Im Extremen die Erfüllung gesucht – Der Theatermensch Frank Wedekind (1864 – 1918) in einer sehenswerten Ausstellung

Silvia Bengesser, Adalbert Stifter-Expertin und Manfred Mittermayer, Thomas Bernhard-Spezialist, sind mal fremdgegangen. Sie befassten sich mit dem Theater-Genie Frank Wedekind. Im Münchner Deutschen Theatermuseum (Galeriestraße, Hofgarten) richteten sie die sehr sehenswerte Ausstellung „Wedekinds Welt“ ein und gaben den zugehörigen stupend getexteten und ebenso bebilderten Katalog aus dem Berliner Henschel Verlag heraus (s. Foto), dessen Untertitel „Theater – Eros – Provokation“ bereits neugierig macht. Vor 150 Jahren wurde Frank Wedekind, Satiriker, Werbe-Dichter, Dramatiker, Regisseur und Schauspieler, in Hannover als Sohn eines revolutionär gesonnenen Mediziners geboren.
Wie revolutionär gesonnen, dazu höchst schreibbegabt, abgehoben bis verrückt, schwierig bis fatal, freizügig bis zum Äußersten dieser Frank Wedekind war – der Einblick in sein umfangreiches Schaffen und – so möchte man beinahe sagen – abonniertes Scheitern ist so bunt und schillernd wie die Persönlichkeit, um die sich alles dreht.
Noch immer eckt dieser berüchtigte Wedekind mit seinem ehedem verbotenen Werk an – bei Konservativen jedenfalls. Das „enfant terrible“, das für freie Liebe ebenso eintrat wie es sich gegen jegliche Vereinnahmung strikt wehrte, das die Schule schmiss, das Studium abbrach, sich als Werbetexter bei der Firma „Maggi“ durchschlug und sich x-mal auf eine immer neue Frau einließ, stand Prozesse durch wie Krankheiten und verlegerische Streitigkeiten. Zu inspizieren ist der Lebemann Frank Wedekind im Münchner Theatermuseum ebenso wie der Zirkusdompteur, der Streitbare, der Verletzliche, der Blitzgescheite und der Wagemutige, der die Bühnen zwischen Berlin und München – wobei Nürnberg nicht zu vergessen ist – eroberte und für Riesenwirbel in der gesamtdeutschen Theaterlandschaft des Fin de Siècle sorgte.
Die reich bestückte, obendrein unterhaltsam gestaltete Schau hat der lange in München beheimatete Frank Wedekind verdient. Und diese Schau, die man ihm zu Ehren aufbaute,hat viele Besucher verdient. Zumal solche, die sich aufgeschlossen zeigen, das so oft querliegende Theater-Phänomen Frank Wedekind einmal nach allen Regeln der (Ausstellungs-)Kunst zu beschnuppern. Zu erleben ist die bis dato umstrittene Figur in Inszenierungs-Filmen, Fotos und Dokumenten, Bühnendekorationen und Buchausgaben, Briefen und allerhand Schriften – nicht zuletzt dank eines einfallsreichen, zum Schmunzeln anregenden Designs. Da lässt es sich in gezimmerte Spinde mit echten und/oder gezeichneten Utensilien gucken, im Kinogestühl für berühmt besetzte Ausschnitte aus Wedekind-Stücken wie „Lulu“, „Der Marquis von Keith“ oder „Frühlings Erwachen“ Platz nehmen und anhand überraschender, ironisierender Fotomontagen ein Künstler-Leben kennenlernen, das in Extremen seine Erfüllung zu finden suchte. Am 9. März 1918 fand das aufregende Dasein des Protagonisten ein jähes Ende.

Noch lebt Wedekinds 1945 in Ambach geborener Enkel, mit Namen Anatol Regnier. Er hält das Andenken an seinen Großvater hoch – in Wort und Schrift, wenn nicht bisweilen auch als Bänkelsänger. (Bis 11. Januar)

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Prof. Dr. Hans Gärtner, Heimat I: Böhmen (Reichenberg, 1939), Heimat II: Brandenburg (nach Vertreibung, `45 – `48), Heimat III: Südostbayern (nach Flucht, seit `48), Abi in Freising, Studium I (Lehrer, 5 J. Schuldienst), Wiss. Ass. (PH München), Studium II (Päd., Psych., Theo., German., LMU, Dr. phil. `70), PH-Dozent, Univ.-Prof. (seit `80) für Grundschul-Päd., Lehrstuhl Kath. Univ. Eichstätt (bis `97). Publikationen: Schul- u. Fachbücher (Leseerziehung), Kulturgeschichtliche Monographien, Essays, Kindertexte, Feuilletons.

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