Philosoph Nida-Rümelin: Bei der Lieferung von Kampfpanzern in die Ukraine fehlt der öffentliche Diskurs

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Mich irritiert an der gegenwärtigen Debatte um die Lieferung von Kampfpanzern an die Ukraine das völlige Fehlen jeder Analyse und jeder Perspektive im öffentlichen Diskurs.

Sollen die Kampfpanzer geliefert werden, damit die Ukraine sich gegen mögliche Angriff Russlands besser zur Wehr setzen kann, oder um die Ukraine instandzusetzen, zum Beispiel die Krim zu erobern? Sind Kampfpanzer das geeignete Instrument, um die Verteidigungsfähigkeit der Ukraine zu erhöhen oder nicht eher andere Waffensysteme? Ist der eigentliche Grund für die Weigerung der USA Kampfpanzer amerikanischer Bauart an die Ukraine zu liefern die Sorge um eine nicht mehr steuerbare KonfliktEskalation im Krieg?

Wenn die so ist, dann ist das Junktim, das Olaf Scholz hergestellt haben soll, was aber auch bestritten wurde, wohlbegründet: wenn die USA Gründe hat, keine Kampfpanzer zu liefern, um eine unkontrollierbare Konflikt Eskalation zu vermeiden, dann ist es auch nicht sinnvoll, dass Deutschland solche Kampfpanzer liefert. Dann ist die scharfe Kritik dieses vermeintlichen Junktims nicht gerechtfertigt Gibt es regelmäßige Abstimmungen zwischen der obersten Heeresleitung der USA und derjenigen Russlands, die zum Beispiel dazu geführt hat, dass die USA Polen untersagt hat, Kampfflugzeuge an die Ukraine zu liefern?

Wenn dies so ist, dann könnte die Zurückhaltung der USA, was die Lieferung von Kampfpanzern eigener Bauart angeht, Gründe haben, die das Kanzleramt dazu veranlassen, ebenfalls keine Kampfpanzer zu liefern. Ich bin kein Waffenexperte, mir geht es darum, dass die Ukraine unterstützt werden muss, damit Putin seine Kriegsziele nicht reicht – bislang sieht es so aus, als ob das gelingen würde. Und zugleich muss alles getan werden, damit dieser Krieg nicht auf dem Rücken der ukrainischen Bevölkerung und der Soldaten auf beiden Seiten endlos fortgeführt und ein im Kern geopolitische Konflikt weiter mit einem schrecklichen Blutzoll, mit Leid und Tot, bezahlt wird.

Und warum wurde der Vorschlag des ukrainischen Außenministers eine internationale Konferenz einzuberufen, um die Chancen eines Friedensschlusses auszuloten, nicht aufgegriffen? Stattdessen Aufrüstung auf allen Seiten, militante Kriegsrhetorik, allgemeine Perspektivlosigkeit.

Quelle: Facebook

Über Julian Nida-Rümelin 16 Artikel
Prof. Dr. Julian Nida-Rümelin, geboren 1954, war von 2004 bis 2020 Professor für Philosophie an der Ludwig-Maximilians-Universität München. Von 1975-1980 studierte er Philosophie, Physik, Mathematik und Politikwissenschaft an den Universitäten München und Tübingen. 1983 folgte die Promotion und 1989 die Habilitation. 1994-1997 war er Präsident der Gesellschaft für Analytische Philosophie; 1998 bis 2001 Kulturreferent der Stadt München, 2001-2002 Staatsminister für Kultur und Medien. 2009 wurde Nida-Rümelin zum neuen Präsidenten der „Deutschen Gesellschaft für Philosophie“ gewählt. 2010 kandidierte er bei der Wahl des Präsidenten der Ludwig-Maximilians-Universität gegen den Amtsinhaber Bernd Huber. Zuletzt erschien 2011: Die Optimierungsfalle. Philosophie einer humanen Ökonomie.