Trauerbilder und Totenporträts. Nordamerikanische Miniaturmalerei und Fotografie im 19. Jahrhundert

Von Patrizia Munforte

Flagge der Vereinigten Staaten von Amerika, Foto: Stefan Groß

Patrizia Munforte: Trauerbilder und Totenporträts. Nordamerikanische Miniaturmalerei und Fotografie im 19. Jahrhundert, Reimer Verlag, Berlin 2018, ISBN: 978-3-496-01606-9, 49 EURO (D)

Die Miniaturmalerei diente der nordamerikanischen Erinnerungs- und Trauerfotografie um die Mitte des 19. Jahrhunderts als wichtige materialästhetische und ikonografische Vorlage. Patrizia Munforte untersucht in ihrer Dissertation die Wechselbeziehungen von Porträtfotografie und -malerei in der Bildkultur Nordamerikas nach 1800. Die Analyse fokussiert sich auf die drei damals bedeutenden Kultur- und Handelsstädte New York, Boston und Philadelphia, wobei die beiden Letztgenannten bereits im 18. Jahrhundert Zentren der Miniaturmalerei waren. Die Arbeit behandelt nicht Porträtaufnahmen von Afroamerikanern, da diese eigens erforscht werden müssten. Auch die Silhouettemalerei wird nicht berücksichtigt. 

Folgende Ergebnisse lieferte die Studie: 

Die Miniaturmalerei begann an der Nordostküste ab Mitte des 18. Jahrhunderts zu florieren und wurde über ein Jahrhundert lang praktiziert. Private Miniaturen wurden anlässlich wichtiger Ereignisse in Auftrag gegeben, um persönliche, aber auch sozioökonomische Beziehungen zu besiegeln und eine abwesende Person zu vergegenwärtigen. 

Besonders zwischen den 1840er- und 1860er Jahren lässt sich eine Affinität der Fotografie zur Miniatur nachweisen. Fotografen bezeichneten das neue Bildmaterial bewusst als Miniatur, um es in eine der wichtigsten nationalen Bildtraditionen einzureihen und als Kunstform zu etablieren. Die Fotografie wurde zugeschrieben, Erinnerungen lückenlos wiederzugeben. Nicht nur die präzise und realitätsgetreue Darstellung wurde hervorgehoben, sondern auch materielle und haptische Qualitäten, besonders im Zusammenhang mit der „unfehlbaren“ Erinnerung. 

Die Totenporträtfotografie in Nordamerika spiegelte die lokale visuelle und materielle Trauerkultur wider: „Totenporträts stellten einen Zustand der Ambivalenz dar, denn sie sollte die likeness der Verstorbenen möglichst genau wiedergeben und dadurch zu einem Erinnerungsbild werden. Aus diesem Grund lassen sie sich zu der gleichzeitig praktizierten posthumous mourning portraits in Beziehung setzen, die ebenfalls die Toten als Lebende darstellten. Entscheidend war, sowohl in fotografischen als auch in den gemalten posthumen Bildern, den Toten in einer ambivalenten Pose darzustellen und somit die Grenzen zwischen Leben und Tod zu verwischen.“ (S. 160)

Hier werden durch die Untersuchung vielschichtige Erinnerungsdiskurse und Vorstellungen sichtbar, die für Nordamerika prägend waren und die auch einen hohen gesellschaftlichen Stellenwert besaßen. Die Wechselbeziehungen zwischen der Malerei und der sie langsam ablösenden Fotografie werden anschaulich dargestellt und der ambivalente Zustand zwischen Leben und Tod, den die Angehörigen verlangten, herausgearbeitet. 

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Dr. phil. Michael Lausberg, studierte Philosophie, Mittlere und Neuere Geschichte an den Universitäten Köln, Aachen und Amsterdam. Derzeit promoviert er sich mit dem Thema „Rechtsextremismus in Nordrhein-Westfalen 1946-1971“. Er schrieb u. a. Monographien zu Kurt Hahn, zu den Hugenotten, zu Bakunin und zu Kant. Zuletzt erschien „DDR 1946-1961“ im tecum-Verlag.