scheint? Wenn die richtigen Fragen zu lange nicht gestellt werden, werden sie am Ende die Falschen beantworten. Trump tut es bereits und schafft Fakten. Viele sagen, dass er scheitern wird. Zölle seien am Ende für die USA am schädlichsten, der Dollar würde dadurch nur geschwächt. Das alles wäre richtig, wenn die Welt noch die alte wäre. Das ist sie aber nicht. Und Trump ist vielleicht schon weiter, als uns Europäern recht sein kann. Er hat, das war in Davos zu spüren, das Denken der Menschen bereits verändert. Es ist bereits ein wenig Trumps Welt geworden. In dieser helfen nur Einheit und Stärke Europas. Schon in Thomas Manns „Zauberberg“, dessen Schauplatz Davos war, hieß es, dass zwei Prinzipien im ewigen Kampf um die Welt lägen, „die Macht und das Recht, die Tyrannei und die Freiheit, der Aberglaube und das Wissen“.

Ihr

Henning Vöpel

Prof. Dr. Henning Vöpel

Vorstand Stiftung Ordnungspolitik

Direktor Centrum für Europäische Politik