Dass Alcina, bei Ariost böse Zauberin auf einer Insel der Unseligen, in der Händel-Oper von 1735 am Gärtnerplatz eine Passionspiel-Tragödin mit tödlichem Ende durch Revolverschuss, ihre heimtückische Zauberkraft einbüßt, erahnte der Theaterbesucher mit guter Sicht auf die Bühne schon zu Beginn: die Heldin, von Super-Sopran Jennifer O`Laughlin energiegeladen verkörpert, strauchelt. Doch wurde ihr erst mal ein warmes Sakko umgelegt – und so erschien sie bald unternehmungslustig wieder. Sie ließ auf ein buntes Eiland-Treiben hoffen, von Chefdirigent Rubèn Dubrovskys Ensemble im gut funktionierenden Orchestergraben weniger farbenfroh als Georg Friedrich Händel es verdient hätte, angeleitet. Doch daraus wurde, was die Story angeht, nichts – oder besser gesagt: Das meiste ging, was die Szene betrifft, wegen ehrgeiziger Undurchsichtigkeit in die Hosen.
Man hatte seine Mühen: mit der Erkennbarkeit der handelnden Personen – Bradamante (Monika Jägerovà) als Mann verkleidet, ihr von Alcina völlig vereinnahmter Verlobter Ruggiero (Sophie Rennert), Alcinas Schwester Morgana (Alina Wunderlin), ihr Feldherr Oronte (Gyula Rab), Bradamentes Vertrauter Melisso (Timos Sirlantzis) und der kleine Oberto (Mina Yu) –, mit der Rollenzuweisung der für Frauen wie für Männerschwärmer gleichermaßen attraktiv in Schwarz gekleideten, aber zu stark dominierenden Ballett-Riege, vor allem aber mit der Bühnenausstattung des Stephan Mannteuffel. In diesem Ambiente Gefängnis-gleicher Eisengestänge und rätselhaft verschiebbarer Glasgehäuse, aufgefrischt durch phallische Riesen-Blüten und undefinierbare farbige Kunst-Gewächse, konnte man sich nur widerstrebend anfreunden.
Wären an diesem dreistündigen Abend nicht die Händel-Durstigen auf ihre Kosten gekommen – die Inszenierung der Österreicherin Magdalena Fuchsberger und des hauseigenen Ballettchefs Karl Alfred Schreiner hätte man sich schenken können, um allein seinen Ohren zu trauen. Die Koloratur-Vernarrten unter den Zuschauenden hatten großes Hörer-Glück: durch Sophie Rennerts warme Lyrismen, die sie dem bravourösen Ruggiero widmete, durch Timos Sirlantzis` auf seinen „Schüler“ väterlich eingehende Mahnung, durch die glasklaren Verzierungen in Alina Wunderlins und, bravissimo, den drei lockeren Arien des Oberto, den Mina Yu auch durch gewinnendes Spiel aufwertete. „Das“ Gärtnerplatz – es sticht durch seine jungen, klug geführten, angenehmen Stimm-Akrobaten heraus. Sie und auch das verdienstvolle Orchester mit dem Basso continuo aus Cembalo und Orgel, Erzlaute, Theorbe, Barock-Gitarre, Fagott und dem eindrucksvollen Solo-Cello (Stefan Schütz) können sich weiter hören lassen, und zwar am 6., 8. 14. und 16. Februar sowie am 9., 13., 17. und 19. April.