Transatlantische Partnerschaft verliert an Rückhalt: 36 Prozent der Deutschen finden enge Beziehungen zu China wichtiger als zu den USA Repräsentative Umfrage der Körber-Stiftung zu Deutschlands Außenpolitik im Kontext der Corona-Pandemie.

Repräsentative Umfrage zu Deutschlands Außenpolitik im Kontext der Corona-Pandemie

deutsch deutschland freundschaft fahne fahnen, Quelle: Conmongt, Pixabay License Freie kommerzielle Nutzung Kein Bildnachweis nötig

Im Zuge der Corona-Pandemie verzeichnen die USA dramatische Image-Einbußen: 73 Prozent der Deutschen sagen, ihre Meinung von Amerika habe sich durch die aktuelle Krise verschlechtert. China sehen hingegen nur etwa halb so viele der Befragten (36 Prozent) kritischer als zuvor – ein Viertel der Deutschen (25 Prozent) gibt sogar an, vor dem Hintergrund der Pandemie ein positiveres Bild von China gewonnen zu haben. Zugleich glauben jedoch 71 Prozent der Befragten, dass mehr Transparenz der chinesischen Regierung dazu hätte beitragen können, die Pandemie abzumildern oder gar zu verhindern. Das zeigt eine repräsentative Umfrage im Auftrag der Körber-Stiftung, durchgeführt vom Meinungsforschungsinstitut Kantar Public im April 2020.

China profitiert im Hinblick auf die öffentliche Meinung von Pandemie

Diese Dynamiken ergeben eine Verschiebung der Wertschätzung der Deutschen zugunsten Pekings: Während noch immer 37 Prozent der Deutschen enge Beziehungen zu den USA vorziehen, sehen 36 Prozent der Befragten enge Beziehungen zu China als wichtiger an. Im September 2019 fiel die Antwort auf dieselbe Frage mit 50 zu 24 Prozent noch deutlich zugunsten der USA aus. 

»Die Skepsis der Deutschen den USA gegenüber wächst – ein besorgniserregender Trend, der politischen Entscheidungsträgern auf beiden Seiten des Atlantiks zu denken geben sollte«, kommentiert Nora Müller, Leiterin des Bereichs Internationale Politik der Körber-Stiftung, die Umfrageergebnisse.

Jenseits des Atlantiks genießt das transatlantische Verhältnis übrigens weiterhin hohe Zustimmung: So empfinden laut einer vom Pew Research Center parallel durchgeführten repräsentativen Umfrage 44 Prozent der Amerikaner enge Beziehungen zu China als wichtiger, jedoch würden immerhin 43 Prozent der Befragten enge Beziehungen zu Deutschland priorisieren.

Schengener Abkommen weiterhin beliebt, dennoch büßt EU an Sympathien ein

Nicht nur die USA, auch die EU hat durch die Pandemie an Sympathien eingebüßt. Zwar geben 33 Prozent der Befragten an, nun eine positivere Meinung zur EU zu haben als vor der Pandemie, für 38 Prozent der Befragten hat sich ihre Meinung zur EU jedoch verschlechtert.

Überhaupt scheint die Europa-Begeisterung der Deutschen in der Theorie größer als in der Praxis. Zwar stimmen beinahe drei von vier Deutschen (73 Prozent) der Aussage zu, als wirtschaftlich starkes Land solle Deutschland mehr zur Lösung globaler Probleme beitragen als andere; angesprochen auf Corona-Bonds, über die in den vergangenen Wochen kontrovers diskutiert wurde, zeigen sich jedoch nur 38 Prozent überzeugt. Eine Mehrheit von 59 Prozent hingegen wäre gegen die Einführung solcher Anleihen.

Dennoch bleiben die Vorzüge des europäischen Projekts überaus populär: Eine große Mehrheit von 79 Prozent befürwortet demzufolge eine vollständige Rückkehr zum Schengener Abkommen, das den Bürgern teilnehmender Staaten Reisefreiheit ohne Passkontrollen garantiert.

Globalisierung erfährt weiterhin große Zustimmung

Obgleich sich eine gewisse Verunsicherung hinsichtlich Deutschlands traditioneller Partner bemerkbar macht, spricht sich die überwiegende Mehrheit für eine globalisierte, kooperative Welt aus: Insgesamt finden 89 Prozent der Befragten, dass Deutschland zur Lösung globaler Probleme mit anderen Staaten kooperieren sollte. Immerhin 71 Prozent wären auch dann für internationale Kooperation, wenn Deutschland hierfür seine eigenen Interessen zunächst hintenanstellen müsste.

Knapp drei Viertel der Bundesbürger (73 Prozent) befürworten weiterhin, dass Deutschland als wirtschaftlich starkes Land mehr zur Lösung globaler Herausforderungen beiträgt als andere, wirtschaftlich schwächere Länder. Dieser Wert hat sich im Vergleich zu 2019 (79 Prozent) nur leicht reduziert und macht deutlich, dass die große Mehrheit der Deutschen weiterhin bereit ist, im internationalen Vergleich mehr zu schultern als ärmere Staaten.

Die hohe Zustimmungsrate lässt sich teilweise durch die Erfahrungen der Deutschen mit der Globalisierung erklären: Beinahe sechs von zehn Befragten (59 Prozent) meinen, dass die Globalisierung überwiegend positive Folgen für Deutschland hatte – für 52 Prozent gilt das auch für die persönliche Lebenslage. Es überrascht daher nicht, dass 65 Prozent die Ansicht vertreten, eine Abnahme von Vernetzung und Globalisierung infolge der Pandemie wäre eine schlechte Entwicklung.

Doch auch die Zustimmung zur Globalisierung hat ihre Grenzen: So spricht sich eine deutliche Mehrheit von 85 Prozent der Befragten dafür aus, die Produktion kritischer Infrastruktur und sonstiger Allgemeingüter zurück nach Deutschland zu verlegen – eine Zahl, die sowohl in Bezug auf medizinische Güter als auch im Hinblick auf die Debatte um (nicht-)europäische 5G-Ausrüster noch eine Rolle spielen könnte.

Klimawandel als größte Herausforderung

Unter fünf vorgegebenen Antworten halten die meisten Befragten (33 Prozent) den Klimawandel trotz der Corona-Krise für die drängendste Herausforderung, der die Weltgemeinschaft gegenübersteht. Es folgen globale Gesundheitskrisen (25 Prozent), kriegerische Konflikte (17 Prozent), Migration (14 Prozent) und Terrorismus (8 Prozent).

Online-Präsentation der Umfrageergebnisse am Montag, 18. Mai 2020 um 10.30 Uhr

Die zentralen Ergebnisse der Umfrage stellen Joshua Webb, Editor des Berlin Pulse, und Ronja Scheler, Programmleiterin im Bereich Internationale Politik der Körber-Stiftung, am Montag, den 18. Mai von 10.30 Uhr bis 11.30 Uhr bei einer Zoom-Videokonferenz vor. Während und nach der Veranstaltung haben Sie die Möglichkeit, Ihre Fragen zu stellen.