Irinäus Eibl-Eibesfeldt-Steigbügelhalter für die extreme Rechte?

Irinäus Eibl-Eibesfeldt, Schüler von Konrad Lorenz, ist ein österreichischer Verhaltensforscher, der die Humanethologie als selbständigen Forschungszweig begründete.[1] Eibl-Eibesfeldt betrieb umfangreiche ethologische Forschungen in Afrika, Südamerika und Ostasien, wo er besonders „angeborene“ Verhaltensweisen untersuchte. Er leitete die Forschungsstelle für Humanethologie in Andechs bei München und gründete 1992 das Ludwig-Boltzmann-Institut für Stadtethologie in Wien, das er zusammen mit Karl Grammer leitet. Eibl-Eibesfeldt favorisiert einen „biologischen Reduktionismus“, indem er Erkenntnisse aus der Verhaltensforschung an Tieren eins zu eins auf den Menschen überträgt.[2] Immer wieder wird Eibl-Eibesfeldt vorgeworfen, rassistische Thesen wissenschaftlich zu untermauern, um diese als glaubwürdig über den rechten Rand hinaus in die „Mitte“ der Gesellschaft zu etablieren.[3] Vor allem seine These, dass eine dem Menschen „angeborene Fremdenfurcht“ existiere, sorgte in der demokratischen Öffentlichkeit für Aufregung und Gegenreaktionen.
Eibl-Eibesfeldt leitet aus seinen Forschungen den Anspruch ab, biologisch fundierte ethische Normen zu propagieren und aus diesem Fundus politische Handlungsanweisungen herzuleiten. Laut Eibl-Eibesfeldt sind die Menschen mit „angeborenen verhaltenssteuernden Programmen“ ausgerüstet, die die Wahrnehmung, das Denken und Handeln entscheidend beeinflussen würden. Er spricht von einem „stammesgeschichtlichen Erbe“, das sich in den letzten zehntausend Jahren nicht verändert hätte: „Diese Programme entwickelten sich in jener langen Zeit, in der unsere Vorfahren auf altsteinzeitlicher Entwicklungsstufe als Jäger und Sammler in Kleinverbänden lebten.“[4]
Auf der biologischen Ebene sei auch der Mensch in der heutigen Gesellschaft an ein Leben in territorialen Kleingruppen angepasst, die sich von anderen abgrenzen würden. Die Drei-Generationen-Familie bildet laut Eibl-Eibesfeldt den Kristallationskern solcher Gemeinschaften. Die Neigung von Menschen zum Gefolgsgehorsam gegenüber schutzversprechenden Führerfiguren würden ebenfalls zum „stammesgeschichtlichen Erbe“ gehören. Menschen neigten dazu, sich in Gruppen zusammenzuschließen und von „Fremden“ abzugrenzen. Dies sei bereits bei Säuglingen zu beobachten, die im Alter von sechs bis acht Monaten „Fremdenfurcht“ zeigten: „Sehr früh im Säuglingsalter beobachten wir Abgrenzung über die agonistischen Verhaltensmuster Flucht und Abwehr. Während sich Säuglinge in den ersten drei Monaten nach der Geburt jedem, der sich ihnen nähert, freundlich zuwenden, ändern sie im Alter von sechs bis acht Monaten ihr Verhalten in oft dramatischer Weise. (…) Zur Entwicklung der Fremdenscheu bedarf es keinerlei schlechten Erfahrungen mit Fremden. Auch Kinder, die nie Böses von Fremden erfahren haben, verhalten sich so, und zwar in allen daraufhin untersuchten Kulturen, offenbar aufgrund stammesgeschichtlicher Programmierung.“[5]
Die Stärke der „Fremdenscheu“ hänge davon ab, wie ähnlich „der Fremde“ den Bezugspersonen des Kindes sei. Kindern von Schwarzafrikanern würden sich „mehr von weißen Fremden als von Fremden der eigenen Rasse“ fürchten. Dieses Verhaltensmuster gelte analog für „weiße Kinder“.
