Wie die politischen Ränder sich an der Ukraine vergehen

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Rechter und linker Rand bestätigen in der Debatte um den Ukrainekrieg die Hufeisentheorie. Je extremer die Ränder werden, desto ähnlicher argumentieren sie.

Dieser Text ist emotionaler als sonst und vielleicht auch emotionaler als nötig. Als notorischer „Auf den-Schlips-Treter“ sind mir die zu erwartenden Reaktionen, gerade aus dem geneigten Lager, bewusst. Aber ich habe das Gefühl, dass diese Worte sein müssen. Ich schreibe nicht über die Ukraine, das Thema schreibt mich.

Ich habe den Eindruck, dass in diesem Moment etwas verloren geht. Weniger die Ukraine selbst, die gerade unter Beschuss und de facto auf sich alleine gestellt ist. Eher verliert sich gerade Deutschland. Bei allem Leid und Tod, bei aller Angst im Bombenhagel haben wenigstens die Ukrainer ihr Herz am rechten Fleck und ihre innere Hygiene behalten. Genau das, was vielen hierzulande  abhanden gekommen ist.

„Anarchotruppe mit Laissez-Faire Prinzip“

Zeit meines Lebens denke ich politisch. Und wo immer ich mich in Parteien engagiert habe, scheiterte es am Ende an außenpolitischen Fragen. So war es bei der Partei Die Linke  2006 und so war es 2015 mit der AfD. Ich erinnere mich gut, als in meiner Heimstadt aufgrund der unheiligen Nähe zu Putins Russland viele kluge Köpfe aus der „Alternative für Deutschland“ ausgetreten sind. Spätestens zu dieser Zeit entkernte sich die Partei, was transatlantische Standpunkte angeht, wobei sie diesbezüglich nie richtig sattelfest waren.

Zwar und immerhin verurteilten die Spitzen der  AfD den russischen Angriffskrieg stante pede, doch an der Basis hört sich das oftmals anders an. Noch am 22. Februar konnten sich viele nicht vorstellen, dass Putin diese Intervention tatsächlich wagen wird. Welch eine Fehleinschätzung, die sich natürlich auch viele der Etablierten zu eigen machten. Und auch in den Länderparlamenten gibt es die kleinen oder großen Leuchten des politischen Betriebes.

Eine hört auf den Namen Jörg Dornau. Der ist Abgeordneter in Sachsen und seines Zeichens außenpolitische Koryphäe. So übernimmt der AfD Politiker die 1-zu-1-Rhetorik Putins von der „Entnazifizierung“ und die Forderung, Luganz und Donjezk als „eigenständig“ anzuerkennen.

Dieter Stein, Chefredakteur der „Jungen Freiheit“ fasste das treffend zusammen: „Anarchotruppe mit laissez-faire-Prinzip: Das faszinierende an der ist, dass jeder inkompetente Hinterbänkler ohne Autorisierung seine Privatmeinung zur Weltpolitik unter dem Parteilogo posten und seinen Laden bis auf die Knochen blamieren darf.“

Orwellscher Neusprech von den Linken perfektioniert

Die Aussagen von Dornau, die nicht wenige an der Basis teilen, sind auf mindestens zwei Ebenen bemerkenswert. Erstens: Einem mit über 70 Prozent der Stimmen demokratisch gewählten ukrainischen Präsidenten, der Jude ist und dessen Großvater gegen die Nazis gekämpft hat, in die Nähe zum Nationalsozialismus zu rücken, ist im höchsten Maße infam.

Und zweitens: Dieses Argument ausgerechnet aus der Richtung einer Partei zu hören, die mit den eigenen Extremismen genug zu tun hat, ist schier lächerlich und alles andere als glaubwürdig. Der Kampf gegen Rechtsextremismus scheint in den eigenen Reihen der AfD kompliziert sein – doch stellvertretend in der Ukraine ist dieser wohlfeile Kampf jedoch kein Problem und plötzlich ein wichtiges Anliegen. Doppelstandard in Reinform.

Auf der linken Seite sieht es nicht besser aus.

Die Bundestagsabgeordneten Sevim Dagdelen, die Autokraten hart kritisiert, vorausgesetzt sie hören nicht auf den Namen „Erdogan“, beschwichtigt noch am 20. Februar: Man solle nicht die Lügen aus dem Westen glauben, dass Putin die Ukraine angreifen will. Wahrscheinlich ist Frau Dagdelen heute immer noch der  gleichen Meinung. Eine völkerrechtswidrige Invasion ist eine „besondere militärische Operation“, Bomben auf Kiew nennt man Entnazifizierung, Raider heißt nun Twix und Krieg ist Frieden. „Die Linke“ perfektioniert den orwellschen Neusprech auf eine kaum erträgliche Weise.

Die Falken fliegen nicht mehr

Der Ukrainekrieg offenbart in vielen, ob von links, oder von rechts, völlig egal, ein krudes Menschen- und Gesellschaftsbild. Ein Freund sagte einst, in Anspielung auf die viel zitierte Hufeisentheorie: „Das Hufeisen wird zu einem glatten Ring“. Wenn Mitglieder der Partei „Die Linke“ sich außenpolitisch kaum von der AfD unterscheiden, eben wie die Enden eines Hufeisens, die sich trotz unterschiedlicher Richtung immer weiter annähern, dann beschreibt das die Arithmetik der deutschen Parteienlandschaft. Es handelt sich um nicht weniger als um den Ausverkauf  anständiger Politik.

1982 sang Hans Hartz noch: „Die weißen Tauben fliegen nicht mehr“ und spielte damit auf die Friedensbewegung an. 2022  müsste es heißen: „Die Falken fliegen nicht mehr.“  Die westliche Impotenz gegenüber Russland ist bedrückend. Die Ukraine spürt dies gerade hautnah. Und während sich Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidenten Manuela Schwesig mit dem blau-gelben Landtag in Schwerin in Gratismut und Heuchelei selbst überbietet,  fallen die Bomben und sterben die Menschen in der Ukraine. Es ist beschämend. Es macht mich traurig und es macht mich zornig,  in welchem  Zustand sich die politische Klasse in Deutschland befindet.

Quelle: The Germanz