Eibl-Eibesfeldt vertritt die Überzeugung, dass es sich „bei der Xenophobie der Erwachsenen um ein anthropologisches Merkmal des Menschen“ handele, das angeblich „stammesgeschichtlich fundiert“ wäre: „Bemerkenswert bleibt das Mißtrauen, das zunächst unser Verhalten gegenüber Fremden kennzeichnet. Dieses Vorurteil schafft die Bereitschaft, vom Fremden vor allem das Negative wahrzunehmen, gewissermaßen als Bestätigung des Vorurteils.“[6] Damit legitimiert Eibl-Eibesfeldt rassistische Einstellungen und Handlungen als „normale“ menschliche Denk- und Reaktionsmuster, die unveränderlich seien und nicht mit pädagogischen oder bildungspolitischen Maßnahmen zu bekämpfen wären.
Indem er sich auf Ergebnisse der Evolutionsbiologie stützt, hält Eibl-Eibesfeldt „Rangordnung und Territorialität“ für typische Merkmale des menschlichen Denkens, die sich „von der Stufe der Jäger und Sammler“ bis in die Gegenwart erhalten hätten.[7] Zu allen Zeiten hätten sich Menschengruppen durch Sprache, Brauchtum und Glauben gegenüber anderen abgegrenzt und auf diese Weise eine wie auch immer geartete Identität geschaffen. Auch auf der heutigen Stufe staatlich organisierter Gemeinschaften werde das „familiare Wir-Gruppen-Gefühl“ auf eine größere Gemeinschaft, der ethnisch fundierten Nation, übertragen: „Man spricht von den anderen Angehörigen der Nation als seinen Brüdern und Schwestern und betont die Ähnlichkeit, die ja Ausdruck einer Verwandtschaft ist, in Kleidung, Brauchtum, Sprache und durch Berufung auf die gemeinsame Geschichte und Abstammung.“[8] Für Eibl-Eibesfeldt bedeutet ein so verstandenes Nationalbewusstsein eine „lebensstützende Identifikationsmöglichkeit“, die dazu führe, dass ihre Mitglieder bevorzugt untereinander heiraten würden.[9] Die Mitglieder der Nation hätten das Bedürfnis, das „kulturelle Erbe der Gemeinschaft, in die sie hereingeboren werden, (…) weiterzugeben und zu erhalten“.[10]
Eibl-Eibesfeldt übersieht bei dieser Darstellung, dass der Begriff „Nation“ in der wissenschaftlichen Forschung schon längst als Konstrukt gesehen wird. Ernest Gellner kam zu dem Schluss: „Nationalismus ist keineswegs das Erwachen von Nationen zu Selbstbewußtsein: man erfindet Nationen, wo es sie vorher nicht gab.“[11] Balibar und Wallerstein diagnostizierten: „Sicher ist indessen, dass es uns beiden gleichermaßen wichtig erscheint, die Nation und das Volk als historische Konstruktionen zu denken, dank derer die heutigen Institutionen und Antagonismen in die Vergangenheit projiziert werden können, um den ‚Gemeinschaften‘ eine relative Stabilität zu verleihen, von denen das Gefühl der individuellen ‚Identität‘ abhängt.“[12] Benedict Anderson definiert „Nation“ als „eine vorgestellte politische Gemeinschaft – vorgestellt als begrenzt und souverän. Vorgestellt ist die deswegen, weil ihre Mitglieder selbst der kleinsten Nation die meisten anderen niemals kennen, ihnen begegnen oder auch nur von ihnen hören werden, aber im Kopf eines jeden die Vorstellung ihrer Gemeinschaft existiert.“[13]
Für Eibl-Eibesfeldt gehört die „Neigung zum Ethnozentrismus“ zu den „allgemeinmenschlichen Eigenschaften“. Nationen würden immer als Solidargemeinschaften auftreten, die zunächst einmal eigene Interessen vertreten würden, das zugleich ihr „Überlebensinteresse“ sei. In sozialdarwinistischer Manier sieht Eibl-Eibesfeldt einen Kampf der Völker und Nationen um „begrenzte Lebensgrundlagen“ vor allem auf ökonomischer Ebene: „Völker und Nationen konkurrieren um begrenzte Lebensgrundlagen, heute vor allem wirtschaftlich, und sie sind gerüstet und durchaus auch bereit, zu den Waffen zu greifen, wenn vitale Interessen gefährdet scheinen.“[14]
Die Nationalstaaten Europas seien durch eine gemeinsame Kultur und Geschichte von der Zeit der Jäger und Sammler bis in die Gegenwart miteinander verbunden. Das friedliche Zusammenleben sei laut Eibl-Eibesfeldt nur dann gewährleistet, wenn jede Nation sich in einem Gebiet kulturell frei entfalten kann und eine Selbstverwaltung vorhanden sei. Auch innerhalb eines Staates könnten verschiedene Völker, die „lang eingesessen und damit territorial verwurzelt sind“, neben- und miteinander leben. Wenn dagegen durch Immigration neue Minoritäten entstehen, würden die Einwanderer stets als Bedrohung wahrgenommen werden: „Die Einwanderer werden dann als Landabnehmer wahrgenommen. Sie nehmen mit ihrer Niederlassung auf Dauer die kostbarste Ressource, die einem Volk zur Verfügung steht, in Anspruch, nämlich das Land. Sie werden daher als Eindringlinge erlebt, und das löst geradezu automatisch territoriale Abwehrreaktionen aus (…). Gestattet ein Volk anderen freie Immigration und den Aufbau von Minoritäten, dann tritt es Land ab und lädt sich zwischenethnische Konkurrenz im eigenen Lande auf.“[15]
Eibl-Eibesfeldt unterscheidet dabei zwischen europäischer Binnenwanderung und „kulturferner“ Einwanderung. Damit sind Einwanderer gemeint, die nicht aus dem angeblich kulturverwandten Europa kommen. Die europäische Binnenwanderung ist für Eibl-Eibesfeldt „unproblematischer“, weil es sich „um kulturell nah Verwandte“ handelt.[16] Europäer wären „biologisch-anthropologisch“ eine „recht einheitliche Population“. Eine angeblich existierende „europäische Identität“ würde die „jeweilige Integration von Europäern in eine andere europäische Nation“ erleichtern. Ein „verträgliches Miteinander“ der einheimischen Bevölkerung und Migranten würde laut Eibl-Eibesfeldt nur im Falle einer „völligen Assimilation“ der Migranten funktionieren. Die „Gastarbeiter“, die ab 1955 aufgrund von Anwerbeabkommen aus der Türkei, Griechenland, Spanien, Italien usw. in die Bundesrepublik kamen, hätten sich nur zum Teil „assimiliert“; die Mehrheit „grenzte sich jedoch auf ethnischer Basis in eigenen Solidargemeinschaften von der übrigen Bevölkerung ab“.[17] Die deutsche Staatsbürgerschaft und damit auch das Wahlrecht sollten für nicht der Europäischen Union angehörenden Migranten nur bei „völliger Assimilation“ gewährt werden. Auf die sich daraus ergebenen Fragen, wie diese „Assimilation“ auszusehen hat, wann sie erreicht ist und welche Folgen sich für ihr Ignorieren seitens der Migranten ergeben, geht Eibl-Eibesfeldt nicht ein.
Eibl-Eibesfeldt duldet keine[18] Abweichungen von der Fiktion eines homogenen Nationalstaates; kulturelle Verschiedenheit und Vielfalt im Sinne einer interkulturellen Gesellschaft würde zu „Polarisierungen“ führen, die „eine liberale Demokratie gefährden“. Er fragt sich, ob sich „die Einwanderer von den Einstellungen der Wirtschafts- und Arbeitskultur ihrer Herkunftsländer lösen und die der Deutschen übernehmen würden“.[19] Hinter dieser Denkhaltung steht der weit verbreitete Stereotyp der „faulen Südländer“ und der „fleißigen Deutschen“, die „ehrliche Arbeit“ hochschätzen.[20] Eibl-Eibesfeldt macht dabei ihm typische künstliche Trennung zwischen „Wir-Gruppe“ (Deutsche) und „Fremdgruppe“ (Einwanderer). Sowohl die „Wir-Gruppe“ als auch die „Fremdgruppe“ werden dabei ohne Ansehen der jeweiligen Individuen homogenisiert und ihnen unveränderliche Merkmale zugeschrieben. Eibl-Eibesfeldt will den Zuzug von Menschen aus „kulturfernen Regionen“ auf Einzelfälle beschränken. Damit meint er vor allem Menschen aus Afrika, Asien oder Lateinamerika, die nicht dem als homogen gedachten „europäischen Kulturbereich“ angehören.[21]


[1] Vgl. dazu folgende Werke: Eibl-Eibesfeldt, I.: Grundriß der vergleichenden Verhaltensforschung, München 1967; Eibl-Eibesfeldt, I.: Die Biologie des menschlichen Verhaltens. Grundriß der Humanethologie, München 1984; Eibl-Eibesfeldt, I.: Menschenforschung auf neuen Wegen. Die naturwissenschaftliche Betrachtung menschlicher Verhaltensweisen, Wien 1976
[2] Wilhelmi, C.: Anthropologische Konstanten?, Heidelberg 1998, S. 35
[3] Sengoulo, A.: Rassismus in der Bundesrepublik, Würzburg 1996, S. 34f; Wiegmann, K.-H.: Vordenker der Menschenfeindlichkeit, in: Einspruch, 2. Jg., Heft 2 (1997), S. 5-10, hier S. 7
[4] Eibl-Eibesfeldt, I.: Zukunft multikulturelle Gesellschaft?, in: Eder, R./Mölzer, A.: Einwanderungsland Europa?, Graz 1993, S. 129-142, hier S. 130
[5] Eibl-Eibesfeldt, I.: Wider die Misstrauensgesellschaft. Streitschrift für eine bessere Zukunft, 2. Auflage, München 1994, S. 108
[6] Ebd., S. 112
[7] Ebd., S. 32
[8] Ebd., S. 107
[9] Ebd., S. 39
[10] Eibl-Eibesfeldt, Zukunft multikulturelle Gesellschaft?, in: Eder/Mölzer, Einwanderungsland Europa?, a.a.O., S. 136
[11] Gellner, E.: Thought and Change, London 1964, S. 13
[12] Balibar, E./Wallerstein, I.: Rasse Klasse Nation. Ambivalente Identitäten, Hamburg/Berlin 1990, S. 15
[13] Anderson, B.: Die Erfindung der Nation. Zur Karriere eines folgenreichen Konzepts, 2. Auflage, Frankfurt/Main 2006, S. 15
[14] Eibl-Eibesfeldt, Wider die Misstrauensgesellschaft, a.a.O., S. 126
[15] Ebd., S. 136
[16] Ebd., S. 138
[17] Ebd., S. 117
[18] Eibl-Eibesfeldt, Zukunft multikulturelle Gesellschaft?, in: Eder/Mölzer, Einwanderungsland Europa, a.a.O., S. 138
[19] Eibl-Eibesfeldt, Wider die Mißtrauensgesellschaft, a.a.O., S. 130
[20] Wrobel, E.: Die neue Arbeitsgesellschaft, Berlin 1984, S. 103f
[21] Eibl-Eibesfeldt, Wider die Misstrauensgesellschaft, a.a.O., S. 160

Über Michael Lausberg 545 Artikel
Dr. phil. Michael Lausberg, studierte Philosophie, Mittlere und Neuere Geschichte an den Universitäten Köln, Aachen und Amsterdam. Derzeit promoviert er sich mit dem Thema „Rechtsextremismus in Nordrhein-Westfalen 1946-1971“. Er schrieb u. a. Monographien zu Kurt Hahn, zu den Hugenotten, zu Bakunin und zu Kant. Zuletzt erschien „DDR 1946-1961“ im tecum-Verlag.

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